Schwimmen am Elbstrand

Abtauchen – aber sicher!

Alles im Blick: Die DLRG-Wasserrettungsstation am Elbstrand Wittenbergen. Foto: Dmitrij Leltschuk
Alles im Blick: Die DLRG-Wasserrettungsstation am Elbstrand Wittenbergen. Foto: Dmitrij Leltschuk
Alles im Blick: Die DLRG-Wasserrettungsstation am Elbstrand Wittenbergen. Foto: Dmitrij Leltschuk

21 Menschen sind 2023 in öffentlichen Gewässern ertrunken – obwohl viele von ihnen schwimmen konnten. DLRG-Wasserretter Arto van der Meirschen warnt vor unsichtbaren Gefahren und erklärt, wie man sich auch am Elbstrand sicher abkühlen kann.

Hinz&Kunzt Randnotizen

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„Wenn die noch zwei Meter weiter rausschwimmen, sind sie in der Fahrrinne und in der Strömung drin. Ich hoffe mal, dass sie einen Plan haben“, sagt Arto van der Meirschen und blickt angestrengt auf die Elbe. Man erkennt nur die Köpfe, die dazugehörigen Schwimmer bewegen sich gefährlich weit weg vom Strand bei Wittenbergen. Der 54-Jährige behält sie genau im Blick, dabei ist er heute gar nicht im Dienst: „Ich gucke halt, das steckt drin“, sagt er und lächelt. Seit seiner Geburt ist er DLRG-Mitglied, sein Vater rettete bei der Sturmflut 1962 viele Menschenleben. „Das prägt“, sagt van der Meirschen. Seit zwölf Jahren ist er Chef im Bezirk Altona, zu dem auch der beliebte Strand in Wittenbergen gehört.

Die Elbe wirkt an diesem Sommertag friedlich: Enten pütschern herum, es weht kaum Wind. Trotzdem könne es „schnell hässlich werden“, sagt van der Meirschen. Der Grund: Unter der Oberfläche lauern steile Abbruchkanten, es geht 16 Meter tief in die Fahrrinne der Containerschiffe. Die sorgen am Strand für hohe Wellen (Schwell) und ziehen Schwimmer:innen in die Flussmitte (Sog). Die Strömung kann bis zu 4,5 km/h schnell werden. Das unterschätzen viele.

„Ein Schritt und da ist kein Grund mehr unter den Füßen.“

Arto van der Meirschen

Laut DLRG-Statistik sind im vergangenen Jahr 21 Menschen in öffentlichen Gewässern in Hamburg ertrunken – das sind mehr als doppelt so viele wie noch im Vorjahr. Allein acht Menschen ertranken in der Elbe, andere in Seen, Bächen oder Kanälen. Immer wieder berichten Medien über besonders dramatische Badeunfälle, wie die zwei Jugendlichen, die 2023 am Falkensteiner Ufer in der Elbe ertranken. Die Statistik spricht eine deutliche Sprache: 79 Prozent der Badetoten sind Männer. Selbstüberschätzung sei das größte Problem, auch Alkohol spiele oftmals eine Rolle, weiß van der Meirschen aus Erfahrung.

Doch ganz gleich aus welchem Grund jemand im Wasser in Not ist – auch Herzinfarkte, Panik oder Erschöpfung spielen eine Rolle – Arto van der Meirschen und seine Kolleg:innen müssen schnell sein: „Hirnschäden durch Sauerstoffmangel können bereits nach drei Minuten auftreten“, erklärt er. Die Schwierigkeit: Ertrinkende schreien nicht, der Fachbegriff dafür lautet „Stilles Ertrinken“. Wer Wasser verschluckt, bei dem verkrampft die Stimmritze im Kehlkopf, damit will der Körper die Lunge schützen. „Es ist nicht wie in den Filmen, wo gestrampelt, laut gerufen und heroisch gekämpft wird“, sagt Arto van der Meirschen. „Die Menschen versuchen nur, irgendwie den Kopf über Wasser zu halten.“ Und: Wer gerettet wurde, will oft nur noch eins – schnell weg. „Wir haben mal einen 70-jährigen Herren aus dem Wasser gefischt. An Land stand schon ein Tross aus Feuerwehr und Rettungssanitätern mit Trage bereit, aber der Mann rannte an ihnen vorbei, schnappte sich seine Sachen und war weg. Der hatte den Schock seines Lebens“, sagt er. Dabei sollten sich Menschen, die beinahe ertrunken sind, medizinisch checken lassen, so der dringende Rat des DLRG-Helfers. „Ich bin ja kein Arzt und überblicke mögliche Folgen gar nicht“, sagt er. Dazu zählen Lungenentzündungen, die durch Bakterien im Wasser ausgelöst werden können.

Arto van der Meirschen ist seit seiner Geburt DLRG-Mitglied. Foto: Dmitrij Leltschuk

Noch lieber wäre es Arto van der Meirschen, wenn er in der Saison nicht mehr im Schnitt zweimal täglich raus müsste aufs Wasser. „Wir haben schon vor 20 Jahren als Ziel null Badetote ausgegeben, aber das klappt leider nicht“, sagt er. Zwar stehen am Strand überall Warnschilder, in denen vor dem Schwimmen in der Elbe gewarnt wird (sogar in vielen Sprachen), aber viele ignorieren sie. „Man geht auf eigene Gefahr ins Wasser“, sagt van der Meirschen. „Wir sagen: Baden in der Elbe? Mach es nicht oder nur, wenn du weißt, was du tust.“ So wie die Anwohnenden aus Rissen, die hier morgens gern eine Runde schwimmen. „Die kennen ihr Revier“, sagt Arto van der Meirschen – anders als viele Tourist:innen oder Sonnenhungrige, die aus anderen Stadtteilen an den Strand kommen. „Man kann sich als Erwachsener mal im knietiefen Wasser erfrischen, aber immer tiefer reinzugehen, ohne den Boden zu spüren, ist keine gute Idee“, sagt er. Nie sollte man einfach in unbekannte Gewässer hineinspringen. Besser vor dem Abtauchen schlaumachen, zum Beispiel im Netz: Wie ist das Gewässer beschaffen, wo liegen Gefahren? „Viele Baggerseen haben einen flachen Einstieg und dann geht es schnell sechs bis acht Meter in die Tiefe. Der Allermöher See hat zum Beispiel eine Abbruchkante: Ein Schritt und dann ist da kein Grund mehr unter den Füßen“, warnt der Wasserretter.

Er selbst hat im Alter von sechs Jahren in einem Hafenbecken an der Ostsee schwimmen gelernt. Heute können rund ein Viertel aller Grundschulkinder in Deutschland nicht schwimmen. Es fehlt an Schwimmlehrer:innen und Hallenbadzeiten. Schwimmlernkurse sind online binnen Minuten ausgebucht. Arto van der Meirschen sagt: „Wenn jemand hier in meinem Bezirk noch ein Schwimmbad bauen würde, würde ich ‚Hurra!‘ schreien, mit 20 Millionen Euro sind wir im Spiel.“ Bis es vielleicht irgendwann so weit ist, retten er und seine Kolleg:innen weiter Leben – ehrenamtlich, in ihrer Freizeit. „Ich kann auch auf dem Sofa sitzen und mir die 22. Netflix-Serie reinziehen, aber das macht nicht so viel Spaß“, sagt Arto van der Meirschen. Die Schwimmer, die vorhin so weit draußen waren, sind mittlerweile wieder heil angekommen. „Gut so“, sagt der Wasserretter. Er wirkt erleichtert.

  1. Coole Schwimm-Spots in und um Hamburg
    1. Der Pulvermühlenteich Meckelfeld ist der zweitgrößte Badesee im Landkreis Harburg und hat laut Badegewässer Atlas eine „ausgezeichnete“ Wasserqualität. Bis Mitte September mit Kiosk, auch mobile Toiletten sind vorhanden. Himmelbruch, 21217 Meckelfeld
    2. Schon seit 1950 besteht das Naturbad in Oberglinde, besonders Familien gefällt es hier. Bis 31.8. täglich von 9 bis 20 Uhr geöffnet. An der Tonkuhle 16, 25436 Moorrege

    3. Wer im freien Gewässer schwimmen möchte, kann dies auf der Insel Neuwerk tun. Durch die Tide sind die Badestellen im Hafen, rund um den Radarturm und den Priel Hundebalje aber nur für geübte Schwimmer:innen geeignet. Anreise: April-Oktober per Schiff, Wattwagen oder zu Fuß ab Cuxhaven.
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Artikel aus der Ausgabe:
Autor:in
Simone Deckner
Simone Deckner
Simone Deckner ist freie Journalistin mit den Schwerpunkten Kultur, Gesellschaft und Soziales. Seit 2011 arbeitet sie bei Hinz&Kunzt: sowohl online als auch fürs Heft.

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