Verelendung auf der Straße

Vorzeigeprojekt stark nachgefragt

Illustration: Julia Pfaller

In der Bahnhofsmission am Hamburger Hauptbahnhof können Obdachlose seit vergangenem Jahr pflegerische Hilfe bekommen. Die Nachfrage zeigt, dass das Projekt dringend gebraucht wird.

Hinz&Kunzt Randnotizen

Freitags informieren wir per Mail über die Nachrichten der Woche:

1400 Obdachlose haben seit April vergangenen Jahres vom Notpflege-Angebot der Bahnhofsmission am Hauptbahnhof profitiert. Das Projekt kümmert sich um Menschen, die auf der Straße verelenden, weil es keine passenden Hilfsangebote für sie gibt. „Die Lage ist immer dramatischer geworden“, begründet Axel Mangat, Leiter der Bahnhofsmission, die Notwendigkeit der Pflege. Viele der Gäste hätten keinen Anspruch auf staatliche Hilfen und seien oft nicht mal krankenversichert. Andere seien be­wegungseingeschränkt und deshalb auf barrierefreie sanitäre Angebote angewiesen.

Am häufigsten gefragt waren laut Bahnhofsmission ein Verbandwechsel (650-mal), gefolgt von einer Dusche (350-mal) oder einer Läuse-Behandlung (135-mal). „Auf der Straße ist es schwer, Wunden sauber zu halten“, sagt Notfallsanitäterin Henrike Lux. Da könne ein kleiner Kratzer am Bein schnell zu einem großen Problem werden. Zudem hätten viele Obdachlose kein echtes Bewusstsein mehr für ihren Körper: „Es braucht Mut, die Hose hochzukrempeln, eine Wunde zu zeigen, anstatt sie unterm Stoff zu verstecken und den Schmerz mit Alkohol zu betäuben.“

Ein weiteres Projekt für pflegebedürftige Obdachlose startet die Stadt im April: In einem ehemaligen Pflegeheim in Niendorf will sie schwer kranke Menschen unterbringen, die bislang in Notunterkünften oder auf der Straße leben mussten. Bis zu 118 Menschen sollen dort Platz finden – auch Obdachlose, die aus dem Ausland kommen und keine Leistungsansprüche haben. Drogenkranke sollen in dem Heim nicht untergebracht werden. Die künftigen Bewohner:innen sollen „regelfähig“ sein, erklärte die Sozialbehörde.

Artikel aus der Ausgabe:

Gut geschlafen?

Wie schlecht Obdachlose schlafen – und was das für ihre Gesundheit bedeutet. Wieso es im Stadtteil Niendorf Widerstand gegen neue Hilfseinrichtungen gibt. Außerdem: Besuch im Zusatzstoffmuseum und Interview mit Kettcar-Bassist Reimer Burstorff.

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Autor:in
Benjamin Buchholz
Benjamin Buchholz
Früher Laufer, heute Buchholz. Seit 2012 bei Hinz&Kunzt. Redakteur und CvD Digitales.

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