Der Abschiebebeobachter der Diakonie hat in seinem Jahresbericht jede dritte Abschiebung vom Hamburger Flughafen aus kritisiert. Derweil wollen Bund und Länder die Abschiebepraxis noch verschärfen.
Jede dritte Abschiebung, die Moritz Reinbach im Jahr 2022 am Hamburger Flughafen beobachtet hat, war nach Ansicht des Abschiebebeobachters der Diakonie problematisch. Bei 157 stichprobenartig beobachteten Abschiebungen sah er in 52 Fällen Beratungsbedarf mit den beteiligten Behörden und der Bundespolizei im sogenannten Flughafenforum. Er kritisiert in seinem nun vorgelegten Jahresbericht unter anderem den Umgang mit minderjährigen und mittellosen Geflüchteten. „Dass Menschen ohne einen Cent in der Tasche abgeschoben werden, verschlimmert die ohnehin schwierige Situation der Betroffenen“, sagt sein Vorgesetzter Dirk Hauer.
Abschiebungen hätten in Hamburg „Formen angenommen, die wir vorher so nicht kannten“, beklagt Anwältin Insa Graefe von der kirchlichen Beratungsstelle „Fluchtpunkt“ im Interview in der Mai-Ausgabe von Hinz&Kunzt. Als Beispiel nennt sie den Umgang mit psychisch kranken Geflüchteten. „Da muss ein Arzt überprüfen, ob sich die Krankheit durch eine Abschiebung verschlimmern würde“, erklärt Graefe. Trotz Gutachten, die die Gefahr eines Suizids bescheinigen, würden Abschiebungen durchgeführt. Die Forderung, durch Fachärzt:innen prüfen zu lassen, wie sich gesundheitliche Folgen einer Abschiebung abmildern ließen, lehne die Ausländerbehörde ab.
Eine weitere Verschärfung der Abschiebepraxis wurde am Mittwoch auf einem Bund-Länder-Gipfel beschlossen. Dem Beschlusspapier nach sollen künftig auch solche Geflüchtete in Abschiebehaft genommen werden können, über deren Asylantrag noch nicht entschieden wurde. Der sogenannte Ausreisegewahrsam soll zudem von derzeit maximal 10 auf 28 Tage verlängert werden. Außerdem sollen Behördenmitarbeiter:innen bei Abschiebungen aus Gemeinschaftsunterkünften auch andere Zimmer als die der Betroffenen betreten dürfen. „Der aktuelle Abschiebungs- und Abschottungsaktionismus löst nicht die Probleme der Kommunen, sondern verstärkt rassistische Stimmungen“, kritisiert die rechtspolitische Sprecherin von „Pro Asyl“, Wiebke Judith. Der Bundestag muss den beschlossenen Verschärfungen noch zustimmen.
Korrekturhinweis: In einer ersten Version hatten wir einen falschen Namen des Abschiebebeobachters genannt. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen!