Hartmut Schwarzbach dokumentiert Armut weltweit, am liebsten fotografiert er auf den Philippinen. Jetzt sind seine Bilder in Elmshorn zu sehen.
Das Gespräch läuft schon eine Weile, da erzählt Hartmut Schwarzbach beiläufig von einem Mordversuch. Berufliche Neugier hätte ihn einmal fast das Leben gekostet. Schwarzbach ist Fotograf und dokumentiert Armut und Kinderarbeit. Der Hamburger ist seit 40 Jahren in einigen der ärmsten Ländern der Welt unterwegs, in der Sahel-Zone, im Kongo, in Burkina Faso und immer wieder auf den Philippinen.
In Manila, der Hauptstadt des Landes, arbeitet Hartmut Schwarzbach erstmals Mitte der 1980er-Jahre. Er erinnert sich, wie er dort auf Kinder traf, die täglich unter brutalen Umständen schuften mussten. Viele waren keine zehn Jahre alt. „Ich habe auf einer Müllhalde fotografiert, dem Smokey Mountain. Da ist überall Qualm, du hältst es nicht lange aus. Ich habe gedacht, das kann doch nicht sein! Kinder, die im Dreck leben und arbeiten?! Mich hat das sehr berührt.“
Die Bilder des Elends lassen Schwarzbach nicht los. In den folgenden Jahren fotografiert er für eine Nachrichtenagentur. Im Jahr 2000 ist er zurück auf den Philippinen, macht Bilder für Hilfsorganisationen und sammelt Spenden. 130.000 D-Mark kommen zusammen, die direkt an die Familien gehen. „Ohne Fotos würden Hilfsorganisationen nicht einen Cent an Spendengeldern bekommen“, weiß Schwarzbach. Ganz nah geht er mit der Kamera an seine Protagonist:innen heran, fotografiert tagelang vor Ort. Der Kontakt kommt oft über Priester und Nonnen zustande.
Nun sind Hartmut Schwarzbachs Bilder in einer Ausstellung im Industriemuseum Elmshorn zu sehen. Fotos aus den vergangenen 20 Jahren, darunter auch solche aus einer Goldmine in Burkina Faso und von Kindern im Grundschulalter, die in einer Ziegelei in Kambodscha schuften – eines der Länder mit dem größten Wirtschaftswachstum weltweit. „Ich konnte das gar nicht glauben, denn Kinderarbeit ist dort verboten“, sagt Schwarzbach. „Ich habe früher immer gesagt: Es darf so etwas nicht geben. Aber man muss unterscheiden. In einigen südamerikanischen Ländern wird Kinderarbeit mittlerweile wieder geduldet, weil es ohne die Hilfe der Kinder einfach nicht geht. Und auf den Philippinen ist ausbeuterische Kinderarbeit selten; die Familien sind einfach in Not. Auf der Insel Mindanao gibt es Kinder, die ihre Väter bei Grubenunglücken verloren haben. Dann fangen sie mit zehn Jahren an, in den Bergwerken zu arbeiten. Nur Politik und Wirtschaft können diese Verhältnisse ändern.“
Doch tatenlos zuzusehen fiel Hartmut Schwarzbach schwer. So versuchte er auf eigene Faust, die Lebenssituation mancher Kinder zu verbessern. 2018 fotografierte er die 13-jährige Wenie Mahiya, die in der Bucht von Manila Plastikmüll sammelte. „Der Vater von Wenie war drogensüchtig. Er wollte seine Tochter an andere Männer verkaufen. Da ist die Mutter mit den Kindern abgehauen. Heute ist Wenie 18 Jahre alt. Ich überweise ihr jeden Monat Geld, so kann sie an einem alternativen Lernprogramm teilnehmen, um wieder in die Schule gehen zu können.“
Auf den Philippinen hat sich der Fotograf fast immer sicher gefühlt. Anders in Rio de Janeiro. Dort kommt er während einer Recherche im Jahr 2007 nur knapp mit dem Leben davon. „Ich bin an der falschen Station aus der Straßenbahn gestiegen. In einem Park haben mich vier minderjährige Jungs angebettelt. Ich bin ihnen aus dem Weg gegangen, aber die haben mich verfolgt. Plötzlich, ohne dass es eine Drohung gegeben hätte, hatte ich eine abgebrochene Glasflasche am Hals. Man hat versucht, mir die Halsschlagader durchzuschneiden. Aber ich konnte sie abwehren und mich in einen Linienbus retten. Danach wollte ich nur wieder auf die Philippinen.“
Hartmut Schwarzbach fliegt noch häufig nach Südostasien, er hat dort Freunde gefunden. Doch Illusionen macht er sich keine: „Auf den Philippinen hat sich vieles verbessert. Aber ich werde es nicht mehr erleben, dass die Kinderarbeit abgeschafft wird.“