Wer wiederholt ohne Ticket in Bus oder Bahn erwischt wird, kann ins Gefängnis kommen. Das darf nicht mehr passieren, fordern renommierte Wissenschaftler:innen in einem offenen Brief an Justizminister Marco Buschmann (FDP).
Fahren ohne Fahrschein soll künftig weder als Straftat noch als Ordnungswidrigkeit gelten: Das fordern 128 Professor:innen und Wissenschaftler:innen aus den Forschungsfeldern Kriminologie, Soziale Arbeit und Wohnen in einem offenen Brief an Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP).
Konkret fordern sie, den Paragraf 265a im Strafgesetzbuch ersatzlos zu streichen. Dieser stellt das „Erschleichen von Leistungen“ unter Strafe, darunter das Fahren ohne Fahrschein. Der Paragraf kriminalisiere Armut, schreiben Nicole Bögelein, Kriminologin an der Uni Köln, und Luise Klaus, Stadtgeografin an der Goethe-Universität Frankfurt am Main.
Bislang werden Menschen, die wegen des Fahrens ohne Fahrschein angezeigt werden, grundsätzlich strafrechtlich verfolgt und schließlich oft mit einer Geldstrafe belegt. Häufig sind arme Menschen betroffen, die weder den Fahrschein noch diese Geldstrafen zahlen können. Sie landen daher im Gefängnis, wo sie eine sogenannte Ersatzfreiheitsstrafe verbüßen.
„Der Straftatbestand trifft überproportional armutsbetroffene Menschen und solche in prekären Lebenslagen“, so die Wissenschaftlerinnen. Die Strafen hätten – insbesondere aufgrund der hohen Zahl der verhängten Ersatzfreiheitsstrafen – für Betroffene “schwerwiegende und unverhältnismäßige Konsequenzen” – bis zum Verlust der Wohnung.
Buschmann hat bereits vergangenes Jahr ein Eckpunktepapier vorgelegt, laut dem das Fahren ohne Fahrschein nicht mehr als Straftat, sondern als Ordnungswidrigkeit geahndet werden soll. Auf Grundlage davon werde derzeit ein Referentenentwurf erarbeitet, der zeitnah veröffentlich werde, teilte eine Sprecherin des Bundesministeriums der Justiz auf Anfrage von Hinz&Kunzt mit.
Buschmanns Pläne greifen jedoch zu kurz, meinen die Forscherinnen. Bei einer Herabstufung zur Ordnungswidrigkeit bestehe trotzdem die Gefahr, dass Betroffene im Gefängnis landen. Denn wenn sie sich das Bußgeld nicht leisten können, könnten sie über die sogenannte Erzwingungshaft inhaftiert werden, heißt es in ihrem Brief.