DSDS-Gewinner Mehrzad Marashi

Mehrzad Marashi hat vor knapp einem Jahr die Castingshow „Deutschland sucht den Superstar“ gewonnen. Jetzt will er ohne Bohlen und Co als Künstler durchstarten.

(aus Hinz&Kunzt 216/Februar 2011)

Mehrzad_Marashi
Mehrzad Marashi lacht gern und viel. Sich selbst nimmt er nicht allzu ernst, die Arbeit an seiner Karriere dafür umso mehr.

Gewerbegebiet Poppenbüttel: zwischen Logistikzentrum und Architekturbüro ein schmuckloser Bau. Kein Glamour, kein Vergleich zum Scheinwerferlicht, in dem Mehrzad Marashi noch vor zehn Monaten live im Fernsehen zu sehen war. Da wurde der 30-jährige Hamburger vom Fernsehpublikum zum deutschen „Superstar“ gekürt.
Das hat ihn berühmt gemacht, aber nun nerven ihn der Titel und die Erwartungen, die dazu gehören: „Es war eine schöne Zeit“, sagt er über die Castingshow „Deutschland sucht den Superstar“ (DSDS). „Aber ich bin Mehrzad!“, betont er. Und: „Ich hätte es auch ohne DSDS geschafft, nur hätte es länger gedauert.“ Wie vor der Show lebt Marashi mit seiner Frau Denisse und ihrem gemeinsamen Sohn Shahin in einer Zweieinhalb-Zimmer-Wohnung in Farmsen.
Die Geburt seines Sohnes, sagt er, hat einen „reiferen Mann aus mir gemacht“. Die Schwangerschaft seiner Freundin sei der Anlass gewesen, zum DSDS-Casting zu gehen. „Mir wurde klar: Wir bekommen ein Kind, jetzt muss schnell was klappen.“ Dass er mit Musik sein Geld verdienen will, wusste er da längst. Wie das klappen soll, nicht so genau. Lange hätte er sich abhalten lassen, sich auf die Musik zu konzentrieren. „Alle haben gesagt: Lass mal lieber.“
Seine Familie verließ 1986 Teheran, wo Mehrzad Marashi und seine Geschwister zur Welt kamen. Im Iran war der Vater während der Schahzeit Offizier beim Militär. „Wir sind geflüchtet, weil wir nicht zum Regime gehörten.“ In Hamburg bauten die Marashis sich ein neues Leben auf. Der Vater war selbstständig und erwartete von seinen Kindern, dass sie sich anstrengen: „Ihr sollt die Möglichkeiten nutzen, die ihr hier habt“, hat er immer gesagt.
Mehrzad machte sein Fachabitur. Er studierte vier Semester lang – Gesang und Musik – und brach ohne Abschluss ab, „aus finanziellen Gründen“.
Er ging Handfesterem nach: Im Hotel Atlantik kellnerte er, im Callcenter verkaufte er Bezahlfernsehen-Abos, er war Türsteher auf dem Kiez. „Ich war auch in allem gut.“ Doch er ging nicht darin auf. Das Telefonieren schmiss er hin, da hatten sie ihn zum Teamleiter befördert. Im Atlantik brachte er es zum Oberkellner – und kündigte. Und die Türsteherei war nie sein Ding. „Ich dachte: Was machst du hier eigentlich? Diskutierst die ganze Nacht und machst dir Feinde. Dabei bist du eigentlich für Harmonie und Luft und Liebe.“
Marashi eröffnete eine Karaoke-Bar in Billstedt. „Das lief anfangs gut“, sagt er. Dann kam ihm – Ironie des Schicksals – die Musik dazwischen. 2006 stellte er eine Aufnahme des „Dirty Dancing“-Hits „She’s like the wind“ ins Internet. „In einer Woche wurde das 1,4 Millionen Mal geklickt. Ein totaler Hype.“ Zwei Plattenfirmen meldeten sich, wollten mit ihm das Lied groß rausbringen. Es ging schief – weil Marashi seine Vorstellungen von der Zusammenarbeit hatte, die Plattenfirmen andere. Er tingelte mit der Nummer durch Discos, Bars und Hotels. „Ich habe 2000 Euro pro Auftritt bekommen. Das war für mich viel Geld.“ Doch er habe „vor allem eine gute Show“ machen wollen: „Ich hatte alle dabei: Musiker, Beatboxer, Rapper.“ Hatte er die bezahlt, blieb ihm kaum mehr als eine Aufwandsentschädigung. Als Fehlschlag mag er das aber nicht sehen. Denn er hat gemerkt: „Es ist machbar mit der Musik.“ Nun wollte er es unbedingt. Als seine Karaoke-Bar pleite ging, suchte Marashi sich – folgerichtig – keinen neuen Job: „Ich wusste: Wenn ich voll arbeite, kann ich nicht auch noch ernsthaft Musik machen.“
Als Marashi sich beim DSDS-Casting der Jury um Dieter Bohlen vorstellte, war er Hartz-IV-Empfänger. Zu Hause wartete seine schwangere Freundin. Die Geschichte war gut. Nur hatte ein anderer eine bessere: Menowin Fröhlich, mit dem Marashi erst bestens bekumpelt war, bevor sie zu Rivalen wurden. „Ich erinnere mich genau“, so Marashi. „Menowin kam zu mir und sagte: Du, ich werd das Ding gewinnen. Ich hab die beste Geschichte. Ich komm aus dem Knast und so. Und ich dachte: ,Da hat er eigentlich recht.“
Tatsächlich machte Fröhlich mächtig Schlagzeilen mit seinem Vorstrafenregister. Marashi dagegen präsentierte sich als Saubermann. Für viele der emotionale Höhepunkt der siebten DSDS-Staffel: Marashis Heiratsantrag an seine Freundin während der vorletzten Mottoshow. Denisse saß wie Marashis Vater, Mutter, Geschwister, Tanten und Onkel bei jeder Show im Studio. Fröhlich und Marashi marschierten durch sämtliche Ausscheidungsshows, bis sie sich im Finale gegenüberstanden. Mehrzad Marashi siegte – weil er 100 Prozent gegeben hat, glaubt er. „Ich hatte, und da bin ich schon stolz drauf, nicht einen Texthänger. Ich war immer pünktlich, ich hab immer abgeliefert.“
Ausgiebig wurde der neue Superstar gefeiert. Doch kaum war das Konfetti aus dem Studio gefegt, schlug ihm ein anderer Wind entgegen: „Das erste halbe Jahr ist alles gut. Die Medien pushen dich. Dann ist die Show vorbei. Und dann tönen plötzlich dieselben Leute: Man hört gar nichts von dem. Aus dem ist nichts geworden!“
Für den Herbst 2010 wurde eine Deutschland-Tour angekündigt – und wieder abgesagt, weil „der Vorverkauf nicht den Erwartungen entsprochen hat“, so die Veranstalter. Hallen mit bis zu 5000 Plätzen wurden gebucht, die Tickets sollten um die 30 Euro kosten. „Ich würde das niemals erlauben, dass die Karten für meine Konzerte so teuer verkauft werden. Aber damals war ich euphorisch und hab nur gesagt: Super. Machen wir.“ Eine bescheidenere Clubtour durch ausgewählte Städte wäre ausverkauft gewesen, da ist er sicher.
Die obligatorische Zusammenarbeit mit Dieter Bohlen ging für Marashi nach zwei Singles zu Ende – aus Ungeduld, sagt er. „Ich warte ungern. Ich möchte mit Ideen direkt ins Studio.“ Mit Bohlen, der auch etliche andere Projekte habe, sei das nicht gegangen.
Marashi hat im Herbst ein paar Songs aufgenommen, deutschsprachiger R’n’B, „weil ich gerne deutsch singe“. Nur: Niemand will die Lieder veröffentlichen. „Wir haben echt gute Songs gehabt, aber die Plattenfirmen haben sich quergestellt. Die Leute würden mich mit Englisch kennen.“ Marashi gibt klein bei: „Damit muss ich leben.“
Er hat jetzt seine eigene Produktionsfirma, die Mehrzad Marashi Productions GmbH. Er ist ein ambitionierter Mann. „Mein Vater sagt immer: Egal, was du werden willst, wenn du Müllmann werden willst, okay, aber dann werd der beste Müllmann.“
Vaters Sohn will als Künstler ernst genommen werden, „obwohl ich bei DSDS gewonnen habe“. Gleichzeitig bastelt er an Plan B. In Poppenbüttel hat er nicht nur ein Ton-, sondern auch ein Tanzstudio aufgebaut. Bald soll es losgehen mit Kursen von Breakdance bis Pilates. Ob der Plan aufgeht, steht für ihn nicht zur Debatte. Zurzeit verhandelt er mit dem HVV. Denn die nächste Bushaltestelle ist zu Fuß gut zehn Minuten vom Studio entfernt. Marashi will durchboxen, dass der HVV seine Buslinie etwas umleitet.
Irgendwann will er das Gebäude, in dem er sein Studio hat, kaufen und dort auch noch eine Musikschule einrichten. „Du musst groß denken, um an hohe Ziele zu kommen. Harte Arbeit lohnt sich.“ Aber sie ist eben auch hart. Da wird der 100-Prozent-Mann plötzlich ganz ruhig. „Ich bin oft echt kaputt“, sagt er. „Und ich möchte am liebsten immer bei meinem Sohn sein.“ Aber das sei eben nicht drin. „Ich habe ja bisher noch nichts geschafft. Ich kann’s mir nicht leisten, nach Hause zu gehen.“

Text: Beatrice Blank
Foto: Cornelius M. Braun

Mehrzad Marashi ist einer von 150 Künstlern, die bei „Hamburg live meets Classic“ mit den Hamburger Symphonikern auftreten, Samstag, 26. Februar, O2-World, Tickets 28,50 – 58,50 Euro. Wir verlosen zwei Mal zwei Karten unter allen, die sich bis zum 18. Februar per E-Mail ( info@hinzundkunzt.de ) oder per Post (Altstädter Twiete 1–5, 20095 Hamburg), Stichwort „Hamburg live meets Classic“, bei uns melden. Viel Glück!

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