Der Geoökologe Michael Richter von der Hafencity-Universität forscht zu den Folgen des Klimawandels für Städte. Im Interview erklärt er, wie wir mit Dürre und Starkregen umgehen können.
Hinz&Kunzt: Hamburg hat im Juni einen „Jahrtausendregen“ erlebt, teilweise waren die Niederschlagsmengen vergleichbar mit denen der Ahrtal-Katastrophe. Abgesehen von vereinzelten überfluteten Straßen und Kellern sind wir aber glimpflich davongekommen.
Michael Richter: Der Vergleich mit dem Ahrtal ist schwierig, weil wir hier viel weniger Gefälle haben als dort. Im Ahrtal ist das Wasser sehr schnell die Hänge runter in die Ahr gelaufen, die dann angestiegen ist und die Ortschaften zum Teil weggespült hat. In Hamburg sind solche Flusshochwasser eher ein kleineres Problem, weil die Flüsse hier ein flaches Einzugsgebiet haben.
Können wir uns hier also entspannt zurücklehnen?
Zurücklehnen eher nicht. Starkregenereignisse sind oft nur wenige Quadratkilometer groß und können überall auftreten, nicht nur an den Flüssen. Der Großteil der Stadt ist versiegelt, das Wasser geht also von allen Flächen direkt in die jahrzehntealte Kanalisation, die dafür nicht ausgelegt ist. Es staut sich dann schnell zurück in den Straßenraum. Wir haben in den vergangenen Jahren gesehen, dass solche Hochwasser in Hamburg viel häufiger auftreten als an unseren Flüssen.
Der Mühlenkamp stand nach dem Starkregen Ende Juni unter Wasser. Fragt man bei Hamburg Wasser nach, heißt es, jedes Kanalsystem würde durch einen so starken Regen an seine Kapazitätsgrenzen gelangen. Die Kanalisation entsprechend auszubauen, sei weder wirtschaftlich sinnvoll noch technisch möglich.
Dann müsste man immer, wenn man neu baut und Flächen versiegelt, die Kanalisation anpassen – das ist kaum möglich und auch nicht sinnvoll und nachhaltig. Es gibt aber eine ganze Reihe anderer Maßnahmen, die man ergreifen kann. Wir müssen unsere Straßen, Parkplätze und Dächer so gestalten, dass sie Wasser aufnehmen können.
Hätte es in Winterhude im Juni keine Überflutungen gegeben, wenn es dort ausreichend Sickerflächen geben würde? Oder kommt auch die „Schwammstadt“ bei so starkem Niederschlag an ihre Grenzen?
Wir haben mal berechnet, dass man kleinere Starkregenereignisse auffangen könnte, wenn man 20 Prozent der Straßenfläche entsiegeln würde – und das Regenwasser dort versickern könnte. Wenn wir hier am Mühlenkamp durchgängig einen zwei Meter breiten Grünstreifen hätten, würde das schon sehr viel bringen. Man wird aber nie 100-prozentige Sicherheit haben – einen Jahrtausendregen kann man nicht auffangen.
Die Stadt hat eine Starkregenkarte im Internet veröffentlicht, auf der man sehen kann, welche Gebiete besonders gefährdet für Überschwemmungen sind. Der Mühlenkamp ist darauf tiefblau eingefärbt. Wie können sich Anwohner:innen und Vermieter:innen selbst vor künftigem Hochwasser schützen?
Man kann sein Dach begrünen, damit es Teile des Regens auffängt. Es gibt außerdem Rückstauklappen, die verhindern, dass das Wasser in den Keller läuft, wenn es aus dem Kanal in das Gebäude drückt. Für Kellereingänge und Tiefgarageneinfahrten gibt es Fluttore, die verhindern, dass das Wasser reinläuft.
Die Atmosphäre kann mehr Wasser aufnehmen, je wärmer die Luft ist. Im Frühjahr jagte ein Temperaturrekord den nächsten. Hat es deswegen in diesem Frühsommer so viel geregnet?
Das kann man nicht so direkt sagen. Die Temperaturen werden zwar weiter steigen und wir können uns daran gewöhnen, jedes Jahr Hitzerekorde zu haben. Was das für den Regen bedeutet, ist aber nicht so klar. Mein Gefühl ist, dass es inzwischen deutlich mehr Starkniederschläge gibt, aber das ist statistisch noch nicht sicher. Es ist aber sehr wahrscheinlich, dass wir über das Jahr verteilt insgesamt mehr Niederschlag bekommen, vor allem in den Wintermonaten. Im Sommer sieht es eher so aus, dass es trockener wird.
Vor zwei Jahren haben wir uns noch Sorgen um Dürre gemacht. Wie kann Hamburg sinnvoll mit seinem Regenwasser umgehen, wenn künftig häufiger entweder viel zu viel oder viel zu wenig davon da ist?
Auch hier lautet die Antwort: Entsiegelung. Je offener der Boden ist, desto mehr Wasser kann ich speichern. Wenn man einen Baum in 12 Kubikmeter Substrat pflanzt, kann die Grube 4000 Liter Wasser aufnehmen. Das hält dann schon eine Weile. Je größer die Grube, desto besser für den Baum. Man kann auch unterirdische Zisternen bauen, die theoretisch unendlich viel Wasser aufnehmen können, wenn man den Platz hat. Aber das ist teuer.
Wie optimistisch sind Sie, dass Hamburg die richtigen Weichen stellt, um für den Klimawandel gut aufgestellt zu sein?
In Städten wie Hamburg wäre die Entwicklung beherrschbar, wenn man die Zeichen der Zeit erkennen würde. Es gibt hier aber noch andere Probleme: Wohnungsbau etwa soll möglichst günstig sein – und das beißt sich mit konsequenten Klimaanpassungsmaßnahmen. Das ist ein klassisches Abwägungsdilemma. Ich sehe hier noch nicht den unbedingten Willen, dass man klimaangepasst bauen will.
Vielen Dank für das Gespräch!