Ihre neue Macht rund um den Hauptbahnhof setzte die Deutsche Bahn auch gegen Hinz&Kunzt-Verkäufer ein. Jürgen verkauft seit mehr als zwei Jahren im Südtunnel. Am Freitag wurde er vertrieben. Am Montag die Wende: Die Bahn gibt die Verkaufsplätze wieder frei.
Der Verkaufsplatz im sogenannten Südtunnel, der vom Hauptbahnhof zur Mönckebergstraße führt, ist so alt wie Hinz&Kunzt selbst. Seit rund 19 Jahren bieten zwischen Schmalzbäckerei, Kiosk und Saturn Hinz&Künztler das Straßenmagazin an. Seit zwei Jahren hat Jürgen hier seinen festen Platz – mit Stammkunden und gutem Kontakt zu den Geschäftsleuten drumherum. Den will die Deutsche Bahn ihm nehmen. Sie hat das Recht dazu, seit die Stadt ihr am Mittwoch erlaubt hat, ihre Hausordnung auch auf den Bahnhofsvorplätzen durchzusetzen.
Wie Hinz&Künztler Jürgen vertrieben wurde, erzählt er selbst: „Jeden Morgen von 4.30 Uhr bis ungefähr 9 Uhr stehe ich hier und verkaufe Hinz&Kunzt. Ich habe mehr als ein Jahr gebraucht, um mir diesen Platz aufzubauen. Ich habe jetzt sogar Stammkunden. Die erwarten, dass ich hier stehe und fragen mich nach der neuen Zeitung. Mit den Geschäftsleuten drumherum verstehe ich mich gut. Die wissen, dass ich zuverlässig bin und keinen Ärger machen. Beim Blumenstand werfe ich immer einen Blick auf die Pflanzen vor dem Laden – dass da nichts geklaut wird.
Heute morgen war ich wie immer um 4.30 Uhr hier, um Hinz&Kunzt zu verkaufen. Bis halb acht ging alles gut. Dann kamen Männer von der DB Sicherheit. Die sind jetzt immer mit drei bis fünf Leuten unterwegs, früher waren sie meistens zu zweit. Sie haben zu mir gesagt: ,Sie dürfen hier nicht verkaufen.‘ Ich habe versucht zu erklären, dass ich hier einen festen Platz habe. Aber davon wollten die nichts wissen. Ich musste weg. Ich bin dann auch gegangen. Ich wollte keinen Ärger. Oder dass ich ein Hausverbot kriege.
Ich bin nicht sehr überrascht, dass das passiert ist. Das habe ich mir schon gedacht, als die Diskussion um den Bahnhof und dass hier alles sauber werden soll, losging. Aber ich bin stinkwütend. Ich habe mir nie etwas zu Schulden kommen lassen. Nächste Woche kommt die neue Hinz&Kunzt-Ausgabe. Meine Stammkunden werden sich fragen, wo ich stecke. Stammkunden kann man nur halten, wenn man regelmäßig auf dem Platz ist. Und ich bin auf das Geld angewiesen.“
Hintergrund: Hinz&Kunzt hat seit seiner Gründung 1993 mit der Stadt eine Vereinbarung: Diesee räumt Hinz&Künztlern für den Verkauf des Straßenmagazins eine Sondernutzungserlaubnis für öffentliche Straßen und Plätze ein. Für private Grundstücke holt Hinz&Kunzt die Erlaubnis der Hausherren ein. Das ist zum Beispiel auf dem Gelände vieler Supermärkte der Fall.
Weil die Plätze rund um den Bahnhof jetzt nicht mehr von der Stadt, sondern von der Bahn kontrolliert werden, kann diese Hinz&Künztler vertreiben. Das hat sie nicht nur mit Jürgen getan, sondern auch mit einem zweiten Verkäufer. „Wir haben kein Vertragsverhältnis miteinander“, betonte Herr Hopp vom Bahnhofsmanagement Hamburg gegenüber Hinz&Kunzt-Geschäfstführer Dr. Jens Ade. Hopp versicherte allerdings, es werde sich „eine Lösung finden lassen“. Jens Ade versteht nicht, warum das überhaupt nötig sein soll: „Warum soll Hinz&Kunzt am Bahnhof nicht mehr verkauft werden dürfen? In der Hausordnung der Bahn geht es um ,übermäßigen Alkoholkonsum‘ und ,Sitzen und Liegen auf dem Boden‘ beziehungsweise um Belästigungen. Aber dass das Straßenmagazin angeboten wird, ist doch keine Belästigung, sondern vielmehr eine Bereicherung.“
Text und Foto: BEB
Aktualisierung am 29.10.2012: Hinz&Kunzt-Geschäftsführer Jens Ade und die betroffenen Verkäufer haben sich mit dem Verantwortlichen der Deutschen Bahn am Hauptbahnhof getroffen. Ergebnis der Begehung: Die Hinz&Künztler dürfen ihre Verkaufsplätze behalten. Vielen Dank dafür!