Rückzugsort für Hinz&Künztler :
Aus der Quarantäne ins Hotel

Hinz&Künztler Piotr (links) und Mietek wohnen jetzt im Schanzenstern – statt unter einer Brücke. Foto: Dmitrij Leltschuk.

Hinz&Künztler Piotr hat es erwischt: Der Obdachlose hat sich mit dem Coronavirus infiziert. Deswegen musste er in eine Quarantäne-Einrichtung der Stadt. Inzwischen lebt er mit Kumpel Mietek im Hotel – dank einer Spende.

Hinz&Kunzt Randnotizen

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Voller Stolz hält Piotr seinen Pass und seinen Hinz&Kunzt-Ausweis in die Kamera. „Schau hier, da sieht man den Unterschied zwischen Trinker und Nicht-Trinker“, übersetzt Hinz&Kunzt-Dolmetscher Basti seine begeisterten Worte aus dem Polnischen ins Deutsche. Hinter Piotrs Maske zeichnet sich ein Lächeln ab. 15 Jahre lang war der 41-Jährige Alkoholiker, aber nach einer Entgiftung im UKE vor fast drei Jahren hat er keinen Alkohol mehr angerührt. „Es ist sehr schwer, auf der Straße zu leben und trocken zu bleiben“, sagt er. Immer wieder komme man in Versuchung.

Nicht nur auf der Straße: Auch die Großunterkünfte des Winternotprogramms meidet er deswegen. „Es ist einfach zu viel Stress. Dort gibt es zu viele Leute, die Alkohol trinken.“ Und da es in diesem Winter auch keinen der begehrten Wohncontainer für ihn und seinen Freund Mietek gab, wollten sie die kalten Monate unter ihrer Brücke verbringen. „Da kriegt man wenigstens keinen nassen Kopf“, sagt Piotr.

Diagnose: SARS-CoV-2

Doch Anfang November wacht Piotr unter dieser Brücke mit Kopfschmerzen auf, auch die Magengegend schmerzt. Im Hof von Hinz&Kunzt erzählt er wenig später Sozialarbeiter Jonas Gengnagel, dass er den Rauch seiner Zigarette nicht mehr schmeckt. „Da gingen bei mir die Alarmglocken an“, erzählt Gengnagel. Sein Verdacht: Piotr könnte sich mit dem Coronavirus infiziert haben. Die beiden gehen zum Testzentrum am Hauptbahnhof – und nach einigem Hin und Her schiebt eine Mitarbeiterin ein Teststäbchen in Piotrs Rachen. Einen Tag später steht fest: Das Testergebnis auf SARS-CoV-2 ist positiv.

„Bevor ich ins Krankenhaus kam, habe ich das nicht ernst genommen.“– Hinz&Künztler Piotr über seine Coronainfektion

Jonas Gengnagel erzählt, dass Piotr die Nachricht erstaunlich gelassen aufgenommen habe. Und Piotr bestätigt: „Bevor ich ins Krankenhaus kam, habe ich das nicht ernst genommen.“ Doch genau dort bringt den Obdachlosen gleich darauf ein Krankenwagen hin – zur Untersuchung. Da packt ihn die Angst: „Als ich dort war und die anderen Patienten gesehen habe, habe ich plötzlich gedacht: Vielleicht sterbe ich!“

So weit kommt es zum Glück nicht: Der Krankheitsverlauf ist bei Piotr ein milder, seine Symptome klingen rasch ab. Trotzdem muss er in Quarantäne. Weil das unter der Brücke schlecht möglich ist, bringt man ihn in eine Unterkunft in Langenhorn. Hier quartiert die Stadt bis zu 54 Geflüchtete und Wohnungslose ein, die sich mit Corona infiziert haben. Piotr teilt sich dort ein Zimmer mit einem Rumänen, verständigen können die beiden sich kaum. Wohl fühlt er sich dort nicht: „Ich habe keine Informationen bekommen, wie es dort abläuft“, sagt er. „Es gab nur wenig zu essen und es gab auch keinen Tee oder Kaffee, nur Wasser.“ Der Betreiber fördern und wohnen bestätigt, dass es „in der Tat mangelhafte Leistungen des Caterers, was die Qualität des Essens betraf“, gegeben habe – und gelobt Mitte November Besserung. Piotrs ­Rettung in der Not war sein Freund Basti: Er bringt ihm Nahrungsmittel in die Unterkunft und einen Wasser­kocher, damit er sich Kaffee kochen kann. „Für viele Alkoholiker ist Kaffee Ersatz­alkohol“, erklärt Basti.

Während es Piotr immer besser geht, kommt sein Plattenkumpel Mietek auf der Quarantäne-Etage des Winternotprogramms in der Friesenstraße in einem Einzelzimmer unter. „Ich habe mir große Sorgen gemacht, dass ich mich angesteckt haben könnte“, sagt der 64-Jährige. Sein Glück nach einer knappen Woche: Der Coronatest ist negativ. Er hätte danach in eine andere Etage der Unterkunft umziehen können, ins reguläre Winternotprogramm. Doch auch er ist trockener Alkoholiker und traut sich das nicht zu: „Ich habe das erste Mal mit nüchternen Augen gesehen, was da alles abgeht.“

Sicherheit im Hotel

Also wieder zurück unter die Brücke? Zum Glück klingelt etwa zeitgleich das Telefon bei Hinz&Kunzt: Das Altonaer Hotel Schanzenstern ist dran. Zwei Zimmer will man bis zum Frühjahr kostenlos für Obdachlose zur Verfügung stellen, denn ausgebucht ist hier ohnehin gerade nichts. Damit haben sie im Schanzenstern bereits Erfahrung: In der ersten Coronawelle waren hier schon mal Obdachlose untergekommen. „Wir machen das nicht, um in die Zeitung zu kommen, aber vielleicht findet die Idee ja so Nachahmer“, sagt Geschäftsführerin Gunhild Abigt bescheiden.

Piotr und Mietek können ihr Glück kaum fassen. „Hier können wir uns nicht mit Corona anstecken“, freut sich Mietek. Nach gerade mal einer Woche im Schanzenstern schmieden sie schon Pläne: Piotr will die Zeit im Hotel nutzen, um besser Deutsch zu lernen und dann im nächsten Jahr einen Job auf dem Bau zu finden. Und Mietek will mit der Hilfe von Übersetzer Basti Rente beantragen, denn er hat einige Jahre gearbeitet, in Deutschland, Polen und in den Niederlanden. Damit sie im April nicht wieder auf die Straße müssen – sondern vielleicht in eine eigene Wohnung einziehen können.

Artikel aus der Ausgabe:

Was mir Hoffnung macht

Coronapandemie, Kontaktbeschränkungen, Teil-Lockdown: Manchmal fällt es schwer, dieser Tage positiv gestimmt zu sein. Wir haben Hamburger*innen gefragt, was sie aufrecht hält. Außerdem: Eine Ideensammlung für weniger Kommerz und mehr Attraktivität in der Innenstadt und Kritik am Senat, der trotz der Pandemie an Sammelunterbringungen für Obdachlose im Winter festhält.

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Autor:in
Benjamin Laufer
Benjamin Laufer
Seit 2012 bei Hinz&Kunzt. Redakteur und CvD Digitales.

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