Frank (50) verkauft seit 2008 Hinz&Kunzt bei Edeka im Hofweg. Seit Neuestem hat er dabei auch eine Gitarre im Gepäck.
(aus Hinz&Kunzt 215/Januar 2011)
Frank schreit. Vor Begeisterung. Denn Musik liegt in der Luft: Gerade hat ein großzügiger Spender warme Kleidung bei Hinz&Kunzt vorbeigebracht – dazu außerdem eine alte Gitarre. Nun ist die Frage, welcher Verkäufer das Instrument bekommen soll. „Ich, bitte!“, ruft Frank. So laut und flehend, bis er das gute Stück schließlich tatsächlich in den Händen hält. Und schon sieht Frank sich klampfend und singend auf der Straße stehen, dazu ein fröhliches Lächeln im Gesicht: „Das wäre wirklich ein Traum.“
Grund zum Lächeln hat der 50-Jährige sonst selten. Angesprochen, ob er eine schöne Kindheitserinnerung hat, kommt wie aus der Pistole geschossen: „Nächste Frage!“ Gleichzeitig betont Frank, dass er auf keinen Fall auf die Tränendrüse drücken möchte: „Ich mache niemanden für mein Leben verantwortlich“, sagt er. „Außer mich selbst.“
Franks Mutter ist starke Alkoholikerin, stirbt später auch an ihrer Sucht, sein Stiefvater, ein Seemann, trinkt ebenfalls. „Wenn der nach Hause kam, gab’s regelmäßig Prügel.“ Zwischendurch werden Frank und seine Geschwister abwechselnd in Heimen oder auch bei Verwandten untergebracht, „ein Zuhause hatten wir nie“.
Mit 16 zieht Frank nach Bremen, beginnt dort eine Maurerlehre, bricht sie wieder ab, gerät schließlich in die Drogenszene. „Geklaut habe ich aber nie“, sagt Frank. „Ich habe immer irgendwelche Jobs gehabt.“ 1990 nimmt er an einem Methadonprogramm teil, kommt so von den Drogen los. Ein paar Jahre läuft alles rund, doch dann gibt es in dem Haus, in dem er lebt, immer öfter Probleme mit den anderen Bewohnern: „Viele von denen waren gewalttätige Junkies und Alkoholiker.“
Aber Geld für eine andere Wohnung hat Frank nicht. Dann stirbt auch noch einer seiner Brüder an Aids. Frank braucht Abstand, flieht nach Hamburg, landet auf der Straße. Über Mundpropaganda hört er von Hinz&Kunzt, fängt 2008 als Verkäufer bei Edeka am Hofweg an. Seit vergangenem Oktober lebt er in einer Notunterkunft der Diakonie in Niendorf, kann dort wahrscheinlich aber nur bis März bleiben: „Der Gedanke daran, was danach kommen soll, versaut mir jetzt schon den Tag.“
Entsprechend bescheiden sind Franks Zukunftswünsche: „Ich suche einen Platz zum Wohlfühlen, an dem ich meine Ruhe habe. Das kann auch der Südpol sein. Oder der Mars.“ Hauptsache, die Gitarre kommt mit.
Hinz&Kunzt: Wer oder was imponiert dir?
Frank: Gandhi – wegen seiner absoluten Gewaltlosigkeit.
H&K: Was macht dich traurig?
Frank: Dass die Leute an den Schaltstellen der Macht oft nur ihre eigene Gier befriedigen. Gleichzeitig wird in allen sozialen Bereichen gespart.
H&K: Was ist dein Lieblingsbuch?
Frank: „Der Steppenwolf“. Oder andere Bücher von Hesse. Zum Beispiel „Narziss und Goldmund“. Und ich liebe das Anfangszitat von „Demian“: „Ich wollte ja nichts, als das zu leben versuchen, was von selber aus mir herauswollte. Warum war das so sehr schwer?“
Text: Maren Albertsen
Foto: Mauricio Bustamante