Gleicher Job, halbes Gehalt: Leiharbeiter sind die Tagelöhner der Moderne. Für Arbeitgeber sind sie vor allem ein gutes Geschäft.
(aus Hinz&Kunzt 217/März 2011)
HAUPTSTADT DER LEIHARBEIT
In keiner deutschen Stadt müssen so viele Menschen als Leiharbeiter ihr Geld verdienen wie in Hamburg. 30.700 Zeitarbeiter zählte die Bundesagentur für Arbeit (BA) im November 2010, gut 3000 mehr als zwei Jahre zuvor (neuere Zahlen liegen nicht vor, Red.). Damit gibt es in Hamburg mehr Leiharbeiter als in Berlin (27.900) oder München (19.260). „Durch Leiharbeit wird zunehmend reguläre Arbeit in den Betrieben ersetzt“, so Uwe Grund, Hamburger Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Der DGB fordert, dass Leiharbeiter den gleichen Lohn bekommen sollen wie die fest angestellten Kollegen des Betriebes, in dem sie eingesetzt werden.
WENN DER LOHN ZM LEBEN NICHT REICHT
Nach Berechnungen des DGB verdienen Leiharbeiter im Schnitt nur die Hälfte dessen, was „normale“ Angestellte bekommen. Das Durchschnittseinkommen eines Vollzeit-Leiharbeiters betrage 1400 Euro im Monat, das eines regulär Beschäftigten 2800 Euro. Jeder achte Leiharbeiter ist infolge von Armutslöhnen auf ergänzendes Arbeitslosengeld angewiesen.
ERSTE KLAGEN VON ARBEITNEHMERN
Vor allem Leiharbeiter, die nach Tarifverträgen der sogenannten Christen-Gewerkschaften bezahlt wurden, mussten oft Hilfe vom Staat beantragen. Sie haben nun vielfach die Chance, Geld vor dem Arbeitsgericht einzuklagen. Da das Bundesarbeitsgericht die Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) für nicht tariffähig erklärt hat, steht ihnen rückwirkend für drei Jahre der Lohn zu, den Beschäftigte in den Betrieben bekommen haben, in denen sie eingesetzt waren. Laut der Gewerkschaft verdi haben die ersten 20 Hamburger Leiharbeiter ihre Klage bereits eingereicht, rund 10.000 aus mehr als 100 Unternehmen haben nach Einschätzung von verdi die Möglichkeit dazu.
H&M: MISSBRAUCH VON LEIHARBEIT?
Derweil hat verdi die Modekette H&M ins Visier genommen. Laut Gewerkschaft sind im Durchschnitt 500 der 1500 Beschäftigten im Logistikzentrum Neuallermöhe Leiharbeiter. Es gebe „eine Zweiklassenbelegschaft im Betrieb“: Die Stammbelegschaft verdient laut verdi mindestens 11,77 Euro die Stunde, Leiharbeiter hingegen bekommen nur 7,51 Euro.
H&M erklärte auf Nachfrage, der Anteil der Leiharbeiter im Logistikzentrum habe 2010 „zwischen 5 und 30 Prozent“ geschwankt. Eine aktuelle Zahl nannte die Modekette nicht. Der Stundenlohn für Leiharbeiter liege inzwischen bei mindestens 7,60 Euro die Stunde. Jede zweite frei werdende Stelle werde mit einem Leiharbeiter besetzt.
Text: Ulrich Jonas