Blumen und Kerzen in der Ottenser Hauptstraße erinnern an einen Bettler. Vergangene Woche starb Sergey – es ist bereits der 17. Todesfall auf der Straße in diesem Jahr.
Viele Menschen in Ottensen trauern um ein vertrautes Gesicht in ihrem Stadtteil: Am 7. November verstarb Sergey, der viele Jahre lang schräg gegenüber des „Mercado“ auf der Straße saß, um Geld für seinen Lebensunterhalt zu sammeln. An seinem „Sitzplatz“ an einem Laternenpfahl auf der Ottenser Hauptstraße legten in den Tagen nach Bekanntwerden von Sergeys Tod Anwohner:innen Blumen ab, zündeten Kerzen an, schrieben Karten, hinterließen persönliche Zeilen auf einem Beileidsposter oder hielten still Andacht.
Auch Hinz&Kunzt-Autor Jochen Harberg, der in Ottensen wohnt, kannte Sergey durch viele kleinen Begegnungen: „Ich habe ihn noch an seinem Todestag gesehen. Sergey sprach nie ein Wort, hatte aber eine total gütige Ausstrahlung. Er kommunizierte immer mit seinen warmen Augen und liebevollen Gesten und schien aufrichtig dankbar für jede:n, der ihn wahrnahm.“
Harberg lernte beim Trauerbesuch an der kleinen Gedenkstätte sogar Sergeys Sohn Nico kennen – die in Harburg lebenden Angehörigen sammeln derzeit Geld, um den Vater und Großvater in die bulgarische Heimat zu überführen und dort würdig zu bestatten. Das Hamburger Abendblatt berichtet mit Verweis auf den Enkel darauf, dass Sergey nicht auf der Straße, sondern bei „Freunden oder Bekannten“ schlief und zum Lebenserwerb bettelte. Sohn Nico erzählt: „Ich habe meinem Vater immer gesagt: Geh’ nicht, du musst das nicht machen, ich habe doch Arbeit.“ Aber der Vater sei dann doch fast jeden Tag gegangen, beinahe 20 Jahre lang, er habe die Menschen in Ottensen so gemocht. Wie sich spätestens jetzt herausstellt: Die Menschen in Ottensen mochten ihn auch – sehr sogar.
Sergey wurde 64 Jahre alt. Nach Angaben der Polizei wurde er vergangenen Donnerstag in der Museumstraße in Ottensen tot aufgefunden. Es ist bereits der 17. Todesfall im öffentlichen Raum in diesem Jahr. Die Polizei schließt Fremdeinwirkung aus. Die Ermittlungen zur Todesursache dauern an.