Unweit des Michels hat der Bezirk Mitte Obdachlose von ihrer Platte vertrieben. Sie lebten dort seit einigen Monaten. Zuletzt sei es vermehrt zu Beschwerden von Anwohnern gekommen, heißt es zur Begründung aus dem Bezirksamt.
Das Bezirksamt Mitte hat unweit des Michels Obdachlose von ihrer Platte vertrieben. Am Mittwoch Morgen rückten Polizeibeamte an, um die Räumungsaufforderung des Bezirksamtes durchzusetzen. „Die Beschwerdelage hat zugenommen“, begründet ein Sprecher des Bezirks den Schritt. „Dort waren fünf oder sechs Leute, die ihre Geschäfte in den Kasematten verrichtet haben.“
Auf der Platte unter dem Vordach des Michaelis Quartier an der Ludwig-Erhard-Straße lebten einige Obdachlose aus Osteuropa schon seit einigen Monaten ungestört. Nach Angaben der Polizei hätten allerdings in den vergangenen zwei Monaten immer mehr Menschen dort ihr Lager aufgeschlagen und teilweise im alkoholisierten Zustand Passanten belästigt. Die Räumung wurde auf Grundlage des Hamburgischen Wegegesetzes ausgesprochen. „Sie dürfen da stehen oder liegen“, erläutert der Bezirksamtssprecher. „Aber sie dürfen dort nicht lagern.“
Für die Räumung war schließlich der Einsatz der anwesenden Polizeibeamten nicht mehr notwendig. Ein Polizei-Dolmetscher informierte die Obdachlosen über die Schlafplatz-Angebote der Stadt und weitere Hilfseinrichtungen. Nach einer längeren Diskussion packten die Obdachlosen schließlich ihr Hab und Gut zusammen. Allerdings nicht, um den Weg Richtung Obdachlosenunterkunft Pik As oder Winternotprogramm einzuschlagen. „Ich weiß nicht, wo ich jetzt hingehe“, sagt Miroslaw, der bereits seit Monaten an der Ludwig-Erhard-Straße nächtigte. In die Unterkunft Pik As will der Slowake nicht wieder zurück. „Da wird nur geklaut“, sagt er.
Stattdessen zog die Gruppe mit drei Einkaufswagen voller Decken, Matratzen und Schlafsäcken weiter Richtung Kersten-Miles-Brücke. Doch auch dort wurden Obdachlose bereits mehrfach vertrieben. Zuletzt hatten wir im Oktober berichtet, dass Polizisten Obdachlose aus dem Alten Elbpark weg geschickt haben. Der Vorwurf: Sie würden dort „lagern“.
„Jeder Mensch braucht ein Zimmer, in dem er zur Ruhe kommt und selbst entscheiden kann, wann er die Tür auf und wann er sie zu macht“, sagt Hinz&Kunzt Sozialarbeiter Stephan Karrenbauer. Solange nicht jeder sein eigenes Dach über dem Kopf habe, werde es weiterhin Menschen geben, die Notunterkünfte und Erfrierungsschutz meiden. „Und so lange werden auch weiter Menschen auf der Straße verelenden und sterben.“
Text und Foto: Jonas Füllner