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Die Suche

Illustration: Stefan Bachmann
Illustration: Stefan Bachmann
Unsere Autorin hat lange aus dem Koffer gelebt. Illustration: Stefan Bachmann

Ich suche eine Wohnung in Hamburg.
Sollte möglich sein, dachte ich.
Doch ich hatte keine Ahnung.

Hinz&Kunzt Randnotizen

Freitags informieren wir per Mail über die Nachrichten der Woche:

Wo finde ich eine Wohnung?

Ich habe schon in vielen Wohnungen gewohnt.
Zum Beispiel in einem kleinen Haus in Japan.
Das war sehr schön.
Oder in der dritten Etage in einem Altbau in Argentinien.
Das war auch schön,
aber sehr laut und nicht ganz dicht.
Ich habe in 22 Wohnungen gelebt.
Seit fünf Jahren bin ich ohne Mietvertrag.
Mal bin ich in einer Ferien-Wohnung,
mal wohne ich heimlich als Untermieterin.
Damit ist nun Schluss.
Ich suche jetzt sofort eine feste Wohnung.

Es ist im Moment sehr schwierig,
schnell eine gute Wohnung zu finden.
Immer mehr Menschen brauchen Wohnungen in den Städten.
Man baut aber immer weniger Wohnungen.
Jedes Jahr fehlen neue 100.000 Wohnungen.
Die meisten Menschen suchen eine Wohnung etwa ein Jahr.
Manche suchen noch viel länger.
Und viele Wohnungen sind nicht perfekt.

Meine Freund*innen haben alle eine Wohnung gefunden.
Lena lebt mit ihrem arbeitslosen Partner in einer Altbauwohnung.
Sie können die Wohnung gerade noch bezahlen.
Felix wohnt an einer lauten Straße.
Er trägt zu Hause immer Ohropax.
Mein Freund Daniel lebt in einer großen Altbauwohnung,
mit einem kleinen Türmchen und einem Aufzug.
Die Wohnung kostet 800 Euro warm.

Ich finde aber,
dass Daniel das schlechteste Los gezogen hat.
Denn er wohnt weit weg in der Stadt Magdeburg.

Aber meine Freund*innen haben eine Wohnung.
Wie habt ihr das gemacht?, frage ich.
Sie antworten: Mit Glück.
Die Antwort gefällt mir nicht.
Ich arbeite als freie Journalistin.
Vermieter halten mich für zu unsicher.
Vielleicht ist Glück doch nicht so schlecht.

Teure Wohnungen im Internet

Ich suche wie viele andere auch im Internet eine Wohnung.
Vermieter*innen zeigen auf Webseiten Fotos ihrer Wohnungen.
Sie nennen die Lage und wie hoch die Miete ist.
Man kann eine Nachricht senden,
wenn man die Wohnung anschauen möchte.
Manchmal findet man tolle Wohnungen,
die super aussehen und unter 1.000 Euro kosten.
Solche Anzeigen sind nur wenige Minuten online.
Das will ich nicht verpassen.
Ich bin acht Stunden am Tag online,
meine Augen tun schon weh.

Ich sehe auch viele schreckliche Wohnungen.
Auf den Bildern ist sehr viel Müll und Dreck.
Trotzdem melden sich Hunderte Menschen.
Wer schnell ausziehen möchte,
verkauft oft seine alten Möbel für sehr viel Geld.
Das nennt man „Abschlag“.
Der Abschlag kann sehr hoch sein.
Zum Beispiel wollte ein Paar für einige Möbel über 2.000 Euro.
Wer das nicht bezahlen will oder kann,
der bekommt keine Einladung für die Besichtigung.

Mit der Suche nach Wohnungen kann man viel Geld verdienen.
John Weinert hat das erkannt.
Seine Webseite im Internet heißt „Tausch-Wohnung“.
Mieter*innen können dort ihre Wohnungen tauschen.
Sie suchen eine neue Wohnung,
ohne den alten Mietvertrag zu kündigen.
John Weinert ist mit seiner Webseite sehr erfolgreich.

Wohnungen einfach so tauschen?

Die Idee mit „Tausch-Wohnungen“ ist gut.
Aber niemand tauscht eine gute Wohnung gegen eine schlechtere.
Die Leute suchen eine noch bessere Wohnung.
Oder eine Person will ein halbes Jahr in Berlin wohnen
und ihre Hamburger Wohnung tauschen.
Danach will die Person ihre Wohnung zurück.
Mitmachen kann dabei nur,
wer auch eine tolle schöne super Wohnung hat.
Ich kann da nicht mitmachen.
Ich habe gar keine Wohnung.

Die Webseite „Tausch-Wohnung“ ist sehr beliebt.
Im Jahr 2023 waren jeden Monat auf der Webseite
viele tausend Wohnungen.
Die Wohnungen sind alle nicht frei,
man kann in sie nicht neu einziehen.
Man kann sie nur mit einer anderen Wohnung tauschen.
Ich brauche also wirklich viel Glück,
wenn ich eine Wohnung bekommen möchte.

Die „Wohnungs-Ninjas“

Ich schreibe in einem Monat 100 Bewerbungen,
aber ich werde fast nie eingeladen für eine Besichtigung.
Besichtigungen bedeuten noch nichts.
Sie sind meistens am Nachmittag.
Aber wer hat am Nachmittag so viel Zeit?
Ich suche seit zwei Monaten und habe zwölf Wohnungen besichtigt.
Eine war in Eimsbüttel.
Neben der Papiertonne schlief ein betrunkener Partygänger.
Eine Wohnung war auf der Veddel.
Sie war kaputt und hässlich.
Die schönen Wohnungen in Barmbek sind nicht so teuer.
Aber viel zu viele Leute wollen sie haben.
Ich habe hier keinen Erfolg.

Man bekommt schwer eine Einladung zu einer Besichtigung.
Wer eine Wohnung besichtigen darf,
kennt sich natürlich mit Wohnungen aus.
Ich nenne diese Leute die „Wohnungs-Ninjas“.
Sie sind schnell im Internet.
Sie sind den ganzen Tag am Handy.
Sie schreiben sofort ihren Text auf jede Anzeige.
Am Ende einer Besichtigung schreiben alle eine „Selbst-Auskunft“.
Auf einem Fragebogen schreibt man:

  • Wer ist man?
  • Was arbeitet man?
  • Wieviel Geld hat man?

Das Glück liegt immer am Geld.

Die Vermieter*innen entscheiden,
wer die Wohnung bekommt.
Sie laden die Leute ein,
die Geld und Zeit haben.
In der „Selbst-Auskunft“ gibt es viele ähnliche Menschen.
Ich habe viele Menschen um die 25 Jahre getroffen.
Sie waren nett und höflich, so wie ich.
Manche sahen sogar aus wie ich.
Die „Selbst-Auskunft“ ist wie ein Los in einer Lotterie.
Nur eine Person kann gewinnen.

Wo bleibt mein Wunder?

Mein Los hatte noch kein Glück.
Ich habe noch immer keine Wohnung gefunden.
Mein Freund Finn sagte bei seiner Wohnungssuche:
„Ich kann auch unter einem Baum leben.“
Letzte Woche war ich in einer schlechten Wohnung in Barmbek-Süd.
Sie war schmutzig, kaputt und ohne Küche.
Ich dachte, niemand will diese Wohnung.
Auf dem Heimweg fand ich ein vierblättriges Kleeblatt.
Ich dachte, jetzt muss es klappen.
Zwei Tage später bekam ich eine E-Mail:
„Leider hat sich der Vermieter für jemand anderen entschieden.“
Jetzt ist mir klar:

Wenn ich eine Wohnung finden will,
brauche ich kein Glück.
Ich brauche ein Wunder.

Übersetzung in leichte Sprache: capito Hamburg

Artikel aus der Ausgabe:
Ausgabe 381

Von der Straße auf die Bühne

Xenia Brandt war obdachlos – heute ist sie Comedian und verarbeitet so ihre Erfahrungen. Außerdem im Schwerpunkt über obdachlose Frauen: Wie Periodenarmut zu psychischen Problemen führt. Und: Hinz&Künztlerin Annie erzählt über Gewalt und Erniedrigung auf der Straße.

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Autor:in
Maja Schirrle
Jahrgang 1999. Schreibt über Außenseiter und Unterschätzte.

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