Weltenbummler Hardy Krüger hat einen Roman geschrieben, ein Bühnenstück verfasst und feiert am Ernst-Deutsch-Theater die Uraufführung. Petra Neumann traf den Filmstar in Hamburg
(aus Hinz&Kunzt 152/Oktober 2005)
„Jetzt steigt das alte Zirkuspferd also noch mal in die Manege“, pflegt mein Schwiegervater zu sagen, wenn er in die Jahre gekommene Stars im Fernsehen sieht. Zur Information: Mein Schwiegervater arbeitet im Tiefbau, ist 67 Jahre alt und sozusagen selbst ein Zirkuspferd, das einfach nicht aufhören kann oder will. Und das mit den Zirkuspferden meint er durchaus respektvoll: halb bewundernd („in dem Alter noch sooo fit…“) und halb neugierig („oh oh, ob das mal gut geht…“). Nun steigt also Hardy Krüger auf die Bühnenbretter des Ernst-Deutsch-Theaters, mit 77 Jahren. „Zarte Blume Hoffnung“ heißt das Stück über eine Liebe im Ost-West-Konflikt, eine Uraufführung.
Hardy Krüger hat nicht nur den gleichnamigen und soeben erschienenen Roman selbst verfasst. Er hat sich und seiner Theaterpartnerin, der Schauspielerin Judy Winter (59, bekannt unter anderem aus diversen „Tatort“-Folgen) auch die Bühnenfassung als Zweipersonenstück auf den Leib geschrieben.
Die Erwartungen sind also hoch, wenn Hardy Krüger jetzt in die Manege steigt. Aber Hardy Krüger ist eben noch immer Hardy Krüger, unser erster Weltstar. Und nun Vorsicht! Es folgt eine Aufzählung unzähliger Erfolge, die selbst in der Kurzfassung atemlos macht. (Eingefleischte Hardy-Fans können den Absatz überspringen und beim nächsten weiterlesen.) Es geht los in den Vierzigern mit dem NS-Propagandafilm „Die Adler“, in dem der damals 15-Jährige seine Karriere beginnt. Nach dem Krieg ist Krüger der erste deutsche Schauspieler, der in Paris, London und Hollywood arbeitet. Er dreht mit John Wayne und James Stewart, feiert internationale Erfolge unter anderem mit „Die Wildgänse“. Sein „wichtigster Film“, wie er selbst sagt, ist der französische Streifen „Sonntage mit Sybill“, in dem er die Hauptrolle spielt und der 1962 mit einem „Oscar“ ausgezeichnet wird. 2001 wird Krüger zum Offizier der französischen Ehrenlegion ernannt, in Deutschland werden ihm die Goldene Kamera und der Bundesfilmpreis verliehen. Er schreibt Bücher (unter anderen: „Wanderjahre“, „Szenen eines Clowns“) und bereist für seine „Weltenbummler“-Reportagen sämtliche Kontinente. Seine Kinder Christiane Krüger und Hardy Krüger junior sind selbst bekannte Schauspieler. Er ist in dritter Ehe mit der Fotografin Anita Park verheiratet und pendelt zwischen seinem Blockhaus in den kalifornischen Bergen, seiner Wohnung in Hamburg und der in Berlin. Ende der Liste, vorläufig jedenfalls. Wer weiß, was noch kommt.
Vor allem aber ist Hardy Krüger der ewige Sunnyboy mit blondem Haar und blauen Augen – wie er bei der Pressekonferenz im Ernst-Deutsch-Theater beweist. Die ganze Riege Hamburger Pressefotografen wartet vor dem Theater. Und niemand bemerkt, wie ein Mann in Jeans und Wildlederschuhen leise um die Ecke kommt und wie ein Lausbub schelmisch lächelnd ins Foyer schlüpft. Nur zwei ältere Damen, die auf der Straße aufgeregt wie Teenie-Fans auf ihre Boy-Group warten, rufen mit geröteten Wangen: „Da ist er!“ In der Tat, da ist er und wirkt – meinen Schwiegervater wird es freuen – überhaupt nicht müde: Nicht mal die Haare scheinen ergraut, sie sind nur einfach nicht mehr so goldblond wie in früheren Filmen.
Agil und das Jeanshemd für einen 77-Jährigen vielleicht etwas zu weit aufgeknöpft beantwortet Krüger die Fragen der Journalisten. Warum er dieses Stück über zwei Liebende in Berlin, die von der Mauer getrennt werden, geschrieben hat: „Um meiner Geburtsstadt Berlin ein Denkmal zu setzen“, so Krüger. „Ich wollte 1961 mit dem Film ,Zwei unter Millionen‘ schon einmal eine Liebeserklärung an Berlin machen, doch der Bau der Mauer kam dazwischen.“
Warum er nun nach mehr als 40 Jahren das Thema aufnehme: „Ich weiß es wirklich nicht, denn eigentlich wollte ich ein Tierbuch schreiben. Aber dann ging ich durch den Wald in Kalifornien, und da war plötzlich dieser Einfall. Wenn man Bücher schreibt, dann sind die Ideen auf einmal da.“ Außerdem habe er schon lange mit Judy Winter etwas zusammen machen wollen, aber keinen geeigneten Stoff finden können. Nächste Frage: Hat Hardy Krüger die Geschichte der jungen, schönen Ost-Frau, die über Jahrzehnte ihrem in der Welt herumreisenden West-Geliebten treu bleibt, selbst erlebt? Zunächst versteht der Womanizer Krüger die Frage nicht – oder tut er nur so? „Wissen Sie, meine Ohren haben leichte Abnutzungserscheinungen, was haben Sie gesagt?“ – „Ach so, nein, es ist gar nichts Autobiografisches daran.“
Und dann stelle ich – offenkundig tief beeindruckt vom jugendlichem Eifer eines fast 80-Jährigen – die wohl dämlichste Frage: „Wie schaffen Sie es nur, in Ihrem Alter so viel Tatendrang zu entwickeln?“ und denke im selben Augenblick: Oh Mann, was soll er denn darauf antworten? Etwa dass er jeden Tag ein Glas Wein trinkt, um sich fit zu halten? Wohl kaum. Wenn er nicht gerade Gott heißt, wird er kaum wissen, warum er fit wie ein Turnschuh ist, während viele seiner Alterskollegen im Altersheim unter Demenz leiden. Aber zum Glück ist Hardy Krüger ein Profi und beantwortet auch doofe Fragen: „Ich weiß es nicht, die Energie ist einfach da. Ich weiß nur, dass mich Kinder faszinieren, vielleicht bin ich selbst irgendwie noch ein Kind.“
Gibt es ein Wunschprojekt, einen Ort, den Hardy Krüger noch erkunden will? „Ich möchte einmal den Mond bereisen, das wäre mein letztes Traumziel.“ Der Mond? Also, das trauen weder ich noch mein Schwiegervater diesem Krüger zu – aber ansonsten fast alles. 77 Jahre hin oder her.
Petra Neumann
Das Buch
„Zarte Blume Hoffnung“ von Hardy Krüger ist im Gustav Lübbe Verlag erschienen (14,90 Euro)