Das vorläufige Ende einer Abschiebung

Ihre Mitschüler und viele Freunde haben für sie gekämpft. Es hat sich gelohnt. Liana (15) und Grischo (11) durften nach Hamburg zurückkehren

(aus Hinz&Kunzt 190/Dezember 2008)

Die Odyssee von Liana (15) und Grischo (11) ist vorläufig zu Ende:

Die beiden Geschwister waren im März nach Armenien abgeschoben worden, zusammen mit ihrem Vater, aber ohne ihre Mutter und die kleine Schwester Sona (H&K berichtete). Im September durften sie nach Hamburg zurückkehren. Freunde, Mitschüler und Lehrer hatten sich für die Familie eingesetzt. Die Ausländerbehörde hat ihnen eine „Erlaubnis zum vorläufigen Betreten“ Hamburgs erteilt.

„Es war wie im Traum“, sagt Liana.

Nadia Linde, eine enge Freundin der Familie, hatte die Kinder zusammen mit der Mutter und Sona vom Flughafen abgeholt. „Wir dachten, wir fahren nach Hause“, sagt Liana. „Aber wir fuhren direkt zur Schule. Das war der Wahnsinn!“ Schüler und Lehrer kamen aus der Schule gerannt, einige weinten sogar vor Freude. „‚Liana kommt!‘, hat irgendjemand gerufen“, erinnert sich Lianas Klassenkamerad Hakan (14). „Und dann bin ich nur noch zu ihr hingerannt.“ Auch Sabine (14) und Kimberley (13) sind „einfach nur noch gelaufen, so schnell wir konnten, um sie in die Arme zu nehmen“.

„Es war echt merkwürdig, als Lianas Platz so lange leer war“, sagt der 13-jährige Nils. „Wir waren traurig und die Stimmung war schlecht. Jetzt sind wir alle wieder glücklich.“

Inzwischen ist fast schon wieder so etwas wie Alltag eingekehrt. Beide Kinder sind versetzt worden, obwohl sie seit März keine Schule mehr besucht haben. Aber Liana und Grischo wollen den Anschluss schaffen. „Vielleicht bin ich etwas ernster und auch ernsthafter geworden“, sagt Liana. „Die Lehrer sagen das manchmal.“

Kein Wunder: Der Schock wegen der plötzlichen Abschiebung sitzt tief. Der Fall hatte aus mehreren Gründen für Aufsehen gesorgt. Die Abschiebung erfolgte während der Koalitionsverhandlungen, in denen CDU und Grüne auch das Thema Abschiebung verhandelten. Und es war völlig unklar, warum man die Familie trennte und die integrierten Kinder ohne Not abschob, obwohl für Sona noch keine Papiere vorlagen. Die Kinder verkrafteten die Trennung von ihrer Mutter und ihren Freunden nur schwer.

Der Vater hatte in Eriwan keine Unterkunft, immer wieder musste er mit den Kindern bei unterschiedlichen Freunden unterkommen. Die Kinder konnten nicht in die Schule gehen, weil sie die Sprache nicht so gut beherrschten und Angst hatten, nach draußen zu gehen. Sie wollten in der Nähe des Vaters bleiben.

Nach ein paar Monaten wurden die E-Mails und Telefonate von Liana immer verzweifelter. Das Mädchen, das so fröhlich gewesen war, schrieb immer öfter: „Bitte helft uns!“, und dann: „Ich weiß nicht, wie lange ich das noch durchhalte.“

Über all das will Liana im Moment nicht mehr sprechen. Hauptsache sie ist wieder zu Hause. Darum, wie es rechtlich weitergeht mit ihr und ihrer Familie, wird sich die Beratungsstelle Fluchtpunkt mit einer Anwältin kümmern. Für Liana steht erst mal im Mittelpunkt, dass sie die Schule schafft. Dabei helfen ihr ihre Klassenkameraden. Zum Beispiel Ömercan: „Liana hat ziemlich viel Unterrichtsstoff verpasst, als sie nicht da war“, sagt der 13-Jährige. „Aber sie kommt trotzdem gut mit. Nur in Mathe muss ich ihr manchmal helfen.“

BIM / BEB

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