Das „Bündnis für das Wohnen“ war lange ein Erfolgsgarant des Hamburger Senats. Doch Baustopps und Insolvenzen lassen immer mehr Baulücken zurück. Wird die Stadt jetzt zum Retter?
Googelt man im Internet nach dem Bündnis für das Wohnen, gesellt sich schnell ein weiterer Begriff dazu: Erfolgsgeschichte. Seit zehn Jahren erreicht der Zusammenschluss aus Stadt, Bezirken und Immobilienverbänden seine hochgesteckten Ziele. Lange wurden nicht nur wie angekündigt jährlich mehr als 10.000 Wohnungen genehmigt, sondern auch fertiggestellt. Knapp 79.000 neue Wohnungen sind in zehn Jahren rot-grüner Koalition in Hamburg gebaut worden. Rund 23.000 davon sind günstig. Sie wurden öffentlich gefördert. Für den Großteil der neuen Wohnungen verlangen die Eigentümer:innen hingegen Preise, die vor zehn Jahren kaum denkbar waren. Damals lag die Durchschnittmiete in Hamburg bei unter acht Euro pro Quadratmeter. Heute zahlt man für eine Neubauwohnung in der Regel doppelt so viel.
Dabei war man in der Stadtentwicklungsbehörde überzeugt davon, dass der Neubau einen sogenannten Sickereffekt zur Folge habe: Neumieter:innen teurer Wohnungen würden schließlich aus günstigen Wohnungen ausziehen. Und die Mietpreisbremse würde einen Anstieg der Preise verhindern. Doch es kam anders: Wohnungen unter zehn Euro pro Quadratmeter werden einer Studie zufolge heute in Hamburg kaum noch angeboten. Auch deshalb, weil die Mietpreisbremse in den Augen von Mietervereinen zu viele Ausnahmen ermöglicht. Im Schnitt verlangen Vermietende derzeit für eine 60 Quadratmeter große Wohnung etwa 180 Euro mehr pro Monat als 2015.
Seit drei Jahren geht es auf der Baustelle in der Hafencity nicht voran
Doch seit knapp drei Jahren stockt der Bauboom. Auslöser war der Überfall Russlands auf die Ukraine im Februar 2022. Die Europäische Union reagierte mit Sanktionen, die für die Bauwirtschaft zu steigenden Material- und somit Baukosten führten. Als die Europäische Zentralbank auf die beginnende Inflation schließlich mit einer Anhebung der Leitzinsen reagierte, gerieten unzählige Baufinanzierungen in Schieflage.
Zeigte sich Stadtentwicklungssenatorin Karen Pein (SPD) im Hinz&Kunzt-Interview 2023 noch zuversichtlich, dass trotz der beginnenden Krise Bauprojekte wie das Paloma-Viertel fertig werden könnten, wurde im vergangenen Jahr offensichtlich, dass immer mehr Unternehmen die Bremse ziehen. In Harburg, Altona, Wilhelmsburg, St. Pauli und sogar Blankenese holt sich inzwischen die Natur große Baufelder zurück.
Beim Paloma-Viertel greift die Stadt nun ins Geschehen ein
Wird jetzt die Stadt zum Retter? Hamburg hat als Reaktion auf die Krise die Förderbedingungen ausgeweitet und kann erste Erfolge vorweisen: Im vergangenen Jahr wurde der Bau von so vielen geförderten Wohnungen bewilligt wie seit fünf Jahren nicht mehr. Obwohl private Investoren weiterhin nur zurückhaltend bauen, wollen SPD und Grüne auch nach der Wahl am Bündnis für das Wohnen festhalten. Damit es vorangeht, greift die Stadt jetzt selbst ins Geschehen ein: Zusammen mit einem privaten Bauträger wird die Saga das seit einem Jahrzehnt brachliegende Paloma-Viertel auf St. Pauli fertigstellen. Der Deal: Während das Immobilienunternehmen deutlich mehr Hotel- und Gewerberäume errichten darf, baut das städtische Unternehmen die Wohnungen. Zwar 40 weniger als ursprünglich geplant, aber immerhin zu 100 Prozent öffentlich gefördert. Ein Eingriff mit Beigeschmack: Ursprünglich sollten in dem Neubauprojekt Interessen von Immobilienhändler:innen, Nachbar:innen und Mietenden vereint werden. Dieses vom Bezirk nach Protesten aus der Nachbarschaft initiierte Beteiligungsverfahren fällt jetzt dem Neubau unter veränderten Bedingungen zum Opfer.