Nach jahrelangem Leerstand hat der Bezirk Mitte endlich durchgegriffen und in der Ohlendorffstraße sechs Wohnungen zwangsvermietet. Vor fast 20 Jahren hatte sich erstmals ein Hausbewohner über den Leerstand beschwert.
Horst Reuß ist ehrlich: Es gab Momente, da glaubte der 80-Jährige nicht mehr daran, dass die sechs leer stehenden Wohnungen um ihn herum je wieder bewohnt werden. Dass neue Nachbarn einziehen.
Um die Jahrtausendwende, sagt Reuß, hat er sich erstmals beim Bezirksamt Mitte gemeldet. In dem Mehrfamilienhaus in der Ohlendorffstraße, in dem er mit seiner Frau wohne, lasse der Eigentümer zwei Wohnungen leer stehen. Eine seit 15 Jahren, eine weitere seit Kurzem. Ob man nicht etwas dagegen unternehmen könne.
Fast 20 Jahre ist das nun her. Aus zwei leer stehenden Wohnungen wurden sechs. Schließlich lebte außer dem Ehepaar nur noch eine alte Dame im Haus. Regelmäßig hat Reuß beim Amt angerufen. Und regelmäßig, sagt er, entspann sich der gleiche Dialog: Amt: „Der Eigentümer hat Gründe geltend gemacht, warum er im Augenblick nicht vermieten kann.“
Reuß: „Und diese Gründe bestehen seit Jahren?“
Amt: „Dazu kann ich leider keine Auskunft geben. Laufendes Verfahren.“
„Diese Antwort fand ich bescheuert“, sagt Horst Reuß.
Er habe den Eigentümer mal gefragt, warum er die Wohnungen leer stehen lasse. Da habe der geantwortet: „Für mich ist das egal, ob ich vermiete oder nicht. Der Ertrag ist der gleiche.“
Erfolgreiche Zwangsvermietung
Geändert hat sich erst 2015 etwas: Das Amt leitete ein Verfahren ein. Zwei Jahre zuvor hatte der Senat das Wohnraumschutzgesetz verschärft. Seitdem kann die Stadt einen Treuhänder einsetzen, der für Vermietung ungenutzten Wohnraums sorgt. Genau das ist in der Ohlendorffstraße passiert.
Viele Fragen bleiben offen: Warum hat es so lange gedauert, bis die Stadt zum scharfen Schwert griff? Warum folgt kein anderes Bezirksamt dem guten Beispiel? Und hat der Eigentümer endlich die Bußgelder bezahlt, die die Stadt ihm auferlegt hat? Das Bezirksamt und der Senat verweisen auf den Datenschutz.
91.000 Euro hat die Stadt für die Renovierung der leer stehenden Wohnungen vorgestreckt. Auch diese Zahl hätte das Bezirksamt der Öffentlichkeit gerne vorenthalten, wegen „Datenschutz Eigentümer“. Wenn alle Rechnungen vorliegen, werde „umgehend die Erstattung eingefordert“.
Horst Reuß freut sich sehr auf die neuen Nachbarn. Über das Wohngefühl der vergangenen Jahre sagt er: „Es ist beschissen, in einem so leeren Haus zu leben.“