Weil sie einen Angriff auf Obdachlose gestoppt haben, zeichnet die Hamburger Polizei vier Menschen aus Bayern mit einem Zivilcourage-Preis aus. Wie wichtig solcher Einsatz ist, zeigen neue Daten: Gewalt gegen Obdachlose nimmt immer weiter zu.
Zivilcourage lohnt sich – jedenfalls für vier Menschen aus Bayern, die am Donnerstag vom Hamburger Polizeiverein mit dem Ian-Karan-Preis ausgezeichnet wurden, weil sie im Februar 2023 den brutalen Angriff auf zwei Obdachlose auf der Reeperbahn gestoppt hatten. „Hier haben vier junge Leute selbstlos unter Inkaufnahme eines nicht ganz unerheblichen Risikos etwas zutiefst Menschliches und in jeder Hinsicht Bewundernswertes geleistet“, sagte Polizeipräsident Falk Schnabel am Donnerstagvormittag bei der Preisverleihung in den Räumen der Davidwache.
In der Nacht zum 28. Februar 2023 hatte ein 23-jähriger Mann aus Sachsen auf zwei Obdachlose eingetreten, die sich vor dem Hotel Keese schlafen gelegt hatten. Einer der beiden wurde besonders schwer verletzt, bekam bis zu 40 Fußtritte unter anderem gegen den Kopf ab. „Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass Sie diesem Menschen das Leben gerettet haben“, sagte der Polizeipräsident.
Anklage wegen versuchten Totschlags
Die Münchnerin Jacqueline Bürger ging als erste ohne nachzudenken dazwischen, wie sie im Gespräch mit Hinz&Kunzt berichtet. „Ich verstehe nicht, wie man bei so was wegschauen kann, das ist unbegreiflich für mich“, sagt sie. Dem Obdachlosen mit Platzwunden und Schwellungen im Gesicht, der nicht ins Krankenhaus wollte, spendierten Bürger und ihre Begleiter eine Nacht im Hotel.
„Hier haben vier junge Leute etwas zutiefst Menschliches und in jeder Hinsicht Bewundernswertes geleistet.“
Gegen den mutmaßlichen Täter aus Leipzig hat die Hamburger Staatsanwaltschaft Anklage wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung erhoben. Das Motiv der Tat sei bis heute unklar, teilte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft gegenüber Hinz&Kunzt mit. Der Prozess vor dem Landgericht beginnt am 17. Juni.
Immer mehr Gewalt gegen Obdachlose
Gewalt gegen Obdachlose nimmt immer mehr zu, hat diese Woche eine Antwort der Bundesregierung auf Anfrage der Linken-Politikerin Martina Renner ergeben. Vergangenes Jahr wurden demnach 885 solcher Gewalttaten registriert, ein Anstieg um 36,8 Prozent im Vergleich zu 2018 (647 Fälle). Besonders stark angestiegen ist die Gewalt gegen wohnungslose Frauen, hier lag der Anstieg bei 46,2 Prozent. Linken-Politikerin Renner fordert deswegen auch mehr Plätze in Frauenhäusern und Schutzwohnungen: „Bund, Länder und Kommunen sind in der Pflicht, ausreichend Unterkünfte und Schlafplätze bereitzustellen.“