In Portugal waren die Bedingungen nie so, dass wir eine Firma aufbauen oder auf einen Traum hinarbeiten konnten, um irgendwann Geld zu verdienen und etwas anzusparen und um ein wirklich lebenswertes Leben zu führen. Im Jahr 2003 war Ana arbeitslos, und ich war Geschäftsführer einer Wohnungseigentumsfirma, deren Gewinne nicht ausreichten, um uns beide durchzubringen.
Deshalb entschieden wir uns, über die Zeitarbeitsfirma Atlanco nach England zu gehen. Allerdings lief dort alles anders, als uns Atlanco versprochen hatte. Wir arbeiteten in einer Fabrik, die Chicken Nuggets für McDonald’s produzierte – für einen Stundenlohn von 3,50 Pfund. Eine absolute Ausbeutung, da es unmöglich war, mit einem derart niedrigen Einkommen in England zu überleben. Wir mussten uns mit 14 Leuten eine Wohnung teilen und hatten manchmal nichts zu essen, weil uns das Geld fehlte. Wir mussten in großer Kälte fast zwei Kilometer bis zur Arbeit zu Fuß zurücklegen, weil das Geld nicht für öffentliche Verkehrsmittel ausreichte.
Wir arbeiteten fast ein Jahr für die Firma und entschieden uns dann wegen des Wetters, in den Süden nach Whitestaunton zu ziehen. Dort bot man mir an, einen Buchladen zu streichen – und damit begann unser Erfolg in England. Nach diesem ersten Job kamen noch weitere ähnliche Angebote, und 2010 gründete ich ein Sanierungsunternehmen, das von Anfang an erfolgreich lief. In der Zeit führten wir ein Leben in Wohlstand: Wir konnten die Welt bereisen, meine Frau reiste jeden Monat nach Portugal um ihre Mutter zu besuchen und zu versorgen, und wir mieteten sogar ein großes Haus mit Garten in Whitestaunton. Dann aber wurde bei meiner Frau Tuberculose diagnostiziert, und wir mussten zurück nach Portugal ziehen. Ana brauchte Sonne und Wärme, und der Arzt sagte, wir seien in dem perfekten Land geboren worden, um ihre Krankheit zu kurieren. Ich wollte sie nicht allein zurückgehen lassen, also entschied ich, mit ihr zu gehen. Aus der Entfernung konnte ich meine Firma unmöglich aufrechterhalten, also gab ich alles auf.
Es war schwer, England zu verlassen, aber da wir fast 80.000 Euro angespart hatten, hätte ich nie gedacht, dass unser Leben zu einem solchen Alptraum werden würde. Als wir in Baixa da Banheira, einem kleinen Dorf in der Nähe von Lissabon, wo unsere Familie lebt, angekommen waren, war unser Plan, eine Jeansfirma aufzubauen. Aber ein Freund und Geschäftspartner von uns stahl all unser Geld, und die einzige Lösung war, so schnell wie möglich Arbeit zu finden, denn sonst hätten wir nicht mal genug Geld gehabt, um Essen zu kaufen.
In seiner Heimat gab es für Paulo keine Arbeit
Da fing der Alptraum an. Erschüttert musste ich feststellen, dass es in meinem Land keine Arbeitsstelle für mich gab. Nach sechs Monaten fand ich endlich eine Stelle in einer Autofabrik, bei der ich 700 Euro pro Monat verdiente. Ich musste Überstunden machen, denn sonst hätte ich nicht genug verdient, um Nahrungsmittel, Miete und Rechnungen bezahlen zu können.
Ana fand keine Arbeit, also absolvierte sie einen zweijährigen Kosmetikerinnen-Lehrgang, den sie im letzten September abgeschlossen hat, aber sie verdient jetzt nur 140 Euro im Monat. Für ein Jahr hatten wir weniger als 1000 Euro pro Monat zur Verfügung. Es war sehr schwierig, aber wir haben es geschafft, davon unsere Rechnungen zu bezahlen, uns zu ernähren, und uns manchmal sogar einen Kaffee für 60 Cent zu gönnen.
Wir klagten über unser Leben und dachten daran zurück, wie glücklich wir mit unserer Firma in England gewesen waren, aber dann wurde alles noch schlimmer. Im Januar habe ich meine Arbeit verloren, und wir leben nun von den 140 Euro, die meine Frau im Monat verdient. Ich habe die Arbeitslosenunterstützung beantragt, die mir zusteht, und die Sozialversicherungsbehörde sagt immer, wir bekommen das Geld so schnell wie möglich. Aber die Wahrheit ist, dass wir in der Zwischenzeit essen müssen..
Als Paar mit weniger als 1000 Euro pro Monat in Portugal zu leben, ist wirklich schwierig. Wenn wir auch nicht gelebt haben, so haben wir in der Lage wenigstens überlebt. Jetzt haben wir nur zu essen, weil meine Mutter und meine Großmutter uns helfen, und weil unser Vermieter uns gesagt hat, wir sollen ihm die Miete erst dann zahlen, wenn wir können – und auch, weil ich ein Mann bin, der niemals aufgibt. Ich versuche immer, kleine Jobs zu finden, bei denen ich 100 oder 200 Euro für Strom, Wasser und ähnliches verdiene.
Eine eigene Geschäftsidee verwirklichen, Kinder, Reisen – schöne Dinge, die für Paulo und Ana unerreichbar sind
Was erwarten wir von der Zukunft? Ich hoffe, dass es besser wird, dass die Regierung mir meine Unterstützung zahlt, und dass wir wieder genug Geld für Essen haben, ohne dass wir auf die Hilfe anderer angewiesen sind. Ich hoffe, dass ich die Chance bekomme, in Portugal eine Sanierungsfirma aufzubauen, mit der ich genauso großen Erfolg habe wie in England. Ich hoffe, dass meine Frau eine Stelle als Kosmetikerin findet. Ich habe niemals die Hoffnung verloren, aber es ist unglaublich traurig, zugeben zu müssen, dass mein Land seinem Volk niemals Möglichkeiten geboten hat, zu wachsen und etwas wirklich Gutes auf die Beine zu stellen. Die Krise verschlimmert sich, und wir hören immer nur von Kürzungen. Ich finde, die Politiker sollten nicht vergessen, dass sie über Menschen sprechen, die Gefühle haben.
Erzähl mir nichts von Startup-Unternehmen, erzähl mir nichts von Kindern, erzähl mir nichts vom Reisen… Zeigt mir erst mal Bedingungen und Wege, die es mir möglich machen, all diese Dinge zu verwirklichen. All diese Dinge sind wunderschön – es sind Dinge, von denen ich einst geträumt habe, die aber heute vollkommen unerreichbar für mich sind. Diese Politiker bringen uns um. Die Menschen sind auf die Hilfe der Regierung angewiesen, aber die Regierung denkt nur darüber nach, wie sie an Geld kommt, um ihre Schulden zu begleichen.
Ich möchte die Hoffnung nicht verlieren. Ich möchte den Politikern Portugals etwas mitteilen: Schneidet dem Volk nicht die Luft ab! Ohne die Menschen habt Ihr keine Chance, das Land zu retten. Gebt ihnen trotz der Schulden die Möglichkeit, zu arbeiten und erfolgreich zu sein.
Protokoll: Sofia da Palma Rodrigues/Street News Service
Foto: Goncalo Portugues