Künstler von Beruf – meist undenkbar für Menschen mit geistiger Behinderung. Anders bei der Ateliergemeinschaft Die Schlumper. Hier gestalten 24 „schwer Begabte“ gefragte Kunstwerke für ein festes Gehalt. Fotograf Dmitrij Leltschuk hat sie porträtiert.
(aus Hinz&Kunzt 215/Januar 2011)
Alles so schön bunt hier! Tongtads Klamotten sind mit roter Farbe vollgekleckst, den rosafarbenen Pinsel hält er vor seinen Mund und fragt vergnügt: „Marmelade?“ Sein Arbeitsplatz im Atelier der Schlumper am Neuen Kamp auf St. Pauli ist ebenfalls rosarot – die Wände, der Fußboden, einfach alles. Auch seine Kollegen greifen oft zur bunten Farbpalette, wenn sie malen und zeichnen. Die zurzeit 24 Schlumper sind Künstler durch und durch. Und sie sind geistig behindert oder psychisch erkrankt. Ihre Werke strahlen Lebendigkeit und Fröhlichkeit aus, sie sind schamfrei, unverstellt, ungeplant – und vor allem sind sie einfach gut.
„Schwer begabt“, so empfinden sie sich deshalb nicht nur selbst, so bezeichnen auch zahlreiche Kunstliebhaber die Schlumper. Denn die Werke der Künstler werden mittlerweile auch bei Ausstellungen im Ausland gezeigt. „Manche größere Arbeiten verkaufen sich für 1000 bis 2000 Euro, eins ging sogar mal für 8000 Euro weg“, erzählt Anja Borgardts, die seit sechs Jahren als Diplom-Pädagogin bei den Schlumpern arbeitet.
Startschuss für die Schlumper war 1984, als sich eine Gruppe von Künstlern mit unterschiedlichen Behinderungen um den Hamburger Künstler Rolf Laute sammelte. Als Sohn des Verwaltungsleiters in den damaligen Alsterdorfer Anstalten – heute Evangelische Stiftung Alsterdorf – gestaltete er Anfang der 80er-Jahre gemeinsam mit den Heimbewohnern ein Gebäude. Das künstlerische Talent seiner Mitstreiter beeindruckte ihn dabei so sehr, dass er auch weiterhin mit ihnen arbeiten wollte. In einer Außenstelle der Alsterdorfer Anstalten richtete er deshalb gemeinsam mit ihnen ein provisorisches Atelier ein – direkt am Schlump, daher auch die Bezeichnung „Schlumper“. Später stellte sich heraus, dass das Wort „Schlump“ laut dem Grimm’schen Wörterbuch aber auch „unvermuteter Glücksfall“ bedeutet. „Witziger Zufall, oder?“, fragt Anja Borgardts und lacht.
Mithilfe des Fördervereins „Freunde der Schlumper“ und der Behörde für Gesundheit und Soziales entstand 1993 das Projekt „Schlumper von Beruf“. Seitdem haben Künstler hier einen festen Arbeitsplatz. Sie werden wochentags jeden Morgen von ihren betreuten Wohngemeinschaften oder Wohnungen ins Atelier gebracht und bekommen monatlich ein festes Gehalt. Ihre Kunst ziert unter anderem Plakate und Plattencover, die Werke werden aber auch an Filmleute und Fotografen entliehen oder von privaten Sammlern und öffentlichen Einrichtungen gekauft. Seit Anfang 2002 gehören die Schlumper bei der Evangelischen Stiftung Alsterdorf zum Bereich Alsterarbeit.
Für Schlumper wie Malte Kaiser ist das Atelier aber viel mehr als ein Arbeitsplatz. „Nur beim Malen spüre ich geistige Freiheit“, sagt er. Auch die restlichen Schlumper nutzen das Atelier nicht nur als Werkstatt, sondern gleichzeitig als Begegnungsstätte und Kontaktbörse. Die Betreuer lassen die Künstler dabei selbstständig arbeiten, genau so, wie diese es wollen: Therapeutische oder pädagogische Ansätze gibt es nicht. „Es geht uns darum, die Kreativität jedes Einzelnen zu bestätigen und zu fördern“, erklärt Anja Borgardts und fasst noch einmal zusammen: „Es geht um die Kunst. Punkt.“
Galerie der Schlumper: Alte Rinderschlachthalle, Neuer Kamp 30, Eingang B, Öffnungszeiten: Mi–Fr, 16–19 Uhr, Sa 11–17 Uhr, Telefon 43 25 42 70, www.schlumper.de.
Text: Maren Albertsen