Am Nobistor wollte der Bezirk Altona osteuropäische Familien vertreiben, die dort in Autos und Zelten schliefen. Geräumt wurden am Ende die Obdachlosen, die dort schon seit Jahren lebten.
(aus Hinz&Kunzt 257/Juli 2014)
warum er sein Zelt abbauen muss. Nach dem Polizeieinsatz sitzt er verzweifelt auf seinen Gepäckstücken im Park und überlegt, wo er nun hin soll.
Trotzdem hat die Polizei ihn an einem Dienstagmorgen im Juni von seiner Platte vertrieben. Um 7.30 Uhr rückte sie mit einem Großaufgebot an und weckte die Obdachlosen, die dort lebten. Die Stadtreinigung fuhr mit zwei großen Containern vor, in denen Matratzen, Zelte und andere Einrichtungsgegenstände verschwanden. Das, was die Bewohner mitnehmen konnten und wollten, wurde verschont. Der Rest? „Das kommt alles in die Presse“, sagte ein Mitarbeiter des Bezirksamts Altona, das den Park räumen ließ.
Das Vorgehen des Bezirks stößt bei der Diakonie auf großes Unverständnis. „Bisher war es in Hamburg Konsens, Obdachlosenlager nicht einfach aufzulösen, sondern stattdessen Lösungen für die betroffenen Menschen zu suchen“, sagt Landespastor und Hinz&Kunzt-Herausgeber Dirk Ahrens. „Wir brauchen keine Räumungen, sondern kurzfristig weitere Unterbringungsmöglichkeiten für Obdachlose.“
Vertrieben wurden andere. Auch Christian musste sein Zelt abbauen, das er sich durch Flaschensammeln erarbeitet und in einem Gebüsch aufgebaut hatte. Der Rumäne mit den tieftraurigen Augen war vor vier Monaten auf der Suche nach Arbeit nach Hamburg gekommen. 300 Euro hat er für die Fahrt bezahlt, in Rumänien ist das viel Geld. Im Hamburger Hafen würde es Arbeit geben, hatte man ihm erzählt. Doch bis heute hat er keine gefunden, in Rumänien warten seine Frau und seine beiden Söhne auf den Lohn, den er schicken wollte. „Wer will mich denn?“, fragt der Fliesenleger verzweifelt. „Ich stinke und bin dreckig! Schau dir meine Hände an!“ Er zeigt seine Handinnenflächen, die fast schwarz vom Flaschensammeln sind. „Ich will Deutsch lernen und das Gesetz achten. Aber wie soll das gehen, wenn ich keinen Platz zum Schlafen habe?“
Wo er jetzt hin soll, weiß er nicht. Er sitzt auf seiner zusammengerollten Matratze, hat seine Habseligkeiten auf mehrere Handwagen verteilt und wartet ab. Niko ist mit seinen Freunden ein paar Meter weiter auf die Wiese gegangen und spielt dort Gitarre. Das sei nicht verboten, sagt der Leiter des sozialen Dienstleistungszentrums im Bezirk Altona, Christian Siegmann. „Aber wenn sie auf die Idee kommen, hier heute Abend wieder eine Matratze hinzulegen, geht das von vorne los.“ Der Kommentar von Pastor Ahrens dazu: „Räumungen lösen kein einziges Problem.“
Text: Benjamin Laufer
Fotos: Mauricio Bustamante