Enteignungen wären weder rechtens noch sinnvoll, meint der Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) Nord. Und ohne Gewinne gehe gar nichts.
Hinz&Kunzt: Was sind aus Ihrer Sicht die Probleme auf dem Hamburger Wohnungsmarkt?
Sönke Struck: Wir haben zu wenig Wohnungen und einen sehr hohen Bedarf, weil es viele Menschen in die Metropolen zieht. Aus dieser Situation ist 2011 das Bündnis für das Wohnen entstanden. Dort wurden Wege entwickelt, um den Wohnungsbau zu forcieren. Das hat lange gut funktioniert, auch wenn es immer schwieriger wurde. Vor allem weil es kaum noch geeignete Flächen gibt.
Mitten in der Stadt liegt das Holsten-Areal brach.
Struck: Da ist viel falsch gemacht worden, keine Frage. Aber wir haben ganz andere Probleme, etwa zu viel Bürokratie.
Welche drei überflüssigen Regeln beim Wohnungsbau würden Sie als Erstes abschaffen?
Kay Brahmst: (Lacht.) Das sind so viele …
Struck: Die Anforderungen an den Neubau in Deutschland sind weltweit die höchsten. Das bedingt sehr hohe Kosten. Wir haben der Politik schon vor Jahren belegt, dass wir bei den energetischen Standards eine Grenze erreicht haben. Was jetzt on top kommt, ist extrem teuer, bringt aber fast nichts an Energieeinsparung.
Sie möchten die energetischen Standards absenken.
Struck: Ja, weil sie zuletzt deutlich übertrieben wurden. Aber nur so weit, dass sie passgenau sind und damit kostenreduzierend.
Was fordern Sie außerdem?
Brahmst: Wir müssen die Bauordnung entschlacken.
Struck: Jedes Bundesland hat eigene Regeln, die sich teils deutlich unterscheiden. Wenn ich in Schleswig-Holstein ein Haus erfolgreich gebaut habe, heißt das nicht, dass das in Hamburg einfach läuft. Alles muss neu beantragt werden – und das kostet. Deshalb brauchen wir eine bundeseinheitliche Bauordnung.
Brahmst: Und die Genehmigungsverfahren in den Behörden müssen vereinfacht werden.
Die Initiative „Hamburg enteignet“ will alle gewinnorientierten Unternehmen in der Stadt vergesellschaften, die mehr als 500 Wohnungen besitzen. Haben Sie Angst, sich bald einen
neuen Job suchen zu müssen?
Struck: Nein. Wir halten das für nicht verfassungskonform. Und wenn Sie sich den Beschlusstext durchlesen, entdecken Sie Widersprüche. Glauben Sie, dass die Saga oder die Wohnungsbaugenossenschaften nicht gewinnorientiert sind? Die müssen genauso wie wir Gewinne machen, und das ist auch nichts Verwerfliches. Andernfalls würden wir unsere Mitarbeiter nicht mehr bezahlen können. Und was genauso schlimm ist: Wir würden kein Geld haben für die Instandhaltung unserer Wohnungen und auch keins für den Neubau.
Brahmst: Wir brauchen jetzt viel Innovation, um nachhaltig zu bauen. Das ist teuer, weil man Dinge versuchen muss, die am Ende auch mal nicht klappen. Einige unserer Mitglieder haben trotzdem eigene Gesellschaften gegründet, um nachhaltiges Bauen zu fördern und Neues auszuprobieren.
Bei manchen Ihrer Mitgliedsunternehmen fehlt offenbar der Realisierungswille bei Projekten. Die Bayerische Hausbau etwa baut seit fünf Jahren nicht im Paloma-Viertel auf St. Pauli.
Struck: Schwieriger Fall. Ich kann nicht für einzelne Unternehmen sprechen. Ich kann auch nicht sagen, warum dort alles so lange gedauert hat, auch auf Genehmigungsseite. Klar ist: Es hat zu lange gedauert, und nun haben wir hohe Zinsen und steigende Materialkosten.
Bei der Konkurrenz, dem Verband Norddeutscher Wohnungsunternehmen, lag 2022 die Hamburger Durchschnittsmiete bei 7,22 Euro den Quadratmeter kalt. Wie hoch ist sie bei Ihren Mitgliedern?
Struck: Das kann ich nicht sagen. Das ist auch Augenwischerei: Wenn ich ein Unternehmen habe, das seit 20 Jahren nicht gebaut hat, ist die Durchschnittsmiete bei dem logischerweise niedriger als bei einem, das viel baut. Unsere Unternehmen haben in Hamburg im Bestand ältere Wohnungen, die bei gut 7 Euro kalt liegen, und neuere mit 14 oder 15 Euro.
Brahmst: Wir brauchen preisgedämpfte Wohnungen, das ist klar. Aber was oft vergessen wird: Der Markt insgesamt muss funktionieren. Wir brauchen auch frei finanzierte und Eigentumswohnungen. Viele, die in eine Eigentumswohnung ziehen, machen dafür eine Mietwohnung frei, in die jemand anderes einziehen kann.
Wenn die lange bewohnte günstige Mietwohnung frei wird: Bleibt es dann bei 7 Euro kalt, oder heben Sie die Miete aufs Niveau des Mietenspiegels an?
Struck: Üblicherweise wird die Wohnung modernisiert, und dann kann ich nicht mit Mieten von vor 20 Jahren die Instandhaltung von heute bezahlen. Wir halten dabei aber die Regelungen der Mietpreisbremse ein.
Was kostet die günstigste Wohnung, die ich derzeit bei Ihnen mieten kann?
Struck: Ich könnte in Norderstedt etwas anbieten: zweiter Förderweg, 8 Euro kalt. In Hamburg ist nichts frei.
Obwohl Hamburg den sozialen Wohnungsbau stark fördert: Mit Wohnungen auf dem freien Markt lässt sich mehr Geld verdienen, richtig?
Struck: Wegen hoher Zinsen und explodierender Baukosten momentan nicht. Unabhängig davon: Wir sind nach der Saga diejenigen, die die meisten Sozialwohnungen bauen. Grundsätzlich werden in einem regulierten Mietwohnungsmarkt auch Überschüsse benötigt, um Modernisierungen und den Neubau durchzuführen.
Viele Menschen fragen sich, wie sie die Miete morgen noch zahlen können. Was sagen Sie denen?
Struck: Es gibt keine Gefahr. Die Mieten von Bestandswohnungen steigen – wenn überhaupt – nur moderat.
Ihr Argument gilt aber nur für Menschen, die nicht umziehen müssen.
Struck: Das ist leider so. Wer eine Wohnung sucht, muss mehr zahlen. Zu berücksichtigen ist: Eine neu gebaute Wohnung hat einen wesentlich höheren Standard als eine, die vor 25 Jahren gebaut wurde – und ist deshalb entsprechend teurer.
BFW Nord