Unsere Kolumnistin Nefeli Kavouras spricht mit der Autorin über ihren Debütroman „Liebe ist gewaltig“.
Ich treffe Claudia Schumacher nicht nur auf ein Getränk. Dieses Mal geht es auch um das dazugehörige Essen. Wir sitzen in der „Kleinen Pause“, wo wir über „Liebe ist gewaltig“, ihren ersten Roman (dtv) reden. Wir trinken Bier und essen Pommes – eine würdige Kombination, und Claudia Schumacher erzählt mir von den vielen Erstes-Mal-Momenten, die ihr als Debütantin passieren.
Die Autorin ist Rad gefahren, als sie zum ersten Mal die Stimme ihrer Protagonistin Juli im Kopf hatte. „Plötzlich war da diese Rotzgöre mit ihrem Galgenhumor und ihrer Lebenswut, und dann bin ich schnell nach Hause geradelt und habe die ersten Seiten geschrieben, die auch bis heute weitgehend so geblieben sind.“ Irgendwann schickte sie einen Teil ihres Manuskripts an ihren Literaturagenten, der den Text verschiedenen Verlagen anbot. „Es war das erste Mal, dass ich das, was ich so intim im stillen Kämmerlein hergestellt hatte, mit einer kleinen Öffentlichkeit teilte. Da war ich schon etwas angespannt“ Zum ersten Mal liegt also das erste Buch von Claudia Schumacher in den Buchläden und sie bekommt erste Leser:innenreaktionen von unbekannten Menschen. Zum ersten Mal also berührt die Protagonistin Juli auch andere Personen.
In „Liebe ist gewaltig“ folgen wir Juli drei Jahrzehnte lang, begleiten sie als Leser:innen durch ihre Jugend, in der ihr leistungsorientierter Vater Gewalt ausübt, erleben das duldende Schweigen der Mutter mit und Julis Versuche, sich später als Erwachsene die Deutungshoheit über ihr eigenes Leben zurückzuerobern.
Die Pommes sind fast aufgegessen, die Finger vom Fett leicht runzlig, aber das Bier noch halbvoll, also erzählt mir die Autorin von ihren ersten Erfahrungen auf Lesungen: „Ich fand es sehr schön, wie unterschiedlich die Leute waren, die danach auf mich zukamen und meinten: ‚Deine Juli, das bin ich.‘ Eine Frau hatte weiße Haare, war also nicht mehr so jung wie Juli. Es hat mich berührt, zu sehen, dass meine Romanheldin Menschen ganz verschiedener Herkunft und Altersgruppen nahe geht.“
Zum Thema häusliche Gewalt hat Claudia Schumacher viel recherchiert. Auffällig war für sie, dass der gesellschaftliche Fokus auf prekären Familiensituationen lag. Bei „Liebe ist gewaltig“ hingegen gehört die Familie dem Bildungsbürgertum an. „Eine Klassenkritik?“, frage ich die Autorin. „Ich wollte das Thema einfach wegbringen von Schlagwörtern wie ‚Alkoholikervater’ oder ‚Ehrenmord‘, denn statistisch gesehen durchzieht häusliche Gewalt sämtliche Milieus“, antwortet Claudia Schumacher.
Das Bier ist ausgetrunken und sie gesteht mir: „Der toxische Romanstoff tat mir beim Schreiben manchmal selber weh. Aber ich hatte die Hoffnung, dass ich durch meine Einfühlung aufrichtige Gefühle ins Buch stecken kann, die dann bei den Leser:innen wieder rauskommen, wie in einem magischen Akt. Wenn ich jetzt sehe, dass es aufgeht, ist das für mich das Größte.“