KiK und C&A :
Brandschutzabkommen (noch) nicht unterzeichnet

Tausende von Billig-Jeans hatte der Textil-Discounter KiK in Pakistan fertigen lassen. Bei einem Großbrand kamen im vergangenen Herbst 289 Arbeiter ums Leben. Gegen die Betreiber wurde Mordanklage erhoben. Unterstützung erhalten die Betroffenen von Menschenrechtsorganisation aus Deutschland und durch eine Online-Eilaktion.

Foto von der Trauerfeier nach dem Großbrand in einer Textilfabrik in Bangladesch. Die Zulieferfirma hatte Bekleidung für C&A produziert.
Foto von der Trauerfeier nach dem Großbrand in einer Textilfabrik in Bangladesch. Die Zulieferfirma hatte Bekleidung für C&A produziert.

Auch Monate nach dem Brand in einer Textilfabrik in der pakistanischen Großstadt Karatschi warten die Hinterbliebenen auf Gerechtigkeit. Die italienische Gutachterfirma RINA – verantwortlich für die Brandschutzzulassung – verweigert bis heute eine Entschädigungszahlung. Der Werkbetreiber Ali Enterprises wurde wegen Mords angeklagt. Doch Menschenrechtsorganisationen wie Medico International befürchten bereits, dass die Gerichte die Mordanklage fallen lassen. „Dann würde nur noch wegen Totschlags ermittelt und das Strafmaß würde deutlich geringer ausfallen“, sagt Thomas Seibert von Medico International.

Als Mitte Februar die letzten nicht identifizierten Toten der Brandkatastrophe beerdigt wurden, war Seibert mit weiteren Unterstützern vor Ort. Gemeinsam haben sie dafür gesorgt, dass nun internationale Gutachter die juristische Aufarbeitung in Pakistan begleiten. „Sollten die Verfahren behindert werden, erwägen wir Mordanklagen die europäischen Unternehmen vor europäischen Gerichten“, sagt Seibert.

Denn Verantwortung für das Unglück trägt neben RINA und Ali Enterprises auch KiK: 650 Näherinnen und Näher nähten für umgerechnet 50 Euro im Monat Tag für Tag Tausende Billig-Jeans für KiK. 289 von ihnen kamen am 12. September in den Flammen ums Leben.

Inzwischen hat das Unternehmen eine Millionen Dollar zur Hilfe bereitgestellt. „Ali Enterprises hat uns auf schmerzliche Weise gezeigt, dass wir uns nur auf das verlassen können, was wir mit eigenen Augen gesehen haben“, so Michael Arretz von der KIK-Geschäftsführung gegenüber Hinz&Kunzt. Darüber hinaus wurden Verhandlungen unter anderem mit den Betroffenen, der Gewerkschaft und dem Arbeits- und Sozialforschungsinstitut Piler aufgenommen. In einer gemeinsamen Presseerklärung von KiK und dem Institut bestätigt Piler-Geschäftsführer Ali Karamat den Eingang des Geldes. „Wir freuen uns, dass die Gelder von KiK in Höhe von 1 Million US-Dollar für den Hilfsfond bereit stehen.“ Thomas Seibert kritisiert allerdings: „Bei einem vergleichbaren Fall in Bangladesch hat der US-amerikanische Auftraggeber schließlich 20 Millionen Dollar Entschädigung gezahlt.“ Er erwartet, dass es eine weitere Zahlung gibt und dass diese deutlich höher ausfällt.

Fabriken erhalten zu wenig Geld für Brandschutzvorkehrungen

Aber nicht nur über die Höhe der Entschädigung wird gestritten. Die von sogenannten Audit-Unternehmen vergebenen Zertifikate stellen ein weiteres Problem dar. Drei Wochen vor dem Brand wurde die Fabrik mit einem Siegel zertifiziert, das eigentlich hohe Sicherheitsstandards garantieren sollte. Im Prüfbericht der italienische Auditfirma RINA heißt es: „Feuerlöscher und Brandschutzeimer standen in ausreichender Menge zur Verfügung. Die Feuerlöscher und Fluchtwege waren ohne Behinderung zu erreichen.“

90 Gutachten hat die Firma RINA nach Angaben von Medico International inzwischen in Pakistan ausgestellt. Die Feuerkatastrophe von Karatschi offenbart allerdings, dass die Zertifikate keine Sicherheit bieten. Die überlebenden Arbeiter, mit denen NDR-Reporter Christoph Lütgert bei seinen Recherchen für den Artikel „Hauptsache: billig“ sprach, wollen keinen einzigen Prüfer in der Fabrik gesehen haben. Sie erzählen auch,  dass die Fenster vergittert und Notausgänge aus Angst vor Diebstählen verschlossen waren. „Auditfirmen in der globalen Lieferkette der Textilindustrie stehen seit Jahren in der Kritik, da Zertifizierungen unzureichend sind und häufig ganz versagen“, sagt Frauke Banse, Eilaktionskoordinatorin der Kampagne für Saubere Kleidung. „Der Fall Ali Enterprises in Pakistan zeigt deutlich, dass auch die Audit-Unternehmen zur Verantwortung gezogen werden müssen.“

Berndt Hinzmann, der ebenfalls für die Kampagne Saubere Kleidung arbeitet, beklagt, dass die Zulieferfirmen zu wenig Geld erhalten würden, um sichere Arbeitsplätze zu schaffen: „Die Großkonzerne aus Europa und den USA versuchen möglichst hohe Profite zu erwirtschaften. Folglich landet nicht nur wenig Geld bei den Arbeitern, sondern auch bei den Zulieferfirmen.“

Wenige Wochen nach der Katastrophe in Pakistan brach in einer Textilfabrik in Bangladesch ein weiterer Großbrand aus, der 112 Tote forderte. Es handelte sich um einen Zulieferer für C&A. Alle Familien, die durch den Brand einen Angehörigen verloren haben, sollen durch die C&A Foundation jeweils 1200 US-Dollar erhalten. Der Kampagne für Saubere Kleidung geht das nicht weit genug. „Die Zahlungen von C&A decken gerade mal vier Prozent der Entschädigungssumme, die nach den Berechnungen von bangladeschischen Gewerkschaften von den Opfern gebraucht werden“, so Frauke Banse. C&A widerspricht dieser Darstellung: Für konkrete Maßnahmen zur Opfer- und Hinterbliebenenhilfe will das Bekleidungsunternehmen über eine Millionen US-Dollar bereitstellen. So sollen 70 Kinder, die durch den Brand mindestens einen Elternteil verloren haben, bis zu ihrem 18. Lebensjahr Unterstützung erhalten. Die genaue Summe: 50 Dollar pro Kind und Monat.

Brandschutzabkommen wurde bislang nur von Tchibo unterzeichnet

Für die Zukunft strebt die Kampagne Saubere Kleidung eine Regelung für sichere Produktionsanlagen an. Aber das gestaltet sich schwierig. Eine Brandschutz-Vereinbarung mit den Gewerkschaften hat in Bangladesch bislang nur das Unternehmen Tchibo geschlossen. Bei C&A vertritt man die These, dass „wenige Marken allein den in Bangladesch erforderlichen grundlegenden Wandel beim Brandschutz nicht herbeiführen“ können. Phil Chamberlain, Nachhaltigkeitschef bei C&A, meint: „Um zukünftig sichere und gesunde Arbeitsbedingungen zu gewährleisten, müssen Initiativen entwickelt werden, in die möglichst viele Beteiligte eingebunden sind und die zu grundsätzlichen Veränderungen auf diesem Gebiet führen.“

Von KiK gibt es keine klare Antwort, warum das Abkommen noch nicht unterzeichnet wurde. „Hinsichtlich der Unterzeichnung des Brandschutzabkommens befinden wir uns mit der Kampagne für saubere Kleidung bereits seit vergangenem Jahr in einem konstruktiven Dialog“, sagt Pressesprecherin Beatrice Volkenandt. Frauke Banse von der Kampagne Saubere Kleidung bestätigt, dass diese Treffen stattgefunden haben. Doch Gespräche allein würden nicht ausreichen, um weitere Fabriktote zu verhindern: „Die Unterzeichnung des Brandschutzabkommens wäre ein zentraler Schritt dahin.“

Text: Jonas Füllner
Foto: Action Press/Zuma Press
Online-Eilaktion gestartet: Die Kampagne für Saubere Kleidung setzt sich für Entschädigungszahlungen an die Hinterbliebenen der Opfer des Fabrikbrandes bei Tazreen Fashions in Bangladesch ein. „Wir freuen uns, dass C&A grundsätzlich zur Zahlung von Entschädigungen an die Hinterbliebenen bereit ist. Allerdings reicht die Summe bei weitem nicht aus“, sagt Frauke Banse von der Kampagne für Saubere Kleidung. Deswegen hat die Kampagne eine Online-Eilaktion gestartet. Mit einem Protestbrief sollen die Unternehmen aufgefordert werden, das bangladeschische Brandschutzabkommen zu unterzeichnen und Entschädigungen an die Opfer der Brandkatastrophe zu bezahlen.

Infos zur Online-Eilaktion finden sich auf der Seite der Kampagne für Saubere Kleidung www.sauberekleidung.de und bei Facebook. Dort kann der Protestbrief unterzeichnet werden.

Unsere gesamte Berichterstattung über KiK lesen Sie unter www.hinzundkunzt.de/kik

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