„Die Menschen brauchen eine Alternative“, forderte die Caritas nach der Räumung von Obdachlosen am Nobistor. Auch die Linke kritisiert die „konzeptlose Räumungspolitik der Stadt“ und fordert ein Ende der Verdrängung.
Nach der Räumung einer Gruppe von Obdachlosen in einem Park am Nobistor mehren sich die kritischen Stimmen: Der Hamburger Caritasverband verurteilte das Vorgehen von Bezirksamt und Polizei: „Platten und Parks dürfen nicht geräumt werden, ohne diesen Menschen eine Alternative anzubieten. Obdachlose müssen menschenwürdig untergebracht werden, unabhängig von ihre Nationalität“, sagte Michael Edele, stellvertretender Hamburger Caritasdirektor.
Dass Menschen in Zelten und Autos schlafen sei ein Ausdruck der katastrophalen Unterbringungssituation und keine frei gewählte Camper-Romantik. „Diese Menschen aus Osteuropa sind hier obdachlos geworden, weil Sie keine Arbeit finden oder weil sie sich eine Hotelübernachtung und erst recht keine Wohnung bei Niedrigstlöhnen leisten können“, sagte Edele.
Die Caritas schloss sich der Forderung von Hinz&Kunzt an, Flüchtlingsunterkünfte mit freien Kapazitäten auch für obdachlose Menschen zu öffnen. Zudem forderte sie die Stadt auf, die Zahl der Notschlafplätze von derzeit 400 deutlich zu erhöhen.
„Mit seiner ‚Räumungspolitik‘ zeigt der Senat, dass er die Lage der Betroffenen nicht verbessern, sondern sie einfach aus dem Stadtbild verdrängen möchte“, sagte Cansu Özdemir, sozialpolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke. Dem Senat warf sie jahrelanges „Werkeln an Konzepten vor“ vor. Mit dem Argument, die Obdachlosen seien EU-Bürger und hätten deshalb keinen öffentlich-rechtlichen Anspruch auf anderweitige Unterbringung, mache es sich der Senat sehr einfach und akzeptiere die Verelendung der Menschen auf Hamburgs Straßen. „Die Betroffenen dürfen nicht weiterhin der Hoffnungslosigkeit und der Verelendung ausgesetzt sein. Sie müssen menschenwürdig untergebracht und unterstützt werden“, forderte Özdemir.
Anscheinend erneute Räumung
Unterdessen hat es nach Hinz&Kunzt-Informationen am Freitag erneut eine Räumungsaktion am Nobistor gegeben. Demnach rückte das Ordnungsamt in den frühen Morgenstunden wieder in den Park aus und entsorgte Matratzen. Bereits gestern Nachmittag hatte sich dort eine kleinere Gruppe Obdachloser versammelt.
@rakeeede Gerade wurde am Nobistor anscheinend wieder geräumt. pic.twitter.com/pM3ckLDN5E
— Nia (@nia_ffm) 10. Juni 2016
Auf Nachfrage von Hinz&Kunzt, ob das Bezirksamt in den nächsten Tagen wiederholt die Platte ins Visier nehmen will, gab es bis zum frühen Nachmittag noch keine Rückmeldung. Dass es nicht das letzte Mal sein wird, dass der Bezirk mithilfe der Polizei in den Park kommt, um Obdachlose zu vertreiben, davon geht Hinz&Kunzt-Sozialarbeiter Stephan Karrenbauer aus. „Wo sollen sie denn auch hin?“
Text: Simone Deckner
Fotos: Mauricio Bustamante
Bilder-Galerie: Räumung am Nobistor
- Ein Mann hat sein Zelt auf einen Einkaufswagen gepackt und verlässt den Park. Foto: Mauricio Bustamante.
- Polizisten überwachen die Räumung, die vom Bezirksamt durchgeführt wird. Foto: Mauricio Bustamante.
- Einer der Bewohner der Platte am Nobistor. Er weiß nicht, wohn nun. Foto: Mauricio Bustamante.
- Es gab auch Solidarität für die Geräumten. Foto: Mauricio Bustamante.
- Eine Wäscheleine als notdürftiger Schutz des Privatbereichs. Foto: Mauricio Bustamante.
- Polizisten nehmen die Personalien einer Unterstützerin der Obdachlosen auf. Den Unterstützern droht nun eine Anzeige, da die Versammlung nicht angemeldet worden sei. Foto: Mauricio Bustamante.