Die ARGE Reinbek hat bereits 200 Arbeitslose zur Senkung ihrer Mietkosten aufgefordert – doch gibt es preisgünstige Wohnungen für sie?
(aus Hinz&Kunzt 151/September 2005)
Vor den Toren Hamburgs ist die Schonfrist für Arbeitslosengeld (ALG)-II-Empfänger abgelaufen: Bereits 200 der 2000 Haushalte hat allein die Arbeitsgemeinschaft (ARGE) Reinbek aufgefordert, die Mietkosten zu senken. Kritikern zufolge mangelt es jedoch an billigem Wohnraum.
Brigitte Marks ist empört. „Die Menschen werden in die Obdachlosigkeit gedrängt“, klagt die 58-Jährige, die sich für die Belange von Arbeitslosen im Kreis Storman einsetzt. Seitdem das für die Betreuung von ALG-II-Empfängern zuständige Amt, die ARGE, Betroffene dazu auffordert, die Unterkunftskosten zu senken, seien diese„nicht mehr damit beschäftigt, Arbeit zu finden – die suchen nur noch billigen Wohnraum.“ Oft vergebens, so die Erfahrung der streitbaren Frau, die viele Wohnungsgenossenschaften und Privatvermieter in Reinbek und Umgebung angerufen hat: „Es gibt keine Wohnungen zu dem Preis, den die ARGE zu zahlen bereit ist. Und wenn doch, dann sind das Löcher oder Kellerverschläge.“
285 Euro darf die Wohnung eines alleinstehenden Hilfeempfängers im Kreis maximal kosten. Liegt die Miete höher, fordert das Amt, die Unterkunftskosten zu senken oder entsprechende Bemühungen nachzuweisen. Andernfalls wird die Unterstützung gekürzt. Rund 200 von 2000 Haushalte habe ihr Amt angeschrieben, so Sabine Alkan, Leiterin der ARGE Reinbek. Zum Teil seien die Briefe erst im Mai rausgegangen. Dennoch sind nach Schätzung der Behördenleiterin bereits die Hälfte der Betroffenen umgezogen. Es gebe also billige Wohnungen, jedoch: „Da gehört sicherlich Aufwand dazu, so eine zu finden.“
Marcel Morani (Name geändert, Red.) hat sich bemüht, berichtet Hartz-IV-Gegnerin Brigitte Marks. Der 39 Jahre alte gelernte Kfz-Mechaniker ist letztlich an zehn Euro gescheitert. Der ALG-II-Empfänger hatte eine Genossenschaftswohnung aufgetan, 295 Euro ohne Heizkosten für 40 Quadratmeter. Zu teuer, beschied das Amt. „Wir haben keinen Ermessensspielraum“, erklärt ARGE-Leiterin Alkan. Der Kreis habe klare Vorgaben gemacht. Auf Nachfrage räumt sie ein: „Wir wären schon froh, wenn es höhere Mietobergrenzen gäbe.“
„Das ist pervers!“, meint Kritikerin Brigitte Marks. Die Miete der Genossenschaftswohnung koste den Staat weniger als die Unterbringung in einer Obdachlosenunterkunft. So weit hat Marcel Morani es nicht kommen lassen. Zwar hatte er in Panik seine Wohnung zum 1. August gekündigt. Doch ist er nun erst mal in die Heimat seiner Eltern nach Italien zurückgekehrt. Dort sucht er die kommenden drei Monate Arbeit, berichtet Brigitte Marks. Vor dem Sozialgericht hat sie für ihn durchgefochten, dass das Amt wenigstens noch die Miete für Juni und Juli komplett übernimmt.
Leser helfen, Amt bleibt stur
Trotz eines aktuellen Urteils des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main (Az: 10 E 1324/03) will die Arbeitsgemeinschaft (ARGE) Wedel weiterhin nicht die kompletten Umzugskosten für die alleinerziehende Mutter Meike T. übernehmen. Wie Hinz&Kunzt in der August-Ausgabe berichtete, hatte das Amt die junge Frau aufgefordert, ihre Unterkunftskosten zu senken. Anlass dafür war eine Heizkostennachzahlung in Höhe von 136 Euro gewesen. Obwohl Meike T. nun gezwungenermaßen in eine preiswertere Wohnung zieht, will die ARGE nur die Miete für den Umzugswagen und eine Doppelmiete zahlen. Nicht aber die Renovierung, die zweite Doppelmiete und Umzugshelfer.
Angesichts des Frankfurter Urteils eine fragwürdige Entscheidung. „Umzugskosten gehören grundsätzlich zum notwendigen Lebensunterhalt und sind daher im notwendigen Umfange zu erstatten“, so die Richter. Eine allgemeine Lebenserfahrung, dass Freunde und Bekannte generell bereit seien, kostenlos bei einem Umzug zu helfen, bestehe nicht. Die ARGE beharrt dennoch auf ihrer Entscheidung. „Für uns ist der Regelfall, dass es Freunde oder Bekannte gibt, die helfen“, so Geschäftsführer Sven Hinrichsen.
Derweil zeigen sich Hinz&Kunzt-Leser hilfsbereit: Der Verein Holsteiner helfen Holsteinern will der jungen Frau mit Rat und Tat zur Seite stehen.
Ulrich Jonas
Die Hamburger Arbeitsgemeinschaft
hat nach eigenen Angaben seit Jahresbeginn rund 800 Haushalte aufgefordert, die Unterkunftskosten zu senken. Wie viele ALG-II-Empfänger daraufhin umgezogen sind, wisse das Amt nicht, so Sprecherin Petra Daudert. In der Regel werde den Betroffenen eine Frist von sechs Monate eingeräumt, um eine billigere Wohnung oder Untermieter zu finden.
Nach den Vorgaben der Behörde, die innerhalb Hamburgs rund 183.000 Menschen betreut, darf die Wohnung eines alleinstehenden ALG-II-Empfängers nicht mehr als 318 Euro (ohne Heizkosten) kosten und soll nicht größer als 45 Quadratmeter sein. Für einen Zwei-Personen-Haushalt liegen die Grenzen bei 409 Euro/55 Quadratmeter, bei drei Personen sind es 499 Euro/75 Quadratmeter, bei vier 576 Euro/85 Quadratmeter.