Kleine Bühnen und Nachwuchsbands sind die Leidtragenden der Clubkrise nach der Coronapandemie. Der „Hafenklang“ rettet sich mit einem Crowdfunding – vorerst.
175.000 Euro – das ist die eindrucksvolle Summe, die der Musikclub „Hafenklang“ binnen kurzer Zeit von Gästen und Unterstützer:innen gesammelt hat. „Das ist eine unglaubliche Wertschätzung unserer Arbeit“, sagt Hafenklang-Geschäftsführer Thomas Lengefeld und räumt ein, bisweilen daran gezweifelt zu haben, ob der Club überhaupt noch gebraucht wird.
Denn das Crowdfunding war bitter nötig: Zwischen Juni 2023 und Mai 2024 machte der Hafenklang 100.000 Euro Schulden – Idealismus und Selbstausbeutung hinter den Kulissen zum Trotz. Es gibt individuelle Gründe, die den Club „auf seine bisher härteste Probe“ gestellt haben, wie Lengefeld es nennt. Ein wegen Rohrbruchs gesperrtes Klo zum Beispiel. Die großen Probleme aber sind struktureller Natur – und sie hängen mit der Coronapandemie zusammen. Nach Lockdowns und Maskenpflicht sind die Hafenklang-Gäste offenbar nicht mehr so ausgehfreudig wie davor. Und weniger Gäste bedeuten weniger Einnahmen, inzwischen werden im Hafenklang ein Drittel weniger Getränke verkauft als vor der Pandemie.
„Es gab fast drei Jahre kein normales Clubprogramm“, sagt Lengefeld, „natürlich suchen die Leute sich Alternativen.“ Ob das nun Netflix-Schauen bei den Älteren oder Cornern bei den Jüngeren sei, vom Clubbesuch hätten die Menschen sich jedenfalls entwöhnt. Auch Youtube habe Clubs den Rang abgelaufen: „Die Musiksozialisierung ist eine andere geworden“, meint der 52-Jährige. Dazu kommen gestiegene Betriebskosten: Viele Firmen im Live-Business hätten während der Pandemie dichtgemacht, die übrigen inzwischen die Preise angezogen. Lengefeld rechnet vor: Brauchte der Hafenklang 2018 noch 90 zahlende Gäste, um ein Konzert wirtschaftlich zu veranstalten, sind es heute 130 bis 150. Teilweise mussten schon Shows von unbekannteren Bands wegen schlechter Vorverkaufszahlen abgesagt werden, um drohende Verluste abzumildern, erzählt Lengefeld: „Das ist uns so schwergefallen!“
Der Hafenklang steht mit diesen Problemen nicht alleine da. Das belegt eine Umfrage aus dem Februar des Hamburger Clubkombinats, ein Zusammenschluss von Kultureinrichtungen vom „Alsterschlösschen“ über das „Molotow“ bis zur „Zinnschmelze“. Im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit beklagen Clubs und Veranstalter:innen darin einen Gäste-Rückgang von 13 Prozent. Mit Folgen für die Kulturlandschaft: Immerhin jeder zwölfte der Befragten dachte im Februar über eine zeitnahe Betriebsaufgabe nach. Um gegenzusteuern, mussten 70 Prozent die Preise anheben – und machen sich gleichzeitig Sorgen, dass ihr Publikum sich das nicht mehr leisten kann.
Die Sorgen sind berechtigt: Als das Dockville-Festival in diesem Jahr seine Besucher:innen befragte, sagte fast jede:r fünfte, heute das Geld, von dem früher Tickets gekauft worden wären, zur Deckung gestiegener Lebenshaltungskosten zu benötigen. Fast die Hälfte gab an, bei niedrigen Eintrittspreisen eher bereit zu sein, eine Veranstaltung zu besuchen.
Die Entwicklung trifft am Ende insbesondere Nachwuchskünstler:innen: 64 Prozent der Befragten gaben in der Clubkombinat-Umfrage an, dass sie diesen wegen der wirtschaftlichen Situation seltener eine Bühne bieten können. „Der ewige Strom an musikalischen Talenten, die dann später die großen Hallen und Stadien füllen, droht ohne gegensteuernde Maßnahmen zu versiegen“, mahnt das Clubkombinat.
Und eine weitere Pandemie-Folge macht den Clubs aktuell zu schaffen: Sie müssen einen Teil der Corona-Hilfen zurückzahlen, die sie vom Staat bekommen haben. Dafür, dass sie lange Zeit keine Gäste reinlassen durften und deswegen Verluste erwirtschafteten. Knapp 3 Millionen Euro gingen laut Kulturbehörde an die Clubs, bei vielen stehen nun Rückforderungen im Raum. „Das geht von 60 Euro bis zu höheren fünfstelligen Beträgen“, erklärt ein Behördensprecher. Auch der Hafenklang steht in der Kreide: Womöglich müssen rund 17.000 Euro zurückgezahlt werden.
Was also tun? Die Stadt müsste mehr helfen, findet Thomas Lengefeld – wenn sie will, dass es weiterhin Clubs wie den Hafenklang mit einem zuweilen sperrigen Programm jenseits des Mainstreams geben soll. „Das ist eine bewusste politische Entscheidung“, sagt der Geschäftsführer. Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda (SPD) macht im Hinz&Kunzt-Interview ein wenig Hoffnung: „Wir werden nicht darum herumkommen, uns auch Gedanken über zusätzliche Förderinstrumente zu machen“, sagt er. Konkrete Ideen nennt er jedoch keine (siehe ab Seite 24).
Noch trägt die durch das Crowdfunding ausgelöste Euphorie das Team um Lengefeld durch den Herbst. „Der Hafenklang ist genau so gewollt, wie er ist – mit allem Dreck, der dazu gehört“, sagt er – wohl wissend, dass im nächsten Jahr der nächste Engpass droht, wenn sich nichts grundlegend ändert. Die Zukunftsangst kann dem Hafenklang weder der Kultursenator noch das Crowdfunding nehmen: 2029 läuft der Mietvertrag für die Große Elbstraße 64 aus – ob er wohl verlängert wird? „Nach sorgfältiger Überlegung“, teilt das Investmentunternehmen auf Hinz&Kunzt-Anfrage mit, wolle man sich dazu nicht äußern. Die Hafenklang-Zukunft: ungewiss.