Hammerbrook :
Bahn räumt Obdachlose aus ihren Hütten

Am Bahndamm hatten die Obdachlosen notdürftige Hütten errichtet. Foto: Dmitrij Leltschuk

Nach mehreren Monaten hat die Bahn 30 Obdachlose vertrieben, die an einer Gleisanlage nahe der Amsinckstraße ein Lager errichtet hatten. Gegen sie laufen nun Verfahren wegen Hausfriedensbruchs.

Hinz&Kunzt Randnotizen

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Schon seit dem vergangenen Sommer lebten die Obdachlosen auf der Bahnanlage nahe der Elbbrücken, bislang geduldet von der Bahn. Neben den Gleisen hatten sie sich versteckt im Gebüsch provisorische Hütten errichtet. Bereits im August 2016 waren nach Hinz&Kunzt-Informationen Mitarbeiter der DB-Sicherheit vor Ort gewesen, um sich ein Bild zu machen. „Wir appellieren an die dort campenden Personen, das Gelände freiwillig zu räumen“, sagte damals eine Bahnsprecherin zu Hinz&Kunzt. Schließlich sei das Campen auf Bahngelände nicht gestattet. Geräumt wurde trotzdem lange nicht. Und die Obdachlosen wussten nicht, wohin sie sonst gehen sollten.

Ortstermin im April. Hinz&Kunzt trifft den 72-jährigen Radu, der den Winter an den Bahngleisen verbracht hatte. Alles sei besser als Rumänien, sagt er und bittet darum, nicht fotografiert zu werden – aus Angst, dass man sein Lager räumt. Und in der Heimat habe er kein Geld für Essen und Kohlen, um den Ofen zu heizen. Als Rom sei er zudem ständigen Anfeindungen ausgesetzt. Deswegen habe er sich vor ein paar Monaten auf den Weg nach Hamburg gemacht.

„Wir sind arm und können keine Miete zahlen.“– Radu

Im Laufe der Zeit erweiterten Radu und seine Nachbarn ihre „Platte“ mit Plastikplanen, Teppichen und anderem Hausrat. Versteckt im Gebüsch waren sie die „Unsichtbaren“. „Wir sind arm und können keine Miete zahlen“, sagt Radu im Gespräch mit Hilfe der Hinz&Kunzt-Übersetzerin.

Und dann erklärt er, warum es ihm in Hamburg auf der Straße besser ergeht als in Rumänien. Er müsse zwar versteckt im Freien leben. Hier könne er aber immerhin Pfand sammeln und sich ein paar Euro verdienen, um Essen zu kaufen. Radu betont, dass seine Gruppe ehrlich sei, keiner klaue und sie niemanden stören würden. „Nur Pfand. Nix zappzarapp“, pflichtet ihm ein junger Rumäne bei, der ebenfalls in einem der Verschläge lebt.

Räumung wegen „Gefährdung des Bahnbetriebes“

Jetzt sind sie weg, vertrieben von der Deutschen Bahn. Im Morgengrauen rückten am Montag DB-Sicherheitsleute zusammen mit einer Dolmetscherin zur Räumung an und forderten die 30 Obdachlosen aus Rumänien und Bulgarien auf, das Gelände zu verlassen – wegen „Gefährdung des Bahnbetriebes“, heißt es aus der Pressestelle der Bahn. „Sie erhielten Unterlagen mit Adressen von Sozialeinrichtungen“, sagt Bahn-Sprecher Egbert Meyer-Lovis. Doch einen Anspruch auf eine städtische Unterkunft haben die Obdachlosen nach Hinz&Kunzt-Informationen in Hamburg ohnehin nicht. 

Auch die Bundespolizei war mit 40 Beamten vor Ort, um die Personalien der Obdachlosen aufzunehmen. Denn die Deutsche Bahn hat Strafanzeige wegen Hausfriedensbruchs gestellt. Ihre Sachen hätten die Obdachlosen mitgenommen, versichert Meyer-Lovis. Nicht jedoch ihren Müll, den nun die Bahn entsorgen muss. Nach eigenen Angaben kostet sie das „mehrere zehntausend Euro“.

Wenn wir weitere Zeltlager entdecken sollten, werden auch diese am direkten Gleisbereich geräumt.“– Egbert Meyer-Lovis

Die Obdachlosen halten sich wohl nach wie vor in der Stadt auf, vermutet ein Straßensozialarbeiter im Gespräch mit Hinz&Kunzt. Ihnen fehle das Geld für eine Rückfahrt ins Heimatland und sie sähen dort ohnehin keine Perspektive für sich. „Diese Menschen werden sich einen Platz in einem anderen Gebüsch suchen“, glaubt auch Hinz&Kunzt-Sozialarbeiter Stephan Karrenbauer. „Sie verelenden vor unser aller Augen, niemand hilft ihnen.“

Sollte der neue Lagerplatz auch in der Nähe von Schienen sein, kündigt Bahn-Sprecher Meyer-Lovis ein rigides Vorgehen an: „Wenn wir weitere Zeltlager entdecken sollten, werden auch diese am direkten Gleisbereich geräumt.“

Autor:in
Benjamin Laufer
Benjamin Laufer
Seit 2012 bei Hinz&Kunzt. Redakteur und CvD Digitales.
Jonas Füllner
Jonas Füllner
Seit 2013 bei Hinz&Kunzt - erst als Volontär und inzwischen als angestellter Redakteur.

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