Im Hinz&Kunzt-Team wird heftig gerungen: Behalten wir den Genderstern in unseren Texten? Oder Schaffen wir ihn wieder ab? Annette Bruhns findet: Abschaffen! Und Sie?
„ProQuote Medien“ heißt ein Verein, der sich für mehr Frauenpower in den Medien einsetzt. Bei seiner Gründung 2012 waren 98 Prozent aller deutschen Chefredakteure Männer. Ich habe den Verein damals geleitet. Unserem Kampf für mehr weibliche Teilhabe habe ich viele Abende geopfert – neben dem Vollzeitjob beim Spiegel, neben dem Alleinerziehen eines Schulkinds. Das war mir die Sache wert.
Die Haltung hinter dem Genderstern teile ich also voll und ganz. Und dennoch lehne ich das zackige Zeichen in Artikeln ab. Weil es nicht meinem Verständnis von Journalismus entspricht: Wir sollen Informationen so vermitteln, dass alle sie mühelos verstehen. Das ist unser Auftrag. Wenn nicht alle Hörerinnen verstehen, wer „Schüler. Pause. Innen“ sind, sollten wir diesen Neusprech vermeiden. Wenn nicht alle Leser wissen, dass mit „Architekt*innen“ auch männliche Architekten gemeint sind, kommt diese Schreibweise für mich nicht infrage.
Was meinen Sie?
Sie glauben nicht, dass es noch derartig ahnungslose Menschen gibt? Testen Sie ältere Verwandte oder Nachbarinnen. Fragen Sie Leute, die nie eine Hochschule besucht haben, Leute, die auch bei einem Wort wie „Diskurs“ etwas hilflos aus der Wäsche gucken. Niemand sollte verunsichert werden durch die Nutzung eines Symbols, das ihr oder ihm unverständlich ist. Genauso, wie niemand außen vor gelassen werden sollte, indem wir in Artikeln für das Wort „Debatte“ den akademischen Begriff „Diskurs“ verwenden. Nur wenn wir uns alle verstehen, ist demokratische Meinungsbildung möglich.
Der Stern sei Teil des Sprachwandels, heißt es. Man könne ihn nicht aufhalten. Mag sein. Aber solange dieser Wandel nicht bei allen Menschen angekommen ist, sollten gerade Boulevardmedien ihn vermeiden. Hinz&Kunzt ist ein solches Medium: „Boulevard“ bedeutet schlicht „Straße“. Liebe Leserin, lieber Leser, damit das klar ist: Auch ich wünsche mir Wandel. Ich möchte mehr Expertinnen bei Hinz&Kunzt zu Worte kommen lassen, mehr Mütter, Lesben, Schwule, Transsexuelle, mehr Geflüchtete, mehr Gebrechliche, mehr Kinder. Menschen, die in den Mainstream-Medien und an den Schaltern der Macht unterrepräsentiert sind.
Meine Haltung: Nur wenn wir uns alle bestmöglich verstehen, können wir die bestehenden Verhältnisse aufbrechen. Wir alle gemeinsam, Junge, Alte, Frauen, Männer. Gendersterne sind eher Steine auf diesem Weg. Was meinen Sie?