10.000 Baugenehmigungen :
Das Wohnungsbauprogramm reicht nicht aus

Der Streit im Senat über das neue „Bündnis für das Wohnen“ ist beigelegt. Über das größte Problem daran haben die Senatoren aber gar nicht gestritten: 10.000 Baugenehmigungen pro Jahr gibt es bereits. Die Mieten steigen trotzdem weiter.

Baustelle_2
zum Jahreswechsel 2014/2015 lagen in Hamburg 18.412 Baugenehmigungen vor, mit dem Bau wurde allerdings noch nicht begonnen.

Wohnungsbau polarisiert: Der erste große Streit in der rot-grünen Koalition drehte sich in den vergangenen Tagen um das neu aufgelegte „Bündnis für das Wohnen“ zwischen Senat und Wohnungswirtschaft. Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) war Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) in die Parade gefahren, die verfrüht eine Einigung verkündet hatte. Kerstans öffentliche Kritik: Für zur Bebauung freigegebene Grünflächen sei kein Ausgleich vorgesehen. Inzwischen haben die Staatsräte nachverhandelt, der Umweltsenator ist zufrieden: 10.000 neue Wohnungen im Jahr seien nun möglich, „Hamburgs Charakter als grüne Stadt“ dennoch gesichert.

An den steigenden Mieten wird das neue Wohnungsbauprogramm trotzdem wenig ändern, denn der Anteil der bezahlbaren Wohnungen wird weiter sinken. Was ist genau geplant? Ein Drittel der nun angestrebten 10.000 neuen Baugenehmigungen im Jahr sollen zwar für Sozialwohnungen sein, unter dem Strich also 3333. Bislang galt als die Zielmarke 2000 günstige Wohnungen bei 6000 neuen Wohnungen insgesamt. Das ist der sogenannte Drittelmix.

Immer weniger Sozialwohnungen

In der Realität funktioniert der Drittelmix aber nicht. Seit 2012 erteilten die Hamburger Bezirke insgesamt 39.576 Baugenehmigungen. In den vergangenen vier Jahren wurde die nun neu verkündete 10.000er-Marke im Schnitt also bereits erreicht. Gemäß Drittelmix hätten 13.000 Wohnungen von den insgesamt knapp 40.000 Sozialwohnungen sein müssen. Gebaut wurden in diesem Zeitraum aber nur 6037 Sozialwohnungen.

Viel zu wenige: Allein in diesem Jahr werden wieder 4761 Sozialwohnungen aus der Preisbindung fallen. Nach 15 bzw. 30 Jahren können die Wohnungen nämlich teurer vermietet werden. Wenn Altmieter ausziehen, kann es zu großen Preissprüngen kommen.

Eigentlich sollte die neu eingeführte Mietpreisbremse solche Preissprünge stoppen. Bei Neuvermietungen darf der Preis nur noch um zehn Prozent den Mietenspiegel übersteigen. Da die Durchschnittsmiete laut Mietenspiegel noch bei nur 8,02 Euro pro Quadratmeter liegt, dürfte es Mietpreise von mehr als 10 Euro pro Quadratmeter eigentlich nicht mehr geben.

Günstige Wohnungen nur noch am Stadtrand

Eine aktuelle Untersuchung des Wohnungsmarktes von Schülern des Gymnasiums Ohmoor zeigt allerdings: Gerade einmal 28 Prozent der Wohnungen werden in Hamburg für weniger als 10 Euro kalt pro Quadratmeter angeboten. Fündig wird man nur noch am Stadtrand – in Stadtteilen wie Billstedt, Heimfeld, Kirchwerder oder auch Neugraben-Fischbek. Im Internet oder in Zeitungsannoncen liegt die durchschnittliche Neuvertragsmiete für eine Wohnung aktuell bei 12,45 Euro pro Quadratmeter, so das Ergebnis der Schülerstudie. Seit 32 Jahren führt Geografielehrer Carl-Jürgen Bautsch mit seinen Schüler die anerkannte Untersuchungen in Kooperation mit dem Mieterverein zu Hamburg durch.

Trotz Mietpreisbremse stiegen die Mieten im Vergleich zu 2015 um 5,6 Prozent – bei einem gleichzeitigen Anstieg der allgemeinen Lebenshaltungskosten um lediglich 0,3 Prozent. Ganz offensichtlich halten sich viele Vermieter nicht an die Bremse, da ihnen keine Sanktionen drohen. „Trotz der Mietpreisbremse stiegen die Mieten innerhalb eines Jahres in Hamburg 19 Mal schneller als die allgemeinen Lebenshaltungskosten“, sagt Siegmund Chychla, Vorsitzender des Mietervereins zu Hamburg. „Damit ist der Beweis erbracht, dass der Bundesgesetzgeber an der Mietpreisbremse dringend nachbessern muss, um die beabsichtigte Verlangsamung des Mietenanstiegs in angespannten Wohnungsmärkten zu erreichen.“

Text: Jonas Füllner/Benjamin Laufer
Foto: Petra Dirscherl/pixelio.de