Am Flughafen können abgelehnte Asylbewerber nun bis zu vier Tage festgehalten werden. Die Diakonie kritisiert den so genannten Ausreisegewahrsam scharf.
Am Flughafen gibt es jetzt einen Abschiebeknast für Menschen, die von Hamburg aus ausgewiesen werden sollen. Es ist bundesweit die erste Einrichtung dieser Art. Erklärtes Ziel von Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) ist es, die Zahl so genannter Rückführungen von abgelehnten Asylbewerbern zu erhöhen.
Hamburg werde Flüchtlinge, die ihrer Ausreisepflicht nicht nachkommen, konsequent abschieben, sagte Innenstaatsrat Bernd Krösser bei der Eröffnung des „Ausreisegewahrsams“ am Vormittag. Die Betroffenen können nach richterlicher Anordnung ein bis vier Tage vor ihrer geplanten Abschiebung in der umzäunten Einrichtung festgesetzt werden.
Kritik von Diakonie und Flüchtlingsbeauftragter
Die Diakonie Hamburg kritisierte die Einrichtung massiv: „Wir halten das für europa- und verfassungsrechtlich bedenklich“, sagte Vorstand Gabi Brasch bereits bei der Vorstellung der Pläne.
Was am neuen Abschiebegwahrsam am Airport „bedenklich“ ist, sagt @DiakonieHH -Vorstand Gabi Brasch – https://t.co/xbTXVqSU5k pic.twitter.com/JRG9WASpio
— Kirche Hamburg (@kirchehamburg) 24. Oktober 2016
Die Flüchtlingspastorin der Nordkirche Dietlind Jochims sagte, von den Abschiebungen seien auch Menschen betroffen, die jahrelang in Deutschland lebten und gut integriert seien. „Wenn von Ausreisegewahrsamseinrichtungen die Rede ist, heißt das im Klartext Abschiebung und Abschiebehaft“, sagte Jochims.
Hamburg wird konsequent abschieben– Staatsraat Bernd Krösser
Insgesamt sind 20 Plätze in Containern eingerichtet worden, 15 für abgelehnte Asylbewerber aus Hamburg, fünf für solche aus Schleswig-Holstein. Jeder der 14 Quadratmeter großen Container verfügt über ein Bad mit WC und Waschbecken. Die Unterbringung in der Einrichtung erfolgt getrennt nach Frauen, Männern und Familien. 40.000 Euro zahlt die Stadt monatlich dafür, so die „taz“. Betreiberin ist das Einwohnerzentralamt, zu der auch die Zentrale Ausländerbehörde gehört.
Erster #Ausreisegewahrsam Deutschlands am @HamburgAirport betriebsbereit. #Hamburg #Flüchtlinge #Abschiebung /fr pic.twitter.com/OOIV77r37n
— Radio HH Reporter (@RHH_Reporter) 21. Oktober 2016
Zum Hintergrund: 2014 hatte der Europäische Gerichtshof die Unterbringung abgelehnter Asylbewerber in normalen Gefängnissen verboten, weil dies gegen die Menschenwürde verstößt. Die Betroffenen müssten in speziellen Einrichtungen untergebracht werden.
Dank einer Neuregelung im Aufenthaltsgesetz (Paragraph 62b) haben Bundesländer die Möglichkeit, einen „Ausreisegewahrsam“ zu betreiben, um bestehende Ausreisepflichten durchzusetzen. Und zwar immer dann, wenn eine richterliche Anordnung in Fällen vorliegt, in denen, „die Ausreisefrist erheblich überschritten wurde und der Betroffene ein Verhalten gezeigt hat, das erwarten lässt, dass er die Abschiebung vereiteln wird.“
Demo gegen Abschiebungen nach Afghanistan
Für Sonnabend, 22. Oktober, haben Abschiebungsgegner zu europaweiten Demonstrationen gegen Abschiebungen nach Afghanistan aufgerufen. In Hamburg startet die Demo, zu der unter anderem das Netzwerk Recht auf Stadt und der Hazara Volks- und Kulturverein Hamburg aufrufen, um 12 Uhr am Hachmannplatz.
Demo gegen Abschiebungen
Anlass ist das Anfang Oktober zwischen EU und Afghanistan geschlossene Abkommen zur Rückführung abgelehnter Asylbewerber. Darin ist von „sicheren Zonen“ in dem Bürgerkriegsland die Rede, in die Flüchtlinge zurückkehren könnten. „Das eigentlich Unvorstellbare droht einzutreten: die Abschiebung von Geflüchteten in ein Land, in dem Krieg und Terror herrschen“, kritisiert die flüchtlingspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Christiane Schneider.
Vor dem #Airport in #Hamburg gegen gepl. #Abschiebeknast #nodeportation #Abschiebungenstoppen #kmii #hh2003 pic.twitter.com/rfTFzVg2hQ
— (((Kival))) (@KivalLara) 20. März 2016
Sammelabschiebungen drohten, vor allem alleinstehende Männer müssten offensichtlich zeitnah mit ihrer Abschiebung rechnen. „Gegenwärtig werden rund 300 Einzelfälle dahingehend geprüft, inwieweit diese die Voraussetzungen für eine Rückkehr nach Afghanistan erfüllen“, bestätigt Norbert Smekal, der Leiter der Ausländerbehörde auf Nachfrage von Hinz&Kunzt. In den vergangenen 12 Monaten waren keine Menschen aus Hamburg nach Afghanistan abgeschoben worden.