Von Leid und Leistung: Meyer-Burckhardt hat einen Roman über einen geschassten Manager geschrieben. Ein guter Anlass, mit ihm zu sprechen – über sein Buch, seine Familie, Wünsche und Erfolg.
(aus Hinz&Kunzt 217/März 2011)
Hubertus Meyer-Burckhardt ist ein Mann, dem scheinbar alles gelingt: Er hat als Topmanager in der Werbung, in Verlagen und als TV-Produzent Karri-ere gemacht. Den Grimme-Preis hat er bekommen, in der Jury für den Deutschen Fernsehpreis saß er einige Zeit. Daneben moderiert er mit Barbara Schöneberger die NDR-Talkshow und unterrichtet als Professor an der Hamburg Media School. Eigentlich könnte er zufrieden sein. Was ihm fehlt? Ein eigenes Buch. Fünf Jahre lang hat der 54-Jährige daran geschrieben. Häufig in gestohlener Zeit zwischen 22 und 2 Uhr, am Wochenende oder im Urlaub. Anfang März erscheint „Die Kündigung“.
Hinz&Kunzt: Warum erzählen Sie in Ihrem Buch gerade die Geschichte eines gekündigten Managers?
Hubertus Meyer-Burckhardt: Der Wunsch, ein Buch zu schreiben, existierte schon seit Jahren, aber mir fehlte eine Idee. Dann sprang mich ein Thema an: Was bleibt von der Person ohne die berufliche Funktion? Meine Beobachtung ist, dass sich heute mehr Menschen denn je durch ihre Funktion definieren. Der starke Wettbewerbsdruck in unserer Gesellschaft führt dazu. Ich glaube, dass es den Menschen hilft, ein bestimmtes Geländer zu haben, an dem sie sich festhalten können. Bei Managern ist dieses Phänomen so weit fortgeschritten, dass es sich gut eignet für einen Roman.
Schöpfen Sie aus eigener Erfahrung als Vorstand in großen Medienunternehmen? Sie finden wenig freundliche Wort für die Welt der Manager.
Es sind nicht meine Worte, es sind die Worte des Helden. Ich bin nicht meine Hauptfigur Simon Kannstatt. Er geht zunächst mit sich selbst sehr hart ins Gericht. Dann tut er etwas, das die meisten Menschen als sehr extrem und riskant empfinden würden. Er lässt sich fallen in sich selbst. Meine Vermutung ist: Das abenteuerlichste Land, das Sie betreten können, sind Sie selbst.
Gehen Sie selbst regelmäßig in sich?
Sie können kein Buch schreiben, wenn Sie diese Welt nicht betreten. Das ist ein sehr intimer Prozess und natürlich habe ich das gemacht. Ich finde es phänomenal, dass es als fast frivol gilt, wenn jemand sagt: Ich mache nur das, was ich möchte. Die häufigste Antwort ist: „Ja, du kannst es dir auch leisten.“ Das muss sich jeder leisten, und ich habe es mir geleistet.
Was haben Sie sich geleistet?
Den Wünschen nachzugehen, die ich ans Leben hatte.
Welche waren das?
Das Leben so zu gestalten und zu führen, wie ich es möchte.
Haben Sie sich das erkämpft?
Erarbeitet, erkämpft ist ein bisschen zu dramatisch. Ich wusste immer, was ich vom Leben will. Einen großen Wunsch zu haben, ist doch nicht frivol. Ich rede hier nicht von erotischen Abenteuern, sondern wie man so leben kann, dass man dicht an sich dran ist. Und Simon Kannstatt, der Protagonist, ist ganz am Ende, so wie es ein Alkoholiker ist. Einem Alkoholiker kann man nur helfen, wenn er ganz tief in der Gosse ist. Seine Droge war die Entstellung der Person zugunsten der Funktion.
Sie haben viele Dinge in Ihrem Leben ausprobiert. Stimmt es, dass Sie schon mit 16 Jahren Kunst und Kommerz verbinden wollten?
Ja, ich habe mir immer Berufe vorgestellt, in denen man das verbinden kann. Galerist, Produzent, Buchverleger. Der Gedanke, künstlerisch tätig zu sein, war bisher bei mir nicht ausgeprägt. Ich bin wohl eher ein Möglich-Macher.
Kommt Ihre Leidenschaft für Kultur aus Ihrem Elternhaus?
Ich bin in der Provinzstadt Kassel, ohne Vater und ohne Geld aufgewachsen, meine Mutter war berufstätig im Altersheim. Zum Theater habe ich mich schon immer sehr hingezogen gefühlt. Weil wir kaum Geld für Reisen hatten, musste ich sozusagen innerhalb Kassels verreisen und habe dazu das Staatstheater Kassel genutzt. Eine raue, schöne, unbekannte Welt.
Neben dem Tanz spielt in Ihrem Roman die Musik eine wichtige Rolle. Gilt das auch für Ihr Leben?
Musik ist mir absolut überlebenswichtig. Ich bin ein alter Leser des „Rolling Stone“, des Kampfblattes der in die Jahre gekommenen Rock’n’Roller und fühle mich dieser Lebenswelt sehr nahe. Ich habe relativ wenig bürgerliche Gene in mir.
Dafür haben Sie aber eine sehr bürgerliche Karriere in leitender Position gemacht oder mehrere vielleicht sogar.
Wenn ich an einer bürgerlichen Karri-ere, wie Sie es nennen, großes Interesse hätte, wäre ich bestrebt gewesen, sie zu erhalten. Dann wäre ich in großen Konzernen geblieben. Jetzt bin ich ganz froh, mich nicht mit Bilanzpressekonferenzen oder Aufsichtsratssitzungen beschäftigen zu müssen. Mein Respekt vor Vorständen in börsennotierten Unternehmen ist aber immens groß. Der Druck, den sie aushalten müssen von Presse und Investoren, ist enorm. Wird häufig nicht gesehen.
Ist das nicht verständlich aus der Sicht der weniger Begüterten?
Nein, die Leute gehen begeistert zum Fußball und jubeln Spielern zu, die fünf oder sechs Millionen Euro bekommen. Dabei ist der gesellschaftliche Beitrag von Ruud van Nistelroy sicher geringer als der eines Vattenfall-Managers. Ich finde, das ist eine völlig verschobene Sicht auf die Dinge.
Würden Sie Ihr Buch gern verfilmen?
Wenn ein Produzent es mit einem Autor seiner Wahl machen möchte: herzlich gern. Ich komme dann zur Premiere. Ich mache das, was ich mir von allen Autoren wünsche: Lasst die Produzenten machen.
Möchten Sie noch ein Buch schreiben?
Das wäre das Schönste, was ich mir vorstellen kann.
Wann machen Sie das? Brauchen Sie keine Auszeit?
Nein, ich erhole mich sehr schnell. Die klassischen Urlaubsziele interessieren mich nicht so. Ich fliege 200 Mal im Jahr. Mich interessieren andere Dinge. Tokio, mit dem Auto durch Alaska fahren.
Sie haben das Buch Ihrem Sohn gewidmet. Hat er sich gefreut?
Ja, er ist 19 und lebt in Dänemark. Er ist wie sein Vater kein großer Schollenmensch. Wir haben eine sehr enge Vater-Sohn-Beziehung. Das zweite Buch wird meiner Tochter gewidmet. Die ist jünger und deswegen kommt der junge Mann auch zuerst.
Sind Sie ein guter Vater?
Wer will das beurteilen? Ich bin ein sehr liebevoller Vater, der seinen Kindern sehr viel Zeit widmet. Ich bin ein getrennt lebender Vater und gehöre zu denen, die sehr bemüht sind, den Schaden, der durch die Trennung entsteht, so gering wie möglich zu halten.
In dem Buch geht es nur um die männliche Perspektive. Warum sollten Frauen „Die Kündigung“ lesen?
Mein Buch ist ein Angebot an Frauen, sich der männlichen Seele nicht euphorisch, aber mutig, sensibel und tapfer zu nähern. Vielleicht entsteht daraus ja das eine oder andere Gespräch mit dem Partner? 80 Prozent der Frauen aus meinem Bekanntenkreis, die sich trennen, sagen: „Er arbeitet zu viel, er kann nicht reden, er kann nicht streiten.“ 80 Prozent der Männer sagen: „Ich möchte nicht jeden Abend diskutieren.“ Es ist eine Unvereinbarkeit, von wenigen Ausnahmen abgesehen.
Frustriert Sie das?
Nein, die Unberechenbarkeit des Lebens ist etwas sehr Schönes. Ich habe nur aufgehört, es verstehen zu wollen. Ich akzeptiere es als mal berührende, mal unterhaltsame, wetterwendische Emotion.
Interview: Sybille Arendt
Foto: Cornelius M. Braun