Neues Weiß für Hamburgs Schwan: Alle fünf Jahre muss die Cap San Diego zum Schiffs-TÜV. Zum Hafengeburtstag wurde Hamburgs weißer Frachter bei Blohm + Voss wieder fit gemacht.
(aus Hinz&Kunzt 219/Mai 2011)
Eine steife Brise fegt Spritzwasser über den Kai. Elbabwärts türmen sich Regenwolken. Plötzlich brechen Sonnenstrahlen durch die Wolkendecke, das Tuten eines Containerdampfers übertönt die Möwen. Mehr Hamburg geht nicht. An Deck hält Jens Weber sein Gesicht in den Wind. Für den Geschäftsführer der Cap San Diego ist das hier nicht nur ein Arbeitsplatz. „So ein Schiff hat eine Seele, das ist nicht nur ein Stück Eisen“, sagt der 54-Jährige. „Wenn du dich am Ende eines langen Tages an die Wasserseite stellst, die Sonne geht unter und du holst tief Luft, dann fällt jede Anstrengung von dir ab.“
Solche Momente braucht Jens Weber. Er muss oft viele Aufgaben gleichzeitig bewältigen: Im März musste das Schiff für zwei Wochen ins Schwimmdock von Blohm + Voss, um für 1,2 Millionen Euro neu gestrichen und gewartet zu werden. Auch wenn die Cap San Diego seit 1986 vor allem Restaurant, Hotel, Schiffsmuseum und Theater ist: Der 1961 gebaute Frachter ist das größte zivile, noch fahrtüchtige Museumsschiff der Welt. Alle Teile an Bord funktionieren, vom Lastkran bis zur Ladeluke. Bis in die 80er-Jahre fuhr die Cap San Diego die Route Hamburg – Südamerika, so wie ihre fünf Schwesterschiffe, die man aufgrund ihrer Form und Farbe „Die weißen Schwäne des Südatlantik“ nannte.
Dass die Cap San Diego heute immer noch fährt, verdankt sie vor allem ehrenamtlichen Helfern: 45 pensionierte Matrosen, Ingenieure und Schiffszimmerer halten das Schiff an zwei Tagen die Woche in Schuss, und nicht etwa mit lockerem Herumwerkeln. „Das ist richtig Arbeit“, sagt Jens Weber. Der Einsatz der Ehrenamtlichen begann 1986, als die Cap San Diego knapp vor dem Verschrotten gerettet wurde. Heute sticht der Frachter noch zehn Mal im Jahr in See, nach Kiel und Cuxhaven, Rendsburg und Wismar.
Mit Stückgutfrachtern wie der Cap San Diego kennt Jens Weber sich aus. Seit 1977 fuhr er auf solchen Schiffen zur See, zuletzt als Kapitän – von Jakarta bis Singapur, von New York bis Hongkong. Oft war er für das Be- und Entladen zuständig, musste Lokomotiven und VW Käfer, Rinderhälften und Fisch verladen. „Man konnte die Ware sehen, man konnte sie riechen“, sagt er. Außerdem musste er darauf achten, dass kein Platz verschwendet und trotzdem alles korrekt gelagert wurde. „Kaffee durfte nicht neben Tee, schmutzige oder ölige Sachen durften nicht neben Felle“, sagt Weber. „Ladungsoffizier sein hieß puzzeln. Das war eine tolle Aufgabe.“
Seit den 80er-Jahren verlor die Schifffahrt für Weber ihren Reiz: Containerschiffe verdrängten die Stückgutfrachter, die Liegezeiten verkürzten sich, man bekam nur noch die großen Containerhäfen zu sehen. „Früher lagen wir in Sydney in Sichtweite der Oper“, sagt Weber. „Wer heute mit einem Containerschiff festmacht, wird sofort von Kränen überfallen. Nach ein paar Stunden kommt eine E-Mail, in der steht, was jetzt an Bord ist. Das war nichts für mich.“ Er orientierte sich um, arbeitete 18 Jahre lang als Abfertigungsleiter bei der HHLA und wechselte dann vor sechs Jahren auf die Cap San Diego. „Da schließt sich ein Kreis.“
Das gilt auch für Klaus Kunze. Der 71-Jährige im roten Overall ist einer der freiwilligen Helfer auf der Cap San Diego. Heute ist sein 2017. Arbeitstag an Bord, verkündet er mit einigem Stolz: „Ich bin hier der Dienstälteste.“ Schon auf der fünften Fahrt der Cap San Diego, im November 1962, war der gelernte Schiffselektriker mit von der Partie. „Das waren damals die schönsten Schiffe, da wollte jeder drauf fahren“, erzählt er. Zwei Monate lang fuhr Kunze auf der Cap San Diego, dann wechselte er auf andere Frachter.
Die Cap San Diego sah Kunze erst 1986 wieder. „Da kamen mir die Tränen, weil sie so ein Schrotthaufen war“, sagt er. Seitdem ist er als Ehrenamtlicher an Bord, verlegt Kabel und Leitungen, muss wegen fehlender Ersatzteile oft improvisieren. Er kennt das Schiff wie seine Westentasche. Und wenn er bei einer der Fahrten mit hinausfährt, schläft er immer noch in seiner alten Koje. Mit nur einem Unterschied: Heute muss er selbst sein Bett machen. Kunze schmunzelt. „Früher gab es dafür den Steward.“
Text: Hanning Voigts
Foto: Cornelius M. Braun