Ein-Euro-Jobber erobern die Arbeitswelt und bleiben dennoch meist die Verlierer
(aus Hinz&Kunzt 142/Dezember 2004)
8700 Ein-Euro-Jobs will Hamburg kommendes Jahr für Arbeitslose bereitstellen. Schon jetzt zeigt sich: Die gemein-nützige Beschäftigung von Hilfeempfängern ist vor allem ein billiges Versprechen. Den Betroffenen bietet sie kaum Perspektiven. Und reguläre Arbeitsplätze fallen weg.
Sie hat sich freiwillig gemeldet. Weil sie endlich wieder arbeiten wollte. Und weil ihr der Sachbearbeiter vom Sozialamt sagte, das Ein-Euro-Programm biete Perspektiven. Nach sechs Monaten werde man in der Regel übernommen, zum Beispiel in einen Bürojob. Doch schon als sich Bettina Reiser (Name geändert) bei der „Hamburger Arbeit“ (HAB) bewarb, wurde sie stutzig. „Wäscherei oder Gärtnerei – etwas anderes haben wir nicht für Sie“, habe es geheißen. Die 46-Jährige entschied sich für die Gärtnerei. „Auf einen Einsatz dort warte ich immer noch“, sagt die resolute Mutter zweier Kinder vier Wochen später. Von morgens bis abends schnitze sie Teppichreste, sonst gebe es nichts für sie zu tun. Als sie ihren „Fallmanager“ bei der HAB gefragt habe, wann es endlich losgehe, habe der gesagt: „Wieso schickt die Zentrale uns jeden Montag neue Leute für Garten- und Landschaftsbau? Wir haben keinen Platz mehr!“
8700 Ein-Euro-Jobs sollen kommendes Jahr in Hamburg für künftige Arbeitslosengeld-II-Empfänger eingerichtet werden, Hartz IV will es so. „Keiner in dieser Stadt ist glücklich darüber, dass so viele Beschäftigungsplätze geschaffen werden müssen“, sagt Bernhard Proksch von der Wirtschaftsbehörde. Denn keiner weiß so richtig, wo die so genannten Arbeits-gelegenheiten entstehen sollen. Einen Ausweg aus dem Dilemma eröffnet der Leiter des Amtes Arbeitsmarkt und Strukturpolitik mit seiner Definition zusätzlicher Arbeit: Wenn eine Kindertagesstätte nachweisen könne, dass sie kein Geld habe, um eine Renovierung in Auftrag zu geben, könnten „Ein-Euro-Jobber“ das übernehmen. „Ein regulärer Handwerksbetrieb hätte den Auftrag sowieso nicht bekommen.“
Ein-Euro-Beschäftigte würden zur „Billig-Konkurrenz für regulär bezahlte Arbeitskräfte“, wettert die Gewerkschaft. Alle Anzeichen sprechen dafür. Unter den 2000 Ein-Euro-Jobs, die die Agentur für Arbeit in diesen Tagen Erwerbslosen anträgt, finden sich erstaunliche Anforderungsprofile: Ein Theater sucht einen EDV-Fachmann, eine Großküche ausgebildete Kräfte, ein Öko-Café eine Kellnerin. Ist das zusätzliche Arbeit? Man werde jedem Hinweis auf Missbrauch nachgehen, so Rolf Steil, Chef der Arbeitsagentur. Vor allem aber sei es die Aufgabe der Beschäftigungsträger, „saubere, abgegrenzte, integrative Arbeitsgelegenheiten zu schaffen und diese auch zu kontrollieren“. Wohin die Reise geht, lässt sich in diesen Tagen in den Anzeigenteilen der Zeitungen nachlesen. Da sucht zum Beispiel die „Ökologische Technik – Gesellschaft für öffentliche Personaldienste mbH“ Arbeitslose für die Kinder- und Jugendarbeit. „Das geht so: Sie übernehmen zusätzliche Aufgaben in Jugendzentren, Kitas oder auf Spielplätzen, z.B. als Öffentlichkeitsarbeiter oder Arbeitsgruppenleiter, als Bürokraft, Haus- und Hofhandwerker oder Küchenhilfe, oder, oder, oder …“
Unter den Beschäftigungsträgern ist der Kampf um die Ein Euro-Jobber in vollem Gange. 18.000 Plätze seien im „Interessenbekundungsverfahren“ gemeldet worden, so Amtsleiter Proksch. 300 bis 500 Euro monatlich soll ein Träger pro Beschäftigten bekommen. Das muss reichen für dessen „Lohn“, Hilfe bei der Jobsuche und Qualifizierung. „Der Wett-bewerb ist scharf und wird schärfer“, so HAB-Geschäftsführer Detlef Scheele. Sechs bis zwölf Monate dürfen Arbeitslose künftig am Programm teilnehmen, 15 bis 30 Stunden die Woche sollen sie arbeiten und so „sozial und beruflich stabilisiert werden“ (Sozialgesetz-buch II). Gleichzeitig, so ein Merkblatt der Arbeitsagentur, sollen die Arbeitsgelegenheiten der „Überprüfung der Arbeitsfähigkeit und -bereitschaft“ dienen. Aufwandsent-schädigung für den Hilfeempfänger: bis zu 120 Euro monatlich zusätzlich zur Hilfe. Anschlussperspektive: keine.