Aus einem leerstehenden Altenheim in Ottensen wird eine Winter-Notunterkunft für Obdachlose. Bis zum Frühling sollen dort 40 ältere Personen, Frauen und Paare wohnen. Die Eigentümer finden: Diese Zwischennutzung von Leerstand kann ruhig Schule machen.
„Das war ein Synapsen-Kurzschluss, den auch jeder Andere hätte haben können“, findet Jörg Lindner. Der Geschäftsführer der kirchlichen Evabau-West kam als Erster auf den Gedanken, das Rumond-Walther-Haus für Obdachlose herzurichten. „Aber eigentlich habe ich die Idee nur als Erster ausgesprochen“, sagt er bescheiden. „Das lag einfach in der Luft.“
Ein leerstehendes Altenheim als Unterkunft für Obdachlose: Diese einfache Idee haben Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) und Bischöfin Kirsten Fehrs am Montag der Öffentlichkeit vorgestellt. Insgesamt 40 Obdachlose sollen ab sofort in dem zweistöckigen Backsteinbau untergebracht werden. Das Haus am Klopstockplatz in Ottensen steht seit zwei Wochen leer, die Bewohner sind nach Osdorf umgezogen. Im Frühjahr wird das Gebäude abgerissen, um Platz für ein neues Pflegeheim zu machen. Um eine sinnvolle Zwischennutzung zu ermöglichen, stellt der Kirchenkreis Hamburg-West/Südholstein der Stadt bis dahin das Haus mietfrei zur Verfügung – die Stadt muss nur Heizung und Betriebskosten zahlen.
Bischöfin Fehrs: „Kleine Wunder erledigen wir sofort.“
Sozialsenator Scheele zeigte sich von diesem „außerordentlich großzügigen Angebot“ der Kirche erfreut. „Ich bin erleichtert, dass wir hier jetzt eine weitere Unterkunft haben“, sagte er. „Damit können wir ein bisschen Luft in der Spaldingstraße schaffen.“ Die zentrale Schlafstelle des Winternotprogramms sei mit 220 bis 230 Gästen pro Nacht momentan praktisch ausgelastet. „Das ist schon nah an der absoluten Grenze“, räumte Scheele ein. Deshalb sei es gut, wenn Frauen, ältere Menschen und Paare jetzt im Rumond-Walther-Haus unterkommen könnten.
Bischöfin Kirsten Fehrs zeigte sich ebenfalls zufrieden mit der guten Zusammenarbeit. „Wir handeln nach dem Motto: Kleine Wunder erledigen wir sofort“, sagte sie. Die Zusammenarbeit mit der Sozialbehörde sei gut und unbürokratisch verlaufen. Jetzt könne das ehemalige Altenheim „warmen Raum in kalter Zeit“ bieten, so Fehrs. Unterstützt wurde das Projekt auch von Marten Gerecke, der für die Pflegediakonie Hamburg-West/Südholstein das ab Frühjahr entstehende Pflegeheim leiten wird. „Das hier sollte ein Ansporn für andere Hausbesitzer sein, die Leerstand haben“, sagte er. „Die sollten sich bei der Sozialbehörde melden. Es geht ganz leicht.“
Die 21 Zimmer im Rumond-Walther-Haus bieten einen Komfort, der in Obdachlosen-Unterkünften selten ist: Die Zwei-Bett-Zimmer sind vollständig möbliert, jedes Zimmer hat einen Kleiderschrank und ein eigenes Badezimmer – und die Bewohner dürfen sich auch tagsüber im Gebäude aufhalten. Die Betreuung der Obdachlosen übernimmt ein Mitarbeiter von „Fördern und Wohnen“, allerdings nur mit einer halben Stelle. Die Anwohner haben nach den Worten der Kirchenvorstands-Vorsitzenden Christiane Winter nichts gegen die neuen Nachbarn einzuwenden: „Auch die Eltern der Kindergartenkinder von nebenan finden das positiv“, sagte sie. „Bis jetzt haben wir noch kein negatives Wort gehört.“
Noch vor Weihnachten will der Senat das Winternotprogramm weiter entlasten: In der Unterkunft Bargteheider Straße in Wandsbek sollen 60 weitere Plätze geschaffen werden. Sie sind für Menschen gedacht, die derzeit in der Spaldingstraße schlafen, aber Anspruch auf reguläre Unterbringung haben – etwa deutsche Staatsbürger oder Ausländer, die durch Arbeit einen Anspruch auf Sozialleistungen erworben haben.
Text: Hanning Voigts
Fotos: Mauricio Bustamante