Man versprach ihr einen Job – doch am Ende sollte Annemarie G. für ein Zeitungsabo bezahlen
(aus Hinz&Kunzt 155/Januar 2006)
Tausende von Bundesbürgern, darunter viele Hamburger, sind in den vergangenen Monaten Opfer eines neuen Tricks der Zeitschriftenwerber geworden. Per Jobangebot lockten sie viele Menschen in die Abofalle. Nicolas Peerenboom recherchierte für den NDR und Hinz&Kunzt.
Seit Jahren sucht sie Arbeit. Jeden Cent, den sie zusätzlich zum Arbeitslosengeld II verdient, kann sie gut gebrauchen. Da ist es kein Wunder, dass Annemarie G. bei dieser Anzeige neugierig wurde: „Ihr Inserat zum Erfolg! 300 bis 600 Euro als Testperson“. Inseriert hatte die „Agentur für Testpersonen“. Also rief die 44-Jährige dort an und erfuhr, es ginge um einen Job als Produkttesterin für die Industrie. Sie müsse nur zum Vorstellungsgespräch in die Agentur kommen. Annemarie G. machte daraufhin einen Termin: „Ich bin dann da hingegangen, und was mir der Herr N. erzählte, hörte sich für mich total glaubwürdig an.“ Im Gespräch erzählte Handelsvertreter N. ihr ausführlich, wie das mit den Produkttests funktioniere, wie viel Geld sie verdienen könne, dass sie die Produkte, die sie testet, behalten und gleich mehrere Produkte auf einmal testen könne. Außerdem müsse sie das Geld nicht beim Arbeitsagentur oder Sozialamt angeben, weil es sich um eine Aufwandsentschädigung handele. All das klang für die Hamburgerin überzeugend: „Es hörte sich überhaupt nicht überzogen an, 300 bis 600 Euro Nebenverdienst, das ist doch realistisch.“
Deshalb kamen ihr auch keine Zweifel, als der freundliche Herr N. auf die 99 Euro „Inseratsgebühr“ zu sprechen kam. Die müsse jeder zahlen, der als Testperson in die Datenbank der Agentur aufgenommen werden wolle. Ein kleiner Schock für Annemarie G., denn für sie sind 99 Euro viel Geld. Deshalb war sie regelrecht erleichtert, als Herr N. darauf hinwies, dass ein Verlag diesen Betrag übernehmen würde. Einzige Bedingung: Annemarie G. müsse eine Zeitschrift, die sie ohnehin am Kiosk oder im Supermarkt kaufe, beim Verlag direkt bestellen.
Also unterschrieb Annemarie G. ein 24-monatiges Zeitschriftenabonnement für die Zeitschrift „Das Goldene Blatt“. „Das war die billigste Zeitschrift, und ich hab gedacht, wenn die Jobs kommen, dann ist das ganz schnell wieder drin.“
Das war vor gut drei Monaten. Seitdem wartet Annemarie G. auf einen Job und ist wütend. „Inzwischen ist die Rechnung für das Abo da, aber einen Job habe ich bis heute nicht gesehen. Ich finde das eine Sauerei, wie hier den Leuten, die jeden Cent zwei Mal umdrehen müssen, das Geld aus der Tasche gezogen wird.“
Annemarie G. wurde Opfer eines besonders fiesen Tricks der Abo-Mafia. Wie Tausende andere auch. Denn die verkappten Zeitschriftenwerber waren bis vor kurzem bundesweit aktiv: München, Hannover, Berlin, Brandenburg und eben Hamburg. Überall die gleiche Masche: Menschen auf Jobsuche ins Büro locken, wortreich einseifen und in die Abofalle locken. Warum fallen so viele Leute auf diese Masche herein?
[F]Oktober 2005. Selbstversuch. [/F]Ich gebe mich als Job-Sucher aus und begebe mich in die Höhle der Drückerlöwen. In der 11. Etage des Mundsburg-Hochhauses residiert die „Agentur für Testpersonen“. Hier bewerbe ich mich als „Produkttester“. Ein freundlicher Mit-Fünfziger, blau-weiß gestreiftes Hemd, grau-meliertes Haar, Oberlippenschnurrbart, empfängt mich und bittet mich, Platz zu nehmen, ganz der Geschäftsmann. Ich sitze Herrn N. gegenüber. Dem Handelsvertreter, der schon Annemarie G. und viele andere reingelegt hat. Der Mann redet 25 Minuten über Produkttests. Detailliert beschreibt er, wie der Arbeitsmarkt für einen Produkttester funk-tioniert, erläutert die Verdienstmöglichkeiten, was eine Testperson alles zu beachten habe, welche Produkte wie lange getestet würden und so weiter und so weiter. Am Ende habe ich den Eindruck: Herr N. hat in seinem Leben nichts anderes gemacht, als selber Produkte getestet. „Wie sicher ist es denn, dass ich die Tester-Jobs bekomme?“, frage ich ihn zum Schluss. N. antwortet im Brustton der Überzeugung: „Ganz sicher! Wir leben davon, dass unsere Testpersonen testen.“
Was Herr N. da so wortreich erzählt, kann man sich nicht ausdenken, das muss einfach wahr sein. Genau das ist der Trick, auf den so viele reinfallen. Ob Arbeitslose wie Annemarie G., Rentner, alleinerziehende Mütter oder jobsuchende Studenten. Dieser üblen Masche mit dem Strafrecht beizukommen, ist nahezu unmöglich. Denn eine schriftliche Jobgarantie gibt es nicht. Von Jobangeboten ist in den Verträgen nirgendwo die Rede. Im Gegenteil: Wer das Kleingedruckte genau liest, erfährt, dass die 99 Euro lediglich dafür bestimmt sind, den künftigen „Produkttester“ in die Datenbank von „Alles-Tester“ aufzunehmen. Mehr nicht. Und auch der Abo-Vertrag ist für sich genommen nicht angreifbar.
[F]Wer sind die Drahtzieher [/F]hinter diesem besonders üblen Trick? Bei der „Agentur für Testpersonen“ handelt es sich nicht um eine Firma, sondern um einen Phantasienamen. Tatsächlich wurde das Büro in Hamburg vom Saphir-Verlag in Berlin angemietet. Geschäftsführer und Hauptgesellschafter des Saphir-Verlags ist Andreas P. Ich fordere ihn auf, mir Belege für echte Jobangebote zu liefern. Er soll mir außerdem erfolgreiche Jobvermittlungen nachweisen und die Industriefirmen benennen, die mit dem Saphir-Verlag zusammenarbeiten. Eine Antwort bleibt er schuldig. Im Berliner Handelsregister werde ich schlauer: Als Geschäftszweck nennt der Saphir-Verlag den „Handel mit Verlagsobjekten (Zeitungen und Zeitschriften)“. Es geht also um Zeitschriften Abonnements, nicht um Jobvermittlung.
Die ersten Berichte im NDR werden ausgestrahlt. Die Drahtzieher haben offensichtlich kalte Füße bekommen. Seit Dezember hängt an der Bürotür ein Zettel: „Bis auf weiteres geschlossen“. Auch telefonisch sind die Drücker nicht mehr erreichbar. Nur ein Anrufbeantworter springt an und verweist auf eine E-Mail-Adresse.
[F]Wie raus aus dem Abo-Vertrag? [/F]Für Annemarie G. und alle anderen Opfer ist es gar nicht so leicht, aus den Abo Verträgen herauszukommen. Denn die Verträge sind – juristisch gesehen – wasserdicht. Sie wurden überwiegend in den Büroräumen der „Agentur für Testpersonen“ (Saphir-Verlag) abgeschlossen und nicht zu Hause in den eigenen vier Wänden. Damit gilt das Haustürwiderrufsrecht nicht, das eine 14-tägige Widerrufsmöglichkeit vorsieht. Verbraucherschützer empfehlen, dennoch die Abo-Verträge zu kündigen. In der Regel würden die Abo-Opfer aus den Verträgen entlassen. Sie müssten nur die Umstände erläutern, unter denen der Abo-Vertrag abgeschlossen wurde. Das bestätigt auch der Berufsverband der Zeitschriftenwerber, die Arbeitsgemeinschaft Abonnentenwerbung (AGA) mit Sitz in Kerpen. Die AGA hält die Vertriebsmethoden von Alles Tester für höchst zweifelhaft. Mit ehrlicher Zeitschriftenwerbung habe das nichts zu tun, so ein Sprecher der AGA. Auch Annemarie G. wurde schließlich doch noch aus dem Abo entlassen. Dank ihrer Hartnäckigkeit und ihrer Weigerung, das Abonnement zu bezahlen.
Nicolas Peerenboom
Schwarze Liste der Bauernfänger
Immer häufiger nutzen Gauner die Notlage der Menschen aus, um persönlich Kasse zu machen. Wer solchen Bauernfängern nicht auf den Leim gehen will, muss nur eine Regel beherzigen: Nie in Vorleistung treten! Nichts zahlen und nichts unterschreiben. Es sei denn, es ist ein Arbeitsvertrag. Die Verbraucher-Zentrale Hamburg pflegt auf ihrer Internetseite www.vzhh.de eine Liste mit unseriösen Jobangeboten. Kaum verwunderlich: In der Liste der „schwarzen Schafe“ steht auch die „Agentur für Testpersonen“.