Schon als Kind nervte sie ihre Eltern, weil sie ständig die Wohnung umräumte. Constanze Köpp hat ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht. Sie hilft Menschen, ihre vier Wände in ein „beseeltes“ Zuhause zu verwandeln. Regelmäßig macht sie Hausbesuche bei Menschen mit schmalem Geldbeutel. Für diese Einsätze hat sie ein eigenes Projekt gegründet.
(aus Hinz&Kunzt 204/Februar 2010)
Etwas verlegen steht Torsten Fischer in der Tür des Kinderzimmers seiner Töchter. Seinen Gast, die Wohnkosmetikerin Constanze Köpp, trifft fast der Schlag, als sie in den Raum tritt. Das Zimmer der Mädels ist wie ein gefundenes Fressen für die Wohnungsexpertin: Der Boden liegt voll mit Klamotten, kaum einen Fuß vor den anderen kann man hier setzen, das Hochbett, das direkt hinter der Tür steht, scheint jeden Besucher förmlich zu erschlagen. Auch die Balkontür lässt sich nicht öffnen – das Zimmer ist einfach zu voll.
„Wir wollten schon oft etwas machen, besonders meine Frau“, sagt Torsten, „aber uns fehlen einfach die Inspirationen, wir räumen immer nur im Kreis.“ Zudem fehlt einfach die Zeit. Da Torsten und Peggy beide in Vollzeit arbeiten und sich um vier Kinder kümmern müssen, ist Stress vorprogrammiert. Eine volle Kasse gibt es bei den Fischers trotz der zwei Jobs nicht. „Ich gehe lieber arbeiten, als wieder in den Hartz-IV-Kreislauf zu geraten“, sagt Torsten und nimmt dafür, genau wie seine Frau, ein geringes Gehalt in Kauf. An allen Ecken und Enden muss gespart werden, Geld für eine Wohnkosmetik haben die Fischers nicht.
Trotzdem hat sich Constanze Köpp auf den Weg zu den Fischers nach Alt-Wilhelmsburg gemacht. Mutter Peggy (36) und ihr Mann Torsten (40) sowie die vier Kinder Daniel (17), Jacqueline (14), Kim (10) und Leon (8) teilen sich hier eine Wohnung von etwas mehr als 100 Quadratmetern. Diese so schön wie möglich zu gestalten, daran sind Peggy und Torsten in den vergangenen Jahren regelmäßig gescheitert, und genau das ist Constanzes Job.
Und kaum eine halbe Stunde nach Torstens kurzer Führung durch die Wohnung sitzen Kim und Jacqueline konzentriert auf dem Boden und räumen diesen nach und nach frei. Penibel sortieren sie aus und packen weg.
Um das Zimmer zu verschönern, muss der Boden frei und betretbar sein, erklärt Constanze Köpp den beiden Mädchen und sorgt so für bisher unbekannten Elan beim Aufräumen. Sie hat schon nach kurzer Zeit das geschafft, wofür die Eltern der Kinder seit Langem vergeblich kämpfen.
Räume liegen der 40-Jährigen am Herzen, genau wie die Menschen, die sich darin wohlfühlen sollen. Durch Verrücken, Verschieben, Drehen, Wenden und Aussortieren versucht sie, das Optimale aus den Gegebenheiten zu machen. Wände reißt sie nicht ein, und sie bringt auch keine neuen Möbel oder Accessoires mit. Ihr ist wichtig, dass die Atmosphäre in Wohnungen und Häusern, Zimmern und Räumen stimmt, damit es den Bewohnern gut geht. Sie sagt: „Sobald man ein Zimmer betritt, fühlt man die Seele dieses Raumes.“ Und dieser Seele muss es gut gehen.
Bei den Fischers mag es derzeit wie Kraut und Rüben aussehen, aber sie sind im Grunde ein leichter Fall für Constanze Köpp. Da hat sie schon Härteres erlebt: Die perfekte und adrette Chefsekretärin, die zu Hause im Chaos lebt und nur darauf wartet, dass am nächsten Tag die Arbeit wieder beginnt. Die Single-Frau, die nicht weiß, warum es kein Mann in der Wohnung aushält. „Und dann ist da alles pink und pretty, auf dem Bett sitzen zig Puppen.“ Oder das Paar mit der supergestylten Wohnung, in der man aber fröstelt. „Ich frag manche auch direkt, ob in diesem Schlafzimmer überhaupt noch Verführung stattfinden kann.“
So wie sie sich jetzt mit den Kindern hinsetzt, ausmistet und Möbel schiebt, tut sie das auch mit der Chefsekretärin, der Single-Frau oder dem Paar. Loslassen ist das Zauberwort. „Gerade arme Menschen haben oft nicht wenige Möbel, weil sie viel geschenkt bekommen, was andere ohnehin entsorgen würden. Aber es sind Geschenke, die nicht immer zu ihnen passen. Die Scham abzulehnen ist leider oft groß.“
Constanze Köpp nennt sich zwar Wohnkosmetikerin, aber sie selbst lebt auch nicht in einer hypergestylten Wohnung. „Eine Wohnung muss Seele haben, und sie muss ein Ausdruck der Menschen sein, die darin wohnen.“ Deswegen räumt sie bei anderen zuerst „irgendwelche austauschbaren Ikea-Bilder“ weg. „Ich bevorzuge Dinge, die nicht austauschbar sind, wie ja auch der Mensch nicht vom Fließband kommt.“
Ihre Empfehlung: Schaut Zeitschriften durch und sucht euch ein schönes Bild aus, das euch persönlich gefällt. Kauft euch auf dem Flohmarkt dazu einen netten Rahmen. Kauft oder erschnorrt Tapeten- oder Stoffreste und rahmt sie ein. Und schon habt ihr etwas Individuelles, was ganz auf euch zugeschnitten ist.
Auch den achtjährigen Leon hat jetzt das Aufräumfieber gepackt. Constanze Köpp sei Dank. Sie rückte seinen kleinen Schreibtisch und seine Kommode zurecht, drehte sie und schaffte so auch in seinem Zimmer mehr Platz und mehr Luft. Das animierte Leon zum Weitermachen: Er hat sich nun an seine Schulordner gemacht.
Währenddessen schwitzt Vater Torsten im Mädchenzimmer. Das sieht schon allein durch das Aufräumen deutlich besser aus. Der Tisch soll jetzt noch umgestellt und auch die Betten sollen verrückt werden – so war Constanzes Idee. Das Hochbett soll weg von der Zimmertür und die gefühlte Enge verschwinden.
Stunden später: Mutter Peggy wird von ihren stolzen Töchtern durch die Tür ins Kinderzimmer geführt – und staunt. „Wahnsinn!“ Und auch der 40-jährige Torsten ist begeistert: „Es ist einfach viel freundlicher, viel heller, und da das Hochbett jetzt woanders steht, geht man in ein offenes Zimmer.“
Jacqueline und Kim fühlen sich sichtlich wohl und spüren gleich, wie die „Seele des Raumes“ durch einige beherzte Handgriffe „geheilt“ wurde. Sofort nachdem das Zimmer einen letzten Check durch Constanze bestanden hat, schmeißen sich die Mädchen in ihre neu positionierten Betten, schnappen sich Bücher und fangen in aller Ruhe an zu lesen.
Die Wand wirkt zwar noch etwas kahl, aber die Poster sollen noch umgehängt werden. Dennoch ist der Raum schon jetzt viel gemütlicher und einladender. Von dem Trubel, der noch vor wenigen Minuten im Zimmer herrschte, ist bereits nichts mehr zu bemerken. Im Rest der Wohnung verändert die Wohnexpertin nur Kleinigkeiten. „Die Wohnung hat Atmosphäre und ist mit einfachen Mitteln schön gemacht, und es herrscht kein Chaos“, analysiert sie. Torsten muss daraufhin zugeben, dass er die Tage vor ihrem Besuch mächtig geschuftet hat, um Ordnung in das Wohnzimmer zu bringen, und dass es nicht immer so schön ausgesehen hat. Constanze verbucht Torstens Einsatz im Vorfeld als Erfolg, obwohl sie nicht beteiligt war.
Überhaupt hat ihr Besuch bei den Fischers etwas losgetreten. Sobald er das Geld habe, um seine Bohrmaschine aus dem Leihhaus auszulösen, will Torsten sich auch an das Eltern-Schlafzimmer machen. Constanze riet, das Bett anders zu stellen, um den Platz besser zu nutzen. Ihre Tipps möchte er auf eigene Faust umsetzen, um den Wohlfühl-Faktor noch mal zu erhöhen. „Constanze ist in Bezug auf Wohnungen ein Profi“, lobt er, „und da holt man sich gerne Tipps ab. Das ist wie beim Kochen, da lernt man auch nie aus.“
Dennoch scheint Torsten Fischer dem Frieden und der Ordnung, die jetzt nach Constanzes Einsatz in der Wohnung herrschen, nicht zu trauen. Wie lange das Kinderzimmer wohl so ordentlich bleibt? Das trotzige „Lange, Papa!“ von Tochter Jacqueline klingt zumindest ziemlich überzeugend.
Text: Andreas Pröpping, Birgit Müller
Foto: Mauricio Bustamante