Hinz&Künztler stellen Outdoor-Equipment auf die Probe
(aus Hinz&Kunzt 137/Juli 2004)
Outdoor-Equipment geprüft von Outdoor-Spezialisten. Drei Hinz & Kunzt-Verkäufer unterziehen Hightech-Camping-Ausrüstungen dem Belastungstest: Bestehen die Markenartikel den Alltag auf der Straße?
„Den kann ich mir höchstens um den Hintern binden!“ Vernichtendes Urteil von Tester Fred über seinen Schlafsack. Für den hochgewachsenen Hinz & Kunzt-Verkäufer ist der einfach zu kurz, nur 1,60 Meter: „Der kommt mir vor wie ein Kinderschlafsack.“ Immerhin als Kopfkissen hat er gute Dienste geleistet.
Das ist ein Ergebnis des Hinz & Kunzt-Tests, der von Camping-Ausrüster Globetrotter gesponsort wurde. Die drei Hinz & Künztler Fred (40), Fritz (47) und Andi (28) bekamen je eine Outdoor-Jacke, -Hose, Schlafsack, Isomatte und 48 Stunden Zeit, das Hightech-Equipment dem Obdachlosen-Praxistest zu unterziehen. Andi und Fritz, die schon seit Jahren außerhalb der Innenstadt „im Grünen“ Platte machen, testeten auch noch ein Kuppel-Zelt.
Die Markenartikel machen was her: „Als wir mit unseren neuen Jacken an die Elbe gegangen sind, haben uns die Spaziergänger gegrüßt“, erzählt Andi. Kleider machen eben doch Leute. „Ihr wurdet nicht mehr als Obdachlose wahrgenommen, sondern als Rucksacktouristen“, kommentiert Fred, „aber beim Hinz & Kunzt-Verkauf krieg ich wahrscheinlich Probleme, dann heißt es sicher: Wieso kann sich ein Obdachloser so eine Jacke leisten?“ Ein Anblick, an den sich Freds Kunden gewöhnen müssen, denn die Tester dürfen ihre Ausrüstung behalten. Nur ein bisschen zu hell waren die Klamotten: „Als Obdachloser nimmst du eher dunklere Farben, die werden nicht so leicht schmutzig“, erklärt Fred. „Obwohl – ich hab mir auf meine Hose schon Kaffee geschüttet, sieht man aber kaum“, so Andi.
Ein echtes Komfortplus für Fred und Andi, die sich sonst manchmal einen Unterstand mit einer Plane bauen, war das „Yukon“-Zelt. „Die gefühlte Temperatur war im Zelt sicher zehn Grad wärmer als draußen. Da konnte man noch gemütlich im T-Shirt zusammenhocken, sonst hätten wir Pullover oder sogar Jacken gebraucht“, erzählt Andi. Nur ein versteckter Platz muss für das Zelt gesucht werden: Wild campen ist in Hamburg nämlich nicht erlaubt. Dass es im Zelt so warm war, kam Fritz sehr gelegen: „Mein Schlafsack ist so dünn, den konntest du zum Platte machen echt in die Tonne treten.“ Zwar lässt sich der „Kolibri 100“ winzig klein zusammenfalten – nur warm hält er nicht. Mindestens bis minus acht Grad Außentemperatur sollte ein Schlafsack schaffen, da sind sich die Hinz & Künztler einig. Außerdem sollte er gut komprimierbar sein. Als wichtigstes Überlebensmittel der Obdachlosen muss ein Schlafsack eben härtesten Anforderungen genügen. „Eigentlich brauchen wir mehrere Schlafsäcke, je nach Jahreszeit. Dafür reicht aber meist der Stauraum nicht.“ Fred stimmt zu: „Mindestens einen zum Austauschen sollte man haben, schließlich muss man den Schlafsack ja auch mal waschen.“ Andi: „Wenn es im Winter richtig kalt ist, kann man die auch übereinander ziehen.“
Einziger wirklich tauglicher Schlafsack im Test: der „Paragon“ von Jack Wolfskin. Komfortabel, über zwei Meter lang, hält bis minus zehn Grad warm und ist ab sofort ständiger Begleiter von Andi: „Der ist zwar ein bisschen sperriger als mein alter, aber so bequem, dass ich das gern in Kauf nehme.“
Wichtig für den Einsatz auf der Straße war, dass die Sache schnell verpackt werden können. „Immerhin müssen wir jeden Morgen unser ganzes Zeug zusammenschnüren“, so Fred, „da muss es für uns schon schnell gehen.“ „Oder wenn die Polizei kommt“, sagt Andi und grinst, „das sind natürlich Kriterien, die für normale Camper nicht gelten.“ Das ist auch das Problem der selbstaufblasenden Isomatten, die Andi und Fred testen durften. Sie zusammenzufalten braucht zuviel Zeit. Aber auch Fritz war mit seinem Standard-Schaumstoff-Modell nicht zufrieden: „Die kannst du zum Draußen pennen vergessen, die saugt Wasser wie ein Schwamm.“
Benedikt Bähr, Zelt-Bereichsleiter bei Globetrotter, der Hinz & Kunzt die Camping-Ausrüstung zur Verfügung gestellt hat, erklärt, woran das liegt: „Wichtig ist, dass man keine offenporigen Schaummatten nimmt. Geschlossenporige Schaummatten kosten zwar etwas mehr, ziehen aber keine Feuchtigkeit und sind ultrarobust.“ Das ideale Equipment, das für jede Gelegenheit passt, gibt es laut Bähr nicht: „Wenn es eine Rucksacktour wird, sollten die Sachen leicht und klein verpackbar sein. Die Sachen sind dann auch teurer.“ Wer mit dem Auto unterwegs ist, dem reichen billigere Sachen, die nur auf Bequemlichkeit ausgelegt sind. Außerdem muss die Ausrüstung den Temperaturen am Zielort entsprechen.
Auch Fred, Fritz und Andi geben den Campern ein paar Tipps auf den Weg: „Zunächst muss das Zelt möglichst leicht sein, immerhin muss man das ganze Gerödel ja mit sich rumtragen“, erklärt Fred. Für spezielles Campinggeschirr würden die Hinz & Künztler kein Geld ausgeben: „Einfach normales Besteck nehmen, Gummiband rum, ist genauso praktisch“, findet Andi. „Dafür ist ein ordentlicher Rucksack wichtig“, so Fred. Ansonsten sollte sich der Camper nicht von Markenartikeln blenden lassen: „Eine Outdoor-Jacke von Tchibo reicht auch, der große Name ist echt nicht alles“, sagt Fred. Wichtig, simpel, aber dennoch oft vergessen: „Taschenlampe und Toilettenpapier – die müssen immer mit“, sagt Andi.