Bildung statt Krieg

Wie ein Hamburger Verein den Aufbau von Schulen in Afghanistan fördert

(aus Hinz&Kunzt 152/Oktober 2005)

Mehr als 20 Jahre Krieg. 50 bis 80 Prozent Analphabeten. Und eine Lebenserwartung von nur 46 Jahren: Es gibt viele gute Gründe, den Menschen in Afghanistan zu helfen. Der Verein Afghanistan-Schulen mit Sitz in Oststeinbek unterstützt den Aufbau eines Bildungssystems im krisengeschüttelten Land. Das Ehrenamtlichen-Projekt hat Vorbildcharakter im Kampf gegen die Armut.

Für Ingrid Fraser liegt es auf der Hand, warum sie den Bau von Schulen in einem fernen Land wie Afghanistan unterstützt. Erstens, so die 69-Jährige, engagiere sie sich im Kampf gegen die Armut, „seitdem ich denken kann“. Und zweitens hat die Wentorferin 40 Jahre lang als Lehrerin gearbeitet. Sie weiß also sehr genau, was es bedeutet, wenn das afghanische Sprichwort sagt: Bildung ist Licht. „Wer will schon gerne im Dunkeln sitzen?“

In Afghanistan sitzen noch viele im Dunkeln. Bis zu 80 Prozent der Bevölkerung können weder lesen noch schreiben. Vor allem Frauen sind vom Bildungsnotstand betroffen. Nach den langen Jahren des Krieges mangelt es so ziemlich an allem: an Schulgebäuden und Schulbüchern, an Lehrern und an Tafeln. „Zum Teil wird noch im Freien unterrichtet“, berichtet Ingrid Fraser, die zuletzt im Frühjahr den Nordwesten Afghanistans besucht hat, wo der Verein seit mehreren Jahren aktiv ist: „Die Kinder sitzen auf dem Boden, und alles, was der Lehrer hat, ist ein schwarz angestrichenes Brett und ein Stück Kreide.“

16 Schulgebäude wurden mit Hilfe von Spenden neu gebaut und weitere sechs saniert, Unterrichtsmaterialien angeschafft und Fortbildungen für Lehrer organisiert. „Das Besondere an unserem Verein ist: Deutsche und Afghanen arbeiten gemeinsam, und alle Vereinsmitglieder hier sind ehrenamtlich tätig“, sagt Ingrid Fraser. Was als nächstes auf der Tagesordnung steht, wird mit den afghanischen Mitarbeitern vor Ort besprochen: derzeit zum Beispiel die Einrichtung von kleinen „home schools“, in denen 14- bis 25-jährige Frauen in drei Jahren den Stoff von sechs Schuljahren lernen, um anschließend eine reguläre Schule besuchen zu können, und auch Englisch-, Computer- und Nähkurse belegen. Im Bau befindet sich ein „education center“, in dem Lehrer aus- und fortgebildet und besonders begabte Oberschüler auf den Besuch einer Universität vorbereitet werden sollen.

Um jungen Menschen hierzulande „den Blick über den Tellerrand“ zu ermöglichen, reist Ingrid Fraser von Schwanewede bis Straubing und wirbt mit Dia-Vorträgen um Patenschulen. Mit Erfolg: Die einen sammeln Altpapier für die gute Sache, die anderen organisieren einen Sponsorenlauf. Sogar Brieffreundschaften zwischen afghanischen und deutschen Schülern sind inzwischen entstanden, die Vereinsmitglieder mit Übersetzerdiensten ermöglichen. Für die Religionslehrerin im Unruhestand geht es bei solchem Austausch immer auch darum, „dass Muslime und Christen voneinander lernen“. Und warum wir Deutschen guten Grund haben, den Afghanen zu helfen, weiß Ingrid Fraser aus eigenem Erleben: „Wir haben nach 1945 zwar die Ärmel hochgekrempelt. Aber wir haben damals auch viel Geld aus den USA bekommen.“

Mehr Infos unter www.Afghanistan-Schulen.de

Ulrich Jonas

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