Eigentlich wollte sich Ivar Buterfas zur Ruhe setzen. Doch dann gab er sein Erspartes der Dresdner Bank, die versprach, es sicher anzulegen. Das ging schief. Ivar Buterfas verschob den Ruhestand – und holte sich sein Geld zurück.
(aus Hinz&Kunzt 206/April 2010)
Er war drei Mal zu Gast beim Papst. Die Schmidts, Helmut und Loki, saßen nicht nur einmal bei ihm unten im Keller an der Theke. Er war dicke befreundet mit Max Schmeling: Ivar Buterfas aus Hamburg. Umtriebig, hartnäckig, nicht kleinzukriegen: „Ich war 20 Jahre aus der Öffentlichkeit nicht wegzudenken“, sagt er. Er steht auf und legt im Kamin Holz nach. Funken stieben. Er setzt sich wieder. 77 Jahre ist er jetzt alt.
Dass er einmal so bekannt wird, war nicht vorgezeichnet, als er im Januar 1933 in Hamburg geboren wird. Sein Vater ist Jude, seine Mutter Christin, die sich nicht scheiden lässt. Sie versteckt sich mit den acht Kindern zunächst in Polen, dann bis Kriegsende in Hamburg, während der Vater erst in Schutzhaft kommt, danach ins KZ, es überlebt. Ivar Buterfas bleibt in der Stadt, auch wenn der von den Nazis zum Staatenlosen erklärte bis 1961 alle Vierteljahre zur Ausländerbehörde muss, um sich die Aufenthaltserlaubnis in den Fremdenpass stempeln zu lassen: „Das war nach dem Judenstern die zweite Diskriminierung, die ich erfahren habe.“
Was ihm hilft, all das zu bestehen, ist, die Jugend aufzuklären über das, was ihm in der Nazizeit und danach geschah: Etwa wie der Standesbeamte noch im Jahr 1955 von seiner künftigen Frau einen Ariernachweis verlangte, weil ihr Geburtsname „Frankenthal“ so wenig deutsch klinge. Er schreibt all das auf: „Ich habe 463 Städte bereist und aus meinen beiden Büchern gelesen“, sagt er: „Manchmal hab ich in Sälen vor 2000 Schülern gesprochen.“
Nun will sich Ivar Buterfas eigentlich langsam zur Ruhe setzen. Aber erst muss noch etwas erledigt werden – sein Fight mit der Dresdner Bank. Dabei wollte er mit der nie etwas zu tun haben. Aus der Geschichte heraus, auch aus seiner familiären: „Mein Großvater väterlicherseits hatte in Dresden eine Zigarettenfabrik. Die wurde 1936 von den Nazis beschlagnahmt; viel zu gering geschätzt auf 100.000 Reichsmark. Und von den 10.000 Reichsmark, die er gekriegt hat, haben die noch 4000 Reichsmark Judenfluchtsteuer einbehalten. Und wer war bei diesen Sachen damals mit vorne an? Die Dresdner Bank!“ Ivar Buterfas packt wieder einmal der Zorn.
Doch genau diese Bank tritt in sein Leben, da ist er schwer krank, kämpft mit dem Krebs, gilt als austherapiert: „Da regeln Sie alles, was Sie regeln können“, sagt er wie nebenher. Der Agen-
turinhaber der Allianz-Versicherung kündigt sich an, der er seit Jahrzehnten vertraut. Der will jemanden mitbringen, einen Kollegen. Na ja, soll er den mitbringen.
Allein, der Kollege ist nicht von der Allianz, er ist von der Dresdner Bank: „Ich war plötzlich wieder hellwach und gesund, als ich das mitkriegte“, erzählt Buterfas. Er konfrontiert den Bankberater mit der Vergangenheit seines Arbeitgebers in der NS-Zeit und will von einem Geschäft nichts wissen. Doch sein Gegenüber lässt nicht locker. Und außerdem: Die Dresdner Bank gehöre jetzt zur Allianz. „Ich erlahmte langsam – na, und dann machte ich einen Vorschlag: keine Aktien, kein Risiko. Das Geld wird konservativ angelegt! Und alles bitte schriftlich, in drei verständlichen Sätzen abgefasst.“ Nach nur vier Tagen findet er die Unterlagen im Briefkasten vor. Es geht um 150.000 Euro.
Gut zehn Monate später sieht Ivar Buterfas im Fernsehen, wie eine gewisse Bank namens Lehman Brothers in New York ihre Büros räumt. Er ruft bei der Dresdner an, will mal hören, was ist. Und erfährt, dass er 64 Prozent seiner Einlagen verloren habe, die in Aktien stecken würden: gut 80.000 Euro. „Nee, Ihre Bank hat Geld verloren, meine Anlage ist dagegen konservativ, also sicher, hab ich schriftlich“, erklärt Buterfas dem Mann. Der stammelt etwas von einem Urknall, der die ganze Welt erfasst habe. Buterfas holt tief Luft: „Ich hab dem nur noch gesagt: Sie satteln jetzt Ihr schnellstes Dresdner Pferd, das bei Ihnen im Stall steht, und galoppieren mit der Kohle hierher! Und dafür gebe ich Ihnen genau zweimal 24 Stunden. Den Weg kennen Sie ja.“
Natürlich kommt der Reiter nicht. Buterfas nimmt sich einen Anwalt, viele Telefonate und Briefe folgen: Erst will ihm die Bank 50 Prozent des Verlustes erstatten; dann 70 Prozent, schließlich alles. Nur unterschreiben soll er, dass er niemandem davon erzählt. Da ist man bei ihm natürlich an der richtigen Adresse. Er unterschreibt selbstverständlich nicht und bekommt sein Geld komplett zurücküberwiesen.
Vielleicht hätte er nun alles auf sich beruhen lassen, da melden die Zeitungen, dass verschiedene Manager der Bank trotz aller Verluste ihre Boni einklagen wollen: in Höhe von 250 Millionen Euro. Vielleicht hätte er nichts Weiteres unternommen, hätte ihn die Bank nicht noch mal angerufen.
Ivar Buterfas spielt jetzt auf dem Sofa sitzend das bisher letzte Telefongespräch mit verstellten Stimmen nach: die des Managers leicht nuschelig, während seine Stimme erst ganz sachlich klingt, später dann kraftvoll dröhnt: „Ja, hier Dresdner Bank … Soundso vom Vorstand … Herr Buterfas, ist doch wunderbar gelaufen, mit Ihrem Geld. – Wunderbar gelaufen? Sie sind die größten Verbrecher, wo gibt! Einen todkranken Mann beschupsen wollen! – Herr Buterfas, was sind Sie böse! – Hab ich dem erklärt, dass ich überhaupt nicht böse bin, aber dass in meinem kommenden Buch ein wunderbares Kapitel über seine Bank vorgesehen sein wird. Sagt der doch glatt: Ja, wie können wir denn Ihr Buch verhindern? – Und ich: Sagen Sie, haben Sie einen Knall?“ Buterfas schüttelt den Kopf, fasst sich wieder: „Um die Sache abzukürzen, hab ich ihm einen Vorschlag gemacht: Ihre Bank und ich, wir teilen uns die Boni! Meine Frau hat mich gefragt: Warum lachst du dich so kaputt am Telefon?“ Buterfas lässt jetzt sein kehliges Lachen ertönen, fährt sich übers Kinn: „Da war das Gespräch natürlich beendet.“
Also macht er weiter. Hat alles für sein neues Buch aufgeschrieben, das er gerade juristisch prüfen lässt: „Ich lasse mich nicht zum Schweigen zwingen“, so der Arbeitstitel. „Nächste Woche gehen wir zum Staatsanwalt, ich und mein Anwalt“, sagt er, und seine Stimme wird nun kräftig und klar: „Dann verklagen wir den Vorstand der Bank und den Bankberater, der mich so beschupsen wollte.“ Eine Musterklage wird es werden: „Ein Präzedenzfall, da wird ganz Europa hinschauen“, ist er sich sicher. Er steht auf, legt Holz nach: „Ich will einfach, dass die Banker endlich zur Vernunft kommen.“ • XNiP: CPP4
Rund 50.000 Menschen haben durch die Bankenkrise mit ihren Lehman-Zertifikaten insgesamt 750 Millionen Euro verloren. Der Kampf um eine Entschädigung ist für die
geprellten Bankenkunden eine große Belastung. „Man muss als geschädigter Kunde gnadenlos um sein Recht kämpfen und den Banken klarmachen, dass man auch vor
einer Klage nicht zurückschreckt“, sagt
Gabriele Schmitz von der Verbraucherzentrale Hamburg. „Dann sind die Chancen auf eine Entschädigung nicht schlecht. Allerdings sollte man vorher prüfen lassen, ob
eine Klage Aussicht auf Erfolg hat.“ Diese Überprüfung bieten die Verbraucherzentralen an. Ob allerdings die Gesamtsumme erstattet wird, hängt auch vom jeweiligen Kreditinstitut ab. Einige Banken wie die Citibank haben offizielle Vergleichsregelungen getroffen, Banken wie die Sparkasse Hannover haben alle Betroffenen pauschal mit 50
Prozent der Verlustsumme entschädigt. „Die Haspa entschädigt nach Gutdünken, mal zahlt sie die gesamte Summe, mal nur zehn Prozent. Das ist nicht nachvollziehbar“, kritisiert Gabriele Schmitz. Und gerade die Dresdner Bank, gegen die Ivar Buterfas
seine Ansprüche durchgesetzt hat, gilt als
besonders kundenunfreundlich: „Hier hilft nur, standhaft zu bleiben.“