Obdachlose am Isebekkanal :
„Der Zaun muss weg!“

Soll ein Zaun am Isebekkanal Obdachlose vertreiben oder sie vor dem Ertrinken bewahren? Das Bezirksamt hatte behauptet, den Zaun zu ihrem Schutz errichtet zu haben. Inzwischen ist klar: Es geht (auch) um Vertreibung.

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4641,87 Euro hat der Zaun nach Bezirksangaben gekostet.

Der Zaun steht schon seit Wochen. Unter der Goebenbrücke am Isebekkanal hat das Bezirksamt Eimsbüttel ihn im Februar errichten lassen, um die dort lebenden Obdachlosen von ihrer Platte fernzuhalten. Das ist sein einziger Nutzen – und dennoch hält sich die Empörung in Grenzen. Bislang forderten lediglich einige Anwohner und Politiker von Linkspartei und FDP in der Eimsbütteler Bezirksversammlung, den Zaun wieder abzureißen.

Das Bezirksamt hatte geschickt argumentiert. „Hier geht es um Schutz von Gesundheit und Leben“, hatte die Pressestelle uns im März mitgeteilt. Nur am Rande wurde auf eine Verordnung verwiesen, die es verbietet, dort zu nächtigen. Die angebliche Sorge der Bezirksverwaltung: Betrunkene Obdachlose könnten im Schlaf ins Wasser rollen und dort ertrinken. Davor solle der Zaun sie bewahren. Erst kürzlich betonte die Verwaltung noch einmal in einer Parlamentsdrucksache, der Zaun diene „nicht der Verdrängung obdachloser Menschen“.

„Es ist gefährlich, dort zu schlafen“

Auch Sozialarbeiter und Experten aus der Wohnungslosenhilfe konnten diese Argumentation nachvollziehen. „Unter der Brücke ist es abschüssig und deswegen gefährlich, dort zu schlafen“, sagte uns Uwe Martini, Leiter der Diakonie Tagesaufenthaltsstätte für Obdachlose in der Bundesstraße, Anfang Mai. Deswegen hatte er Verständnis für den Zaun. Und auch Hinz&Kunzt sah erst mal keinen Skandal am Isebekkanal.

Doch im Eimsbütteler Kerngebietsausschuss drängte sich am Montagabend der Eindruck auf, dass die Verwaltung dieses Argument nur vorgeschoben hatte. Vor Bezirkspolitikern erklärte dort der Leiter des Fachamtes „Management des öffentlichen Raums“, Thomas Pröwrock, die Gründe für den Zaunbau: Da das Ufer des Isebekkanals seit Dezember als öffentliche Grünanlage gilt, sei dort Zelten und nachts auch Lagern untersagt. „Insbesondere im Isebekbereich sind wir intensiv dabei, die Einhaltung dieser Verordnung zu überwachen“, sagte Pröwrock. Als „Ultima Ratio“ würden Bezirksmitarbeiter den Obdachlosen mitunter auch ihr Hab und Gut wegnehmen. Oder, wie in diesem Fall, einen Zaun bauen.

„Sollen wir etwa eine Mauer bauen?“

Vom Zaun als Schutzmaßnahme war nur noch am Rande die Rede. Und wenn der Bezirk die Obdachlosen tatsächlich vor dem Ertrinken bewahren wollte: Hätte er den Zaun nicht längs zum Wasser errichten können, ohne den Zugang zur Platte zu versperren? Pröwrock Antwort auf diese Frage einer Abgeordneten: „Wenn wir das so gemacht hätten, würden wir weiterhin diese Situation dort haben.“ Und: „Unsere Aufgabe ist es, das zu unterbinden.“ Hätte es keine Alternative zum Zaun gegeben? Pröwrock, sarkastisch: „Sollen wir etwa eine Mauer bauen?“

Derzeit „schützt“ der Zaun die Obdachlosen davor, ihre Platte zu betreten.

Der Bezirk betont, den beiden dort lebenden Obdachlosen auch Alternativen angeboten zu haben, bevor der Zaun errichtet wurde. Mitarbeiter des Sozialamts hatten sie an die Notunterkunft Pik As verwiesen. Weil die beiden allerdings polnische Staatsbürger sind, gelten sie in Hamburg als „nicht anspruchsberechtigt“ und müssten das Pik As nach wenigen Tagen wieder verlassen. Aus demselben Grund haben sie auch so gut wie keine Chance darauf, eine Wohnung zu finden.

Zaun soll „vertreiben und abschrecken“

Inzwischen fordert die Diakonie vom Bezirk, den Zaun zum Wasser hin umzusetzen und die Platte wieder freizugeben. „Wir haben uns die Situation noch einmal direkt vor Ort angesehen“, sagt Johan Graßhoff, Straßensozialarbeiter der Diakonie. „Der dort angebrachte Zaun dient nicht dem Schutz von Leib und Leben, sondern soll verdrängen und abschrecken.“ Gleicher Ansicht ist der FDP-Abgeordnete Burkhardt Müller-Sönksen, der beantragt hatte, den Zaun in Teilen so zu demontieren, „dass der Zugang wie vorher möglich ist“. Seinen Antrag hat er überschrieben mit „Der Zaun muss weg!“. Linken-Politiker Peter Gutzeit schlägt alternativ vor, „den dort lebenden Obdachlosen eine Wohnung aufgrund der besonderen Notlage zuzuweisen.“

Eine Entscheidung über den Zaun wird frühestens am 6. Juni getroffen, denn der Kerngebietsausschuss hat seine Entscheidung bis dahin vertagt. „Wenn wir politisch gefragt worden wären, hätten wir hier keine Mehrheit für diesen Zaun gefunden“, begründete das die SPD-Politikerin Anne Schum. Aber jetzt sei er nun mal da – und über die Konsequenzen eines Rückbaus müsse sich ihre Fraktion erst einmal klar werden.

Text: Benjamin Laufer
Fotos: Carsten Vitt / Elbe Wochenblatt

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