Kolumnistin Nefeli Kavouras und der Autor sprechen über die Bedeutung von Orten.
Till Raether sitzt schon an diesem malerischen Ort, als ich ankomme. Er hat den Platz für uns besetzt, hier in diesem Gewächshäuschen vor dem Café Tide in Ottensen. Ein wenig fühlt es sich an, als würde ich mit dem Autor in einem Zelt sitzen, noch nicht einmal die Fotografin passt mit hinein, und wir müssen aufpassen, unsere Köpfe nicht zu stoßen.
Till Raether wuchs in Berlin-Zehlendorf auf, wo es für ihn nicht besonders viel zu erleben gab. Nach jahrelanger Arbeit als Redakteur bei der „Brigitte“ beginnt er Bücher zu schreiben. Er schreibt die Krimireihe „Danowski“, Romane, Essays, Sachbücher, Kurzgeschichten – sein Output ist bemerkenswert, und als Vorbereitung zu unserem Treffen stelle ich mir vor allem eine Frage: Was hält das Werk eines Autors zusammen, der so vielfältig wie Till Raether schreiben kann?
Ich hatte Angst, meine Frage könne unhöflich daherkommen, aber Till Raether lacht zugewandt und überlegt dann. Er antwortet nicht direkt, zunächst geht es darum, wie er seine Themen findet. „Früher habe ich mir Themen gesucht, die mich auch im Leben beschäftigen. Mittlerweile interessieren mich eher die Themen, die ich auf den ersten Blick nicht ganz nachvollziehen kann“, erzählt er. Bei seinem aktuellen, im btb Verlag erschienenen, Roman „Die Architektin“, ist es mitunter die Frage nach dem moralischen Kompass. Er nimmt dafür die reale Berliner Star-Architektin Sigrid Kressmann-Zschach und spinnt um sie herum eine Geschichte aus den 1970er-Jahren über Männer, Geld und ein unverschämt hässliches Gebäude. Fast wirkt es, als hätte Raether den Roman aus Faszination für den Steglitzer Kreisel, das damals höchste Gebäude der Stadt, geschrieben.
„Es ist schon witzig, weil wir uns ja hier auf ein Getränk an einem Ort treffen, aber eigentlich finde ich den Ort immer am interessantesten“, bemerkt Raether. Wir trinken beide eine Yuzu-Limonade, die zitronig aussieht, aber nach Mandarine schmeckt. „Oft frage ich mich bei einer Geschichte: Wer würde sich an diesem Ort unwohl fühlen, oder wer würde diesen Ort besonders stark machen?“, führt Raether fort. Ich frage zurück, ob es dann die Orte sind, die sein Schreiben zusammenhalten? Er lacht wieder und sagt: „Ja, auf eine technische Art und Weise schon.“
Ich stelle zum ersten Mal fest, dass nicht das Getränk unserem Gespräch eine Atmosphäre gibt. Es sind die Orte. Und weil sich dieses Gewächshäuschen wie ein Zelt anfühlt, in dem man Geheimnisse austauschen mag, erzählen wir uns gegenseitig von den Lieblingsorten, die wir haben. Am Ende stellt Till Raether fest: „Die Limo ist eigentlich zu süß, oder?“ Den Ort empfehlen wir also, das Getränk nicht unbedingt.