Der Künstler Michael Batz erhellt die Stadt und kämpft gegen geistige Enge
(aus Hinz&Kunzt )160/Juni 2006
Als Kind hat Michael Batz noch völlige Finsternis erlebt. Nach dem Krieg, auf einem Dorf in der Nordheide, war in manchen Nächten nicht mal ein Sternenhimmel zu sehen.
„Ich weiß noch, dass ich auf der Straße von einem Haus in die Siedlung gehen musste. Ich habe mich so orientiert, dass ich links auf dem Kopfsteinpflaster war und rechts auf dem Sandweg. Ich wusste, wenn ich auf dieser Grenze gehe, dann komme ich an“, erinnert er sich. „Da geht man wie ein Blinder, aber man muss Vertrauen entwickeln, denn man kann ja nicht mit letzter Gewissheit wissen, ob da plötzlich jemand steht oder sich etwas auf der Straße befindet.“
Auf dieser Straße ist Michael Batz im übertragenen Sinne heute noch mit Gottvertrauen unterwegs. Die eine Seite der Straße steht für die des Schriftstellers, Dramaturgen, Buch- und Theaterautors, in Hamburg vor allem durch seinen zu Beginn umstrittenen „Jedermann“ eine feste Größe. Die andere Seite der Straße steht für die des Lichtkünstlers, der mit seinen Lichtinszenierungen von städtischem Raum internationalen Ruf genießt, erst recht jetzt mit seinen „Blue Goals“. „Es ist eine Eigenart von mir, immer gegen das Unwahrscheinliche anzutreten“, beschreibt er seinen Weg in immer wieder neue Wagnisse.
Dabei waren viele Politiker und potentielle Sponsoren anfangs gar nicht so begeistert von den blauen Lichttoren. In der Auseinandersetzung hat der 54-Jährige ganz schön Federn gelassen. Dem freundlichen, höflichen Mann mit der leisen Stimme sieht man die Erschöpfung an. Als Treffpunkt hat er das Kesselhaus in der Speicherstadt, den Spielort seines „Jedermann“, gewählt, der bereits ins 13. Jahr geht. „In Hamburg wird man nicht verwöhnt mit Zuwendung“, hat er gelernt. „Man wird gewatscht, und gegen alle Zweifel anzutreten ist sehr mühsam.“
Warum er sich das antut? „Die größte Angst habe ich, das Leben gelebt zu haben, ohne Dinge zu versuchen, die ich hätte versuchen können“, sagt er. „Der Reiz besteht darin zu fragen: Was gibt es noch nicht? Dann guck ich auf die Lebenszeituhr und sage, warte mal nicht zu lange. Wenn du etwas angehen willst, dann tue es, auch gegen die Angst. Natürlich kann man Menschen mitnehmen, auch gegen ihren eigenen Zweifel. Man kann die Welt ändern, und die Zündhölzer lehren uns, dass in manch strohtrockenem Kopf noch was Feuriges steckt.“
Mit dem „Jedermann“ brachte Batz auch das Licht in die Speicherstadt. Seither setzt er Städte europaweit so erfolgreich in Szene, dass ihn 2005 der Weltverband LUCI auszeichnete: „Licht ist ein Exportartikel der Stadt Hamburg geworden.“ Und eine Mission für Michael Batz. „Welches Recht haben Menschen in einer Stadt auf menschliches Licht?“, fragt er und ärgert sich über die Beleuchtungsstärken nach DIN-Norm für öffentliche Plätze und Straßen, die nach dem Krieg festgelegt wurden. „Da gibt’s immer das Totschlagargument der Versicherung im Schadensfall. Die Versicherung zahlt nur, wenn die DIN-Norm eingehalten wird.“ Dabei sei niemand glücklich mit einer „Lichtsituation, wie man normalerweise Regale mit Hunderfutterdosen beleuchtet“. Und außerhalb der merkantilen Zentren herrsche triste Öde – oder Angst. „Eisenbahnbrücken sind Angsträume“, sagt Batz, „dunkle Beschleunigungskorridore. Mit Tauben ist es dann noch schlimmer, wie hier beim Lessingtunnel. Das sind urbane verlorene Orte, die wir zurückgewinnen müssen.“ Dass das geht, hat er bei seinem Modellprojekt, einer Eisenbahnbrücke in Düsseldorf, unter Beweis gestellt. „Aber wir haben einige Tausend von diesen Brücken, da will die Deutsche Bahn natürlich nicht ran.“
Dabei ist gutes Licht bezahlbar: „Nehmen Sie das Beispiel einer Kleinstadt in Süddeutschland, da habe ich für den wunderschönen Marktplatz ein Lichtkonzept gemacht“, erzählt er genüsslich. „Die Leute waren begeistert. Aber eine junge Politikerin war absolut gegen die angebliche Geldverschwendung. Dabei hing an der Apotheke eine Lichterkette mit 27 Hundert-Watt-Birnen, und die frisst dort das ganze Jahr Strom. Mit diesen 2,7 Kilowatt kann ich mit Lichtpunkten zwischen 25 und 30 Watt, die ich an Fassaden verwende, fast den ganzen Marktplatz beleuchten.“ Seine Vision „einer virtuellen Stadtlandschaft, die mit der gebauten Stadt korrespondiert, darüber aber eine Ebene legt, die man geistig bespielen kann, die Stadt als Bühne für alle“, ist nicht leicht zu vermitteln. Was bei den Menschen ankommt, ist die Wahrnehmung des Blue Goal als Wahrzeichen, und viele Nachahmer wollen den kreativen Schwung nutzen. „Wie viele Vorschläge ich schon gehört habe, was man jetzt als Blue Goal darstellen kann“, sagt er und schüttelt sich bei der Vorstellung von Manschettenknöpfen oder Nasenbügeln von Brillen. Aber die Anteilnahme freut ihn, schließlich hat er alle Menschen in dieser Stadt ins Boot holen wollen: „Die Akteure sind nicht nur die Großen und Mächtigen, die sich da was aufs Dach stellen, sondern auch Kirchen und Grundschulen, Krankenhäuser und kleine Gewerbebetriebe.“ Licht wird weiterhin seine stärkste Waffe im Kampf gegen die dunklen Flecken unserer Gesellschaft sein: „Dabei ist die Dunkelheit die große Partnerin, unser Rohstoff, den wir verteidigen werden“, sagt der Mann, der nachts nicht von Licht, sondern von Dunkelheit träumt. „Eine helle aufgeklärte Welt der Hundefutterdosen, das ist die Hölle.“ Die wahre Finsternis sei in den Herzen der Menschen zu finden: „Da Licht hineinzubringen geht nur über das Miteinander. Wenn ich nur auf das Ego setze, dann komme ich vielleicht fort, egal wohin, aber Licht im Herzen habe ich nicht.“
Das ist auch die Botschaft seiner Blue Goals an diese Stadt: „Macht die Türen auf! Stellt Tore hin und macht sie auf, lasst eure Mokanterie und geistige Enge sein, macht die Tore im Kopf auf! Wenn das hier häufiger passiert, dann wird das auch eine andere Stadt werden.“