Oh Happy Day!

Kaum zu glauben: Hinz&Künztlerin Ulla Asante ist 70 geworden. Im Gospelchor von Toto Lightman zeigt sie, worauf es ihr im Leben ankommt: die Verbindung von Körper, Geist — und Musik. Happy Birthday, Ulla!

(aus Hinz&Kunzt 226/Dezember 2011)

Wenn Ulla Asante im Gospelchor singt (oben), dann kommt es nicht auf die perfekte Singstimme an. Wichtiger sind ihr Energie und die Freude an der Musik.

Der erste Auftritt? Ulla erinnert sich noch genau. Hafengeburtstag 2002, Menschen schieben sich vom Fischmarkt bis zum Baumwall, genießen den Blick auf die Elbe, drängen an Fressbuden oder stoppen vor einer der Musikbühnen. Die größte steht direkt gegenüber von den Landungsbrücken, hier kommt jeder Gast mindestens einmal vorbei. Und genau hier soll Ullas Traum endlich wahr werden: Einmal vor großem Publikum auf der Bühne stehen. „Das wollte ich schon als kleines Mädchen“, sagt die Hinz&Künztlerin, die am 24. November ihren 70. Geburtstag feierte.


Kurz vorm Auftritt
bekommt Ulla plötzlich Bammel. Ihr Gospelchor existiert erst seit ein paar Monaten. Ulla fühlt sich unsicher, kommt sich mit ihrem bunten Afrika-Tuch um die Schultern „wie ein Bauerntrampel“ vor. „Ich hatte schreckliches Lampenfieber“, erinnert sie sich. Sie tippt Chorleiter Toto Lightman an und flüstert: „Ich muss die Augen zumachen. Ich traue mich nicht, in diese Menschenmenge zu schauen.“ Doch dann kommen die ersten Takte von „Oh Happy Day“, und Ulla blüht auf.

„Alle Energie und alle Freude, die mir die Gospelmusik bereitet, waren wieder da.“ Ulla tanzt und springt ausgelassen über die Bühne, dreht sich, verausgabt sich, steckt mit ihrer Lebensfreude Chormitglieder und Publikum gleichermaßen an. Wenn mal eine Textzeile nicht sitzt – egal. „Da habe ich mich irgendwie durchgemogelt.“

Aber das ist es ja auch, was ihr im Gospelchor so gut gefällt. „Es kommt nicht auf die perfekte Singstimme an“, sagt sie, „sondern auf die Verbindung von Körper, Geist und Musik. Im Gospelchor wird mein Körper zum Instrument, alles Gute, was in mir steckt, tritt nach außen.“KENN

Beim Afrikafestival fing alles an

Toto Lightman nickt. Der 47jährige Pianist und Musiker sitzt neben Ulla in der Schule Altonaer Straße, gleich beginnen hier unter seiner Leitung die wöchentlichen Gospelchorproben – nur eins seiner vielen Musikprojekte. Toto wächst in Kamerun auf, begeistert sich früh für Musik – auch wenn das Geld für „echte“ Instrumente fehlt. „Wir haben einfach auf Töpfen und Schrott getrommelt.“ In der Schule bringt er sich selbst Keyboardspielen bei, gewinnt 1986 einen Wettbewerb und damit eine Reise in die USA. „Das hat mich so beeindruckt, dass ich mehr von der Welt sehen wollte.“

Toto Lightman leitet in Hamburg einen Gospelchor.

Zurück in Kamerun trifft er bei einem Auftritt ein Touristenpaar aus Hamburg. „Die waren von meiner Musik so begeistert, dass sie mich nach Deutschland einluden.“ Toto fliegt noch im selben Jahr nach Hamburg – und bleibt. Mit seiner Fröhlichkeit und Energie, seiner musikalischen Vielfalt findet er schnell ein großes Publikum. „Ich musste nie Werbung für Projekte oder Auftritte machen.“ Ulla und er lernen sich Anfang der 90er-Jahre während eines Afrikafestivals im Stadtteil Altona kennen. „Seine Musik, seine Lyrik und sein Auftreten haben mich sofort angesprochen“, sagt Ulla.

Sie ist damals bereits in der Hamburger Afrika-Szene unterwegs, hatte schon als Kind vom afrikanischen Kontinent geschwärmt. Als Jugendliche liest und lernt sie viel, vor allem über die Völker Westafrikas, besucht als junge Frau alle Afrikafestivals in Hamburg und besucht regelmäßig die Gottesdienste der afrikanischen Gemeinde. „Durch das gemeinsame Beten und Singen wurde ich in die Gemeinschaft aufgenommen“, sagt die gläubige Christin. „Wir sind jetzt eine Familie. Für immer.“

Schon bei ihrer ersten Begegnung mit Toto erkennt sie sein Potenzial als Musiker und Chorleiter, hilft ihm bei seinen Auftritten, verteilt Flyer. Ihr gefällt seine Einstellung: „Er ist nicht arrogant, sondern großzügig und hilfsbereit. Er spielt auch kostenlose Konzerte für Arme und Bedürftige.“

Bis zur Gründung des Gospelchors Ende 2001 vergehen dann aber noch einige Jahre, in denen es Ulla psychisch sehr schlecht geht: Sie hat sich in einen Mann aus Ghana verliebt, doch bevor die beiden heiraten können, wird ihr Verlobter abgeschoben, der Kontakt bricht ab. Im selben Jahr verliert sie ihre Wohnung und landet auf der Straße. Erst als sie mithilfe eines anderen Ghanaers nach langer Zeit Kontakt mit ihrem Verlobten aufnimmt, bekommt sie ihr Leben wieder in den Griff, verkauft Hinz&Kunzt und findet eine Wohnung, in der sie bis heute lebt.

Text: Maren Albertsen
Foto: Cornelius M. Braun