Kunst für Hinz&Kunzt

Im Levantehaus lädt „der Direktor“ Vorbeihastende zum Innehalten ein. Foto: Kolja Warnecke

Zum ersten Mal steht eine Skulptur des renommierten österreichischen Künstlers Erwin Wurm im öffentlichen Raum in Hamburg. Das Besondere: Er hat sie Hinz&Kunzt geschenkt.

Hinz&Kunzt Randnotizen

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Für Erwin Wurm haben Essiggurken und Menschen viel gemeinsam. Beide sind individuell verschieden, aber doch klar erkennbar als das, was sie sind, findet der Künstler und porträtierte sich selbst auch schon mal kurzerhand als Essiggurke. Ist das Kunst? Für Erwin Wurm kann alles zur Skulptur werden. Nicht nur Essiggurken, auch Alltagsobjekte verfremdet und deformiert er in seinen Arbeiten: Pistolen sind verfettet, Häuser stehen Kopf, Autos sind aufgebläht, riesige Bananen fliegen durch Fußgängerzonen. Erwin Wurm stellt die Wahrnehmung infrage und öffnet neue Sinnesebenen. Nichts ist so, wie es scheint, unter der Oberfläche lauert die Überraschung.

„Der Direktor“ im Levantehaus

Die 1,90 Meter hohe Bronzeskulptur „Der Direktor“ hat Erwin Wurm an Hinz&Kunzt gespendet. Sie hat ihren Platz im Erdgeschoss des Levantehauses in der Mönckebergstraße eingenommen. Dort können Interessierte das Kunstwerk kostenfrei bestaunen.

Sie möchten an Hinz&Kunzt spenden? Das geht über folgende Spendenkonten:

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Sein Humor ist speziell, eher ironisch als schenkelklopfend, oft spitz und entlarvend, wenn er sich die Obsessionen der Gesellschaft vornimmt: Schlankheitswahn und Fettsucht, Mode, Werbung und Konsumkult, Kapitalismus und Umweltzerstörung spießt er auf und hält den Menschen den Spiegel vor. Damit wurde der 1954 geborene Österreicher zu einem der bedeutendsten Künstler seiner Generation, international anerkannt für seinen einzigartigen Zugang zur Skulptur – durch die Verwendung von Video und 3D-Drucker, mit Zeichnungen, Fotografien und Performances hat er sie neu erfunden und gleichzeitig zugänglicher gemacht.

Erwin Wurm wechselt Genres und Themen, Materialien und Techniken – und so ändert sich auch der Blickwinkel auf die Gesellschaft. Mit seinen fotografisch dokumentierten „One Minute Sculptures“ hat er sich final beim Publikum und in der globalen Kunstszene etabliert. Betrachter:innen werden Teil seiner Kunst, wenn sie sich darauf einlassen und Wurms Handlungsanweisungen folgen: Menschen interagieren auf absurde Weise mit Putztüchern, Tennisbällen oder Milchtüten – für eine Minute werden sie auf diese Weise zur lebenden Skulptur. So entstehen Situationen, die irritieren, Staunen und Heiterkeit erzeugen.

Die Zeit, die Gesellschaft und ihre Menschen, das sind seine ständigen Themen. Dabei verzweifelt er manchmal. Es fasst ihn an, „wie Menschen sich gegenseitig behandeln“, sagt er beim Telefoninterview. Die Politik befinde sich in einem Zustand riesiger geistiger Schwäche: „Das ist fatal. Die Unersättlichkeit der Reichen ist doch krank. Ich bange um den Westen, der gleichgültig, labil und verlogen ist.“

Mit Kritik ist er nicht zimperlich und weiß doch um seine privilegierte Situation. Dass er mit seiner Arbeit auskömmlich Geld verdient, erlaubt ihm ein unabhängiges Schaffen – und gibt ihm die Möglichkeit, sich sozial zu engagieren. „Das Geschäft läuft, mir geht’s gut“, sagt er. Schon häufig habe er Arbeiten an soziale Vereine gespendet; das ist ihm wichtig, denn nicht immer ging es ihm so gut wie heute und er kann sich in Notlagen einfühlen. „Ich finde es wichtig, ihre Arbeit zu unterstützen, auch monetär“, sagt er. „Ich weiß selbst, wie schnell zum Beispiel Künstler verarmen können. Das geht schneller, als man denkt, und es ist sehr schwer, dann wieder Fuß zu fassen.“ Er habe nicht gezögert, als Hinz&Kunzt ihn gefragt hat, ob er sich vorstellen könne, das Straßenmagazin mit einer Skulptur in Hamburg zu würdigen. Dass sich ein Straßenmagazin für seine Kunst interessiere, sei eine positive Überraschung gewesen: „Damit hatte ich noch keine Erfahrung.“

Er entschied sich für die Bronzeskulptur „Der Direktor“. Stattliche 1,90 Meter ist sie hoch: Lange dünne Beine, die in eleganten Schuhen und schnieken Hosenbeinen stecken, enden dort, wo der Körper beginnen sollte, in einer prallen Aktentasche. „Für mich ist das ein Mahnmal“, sagt Erwin Wurm. „Der Direktor ist nur an Monetärem interessiert und hält all seine Handlungen für entschuldbar, allen Menschen gegenüber. Nur der Profit steht im Vordergrund.“ Ihm gefällt die Vorstellung, dass Aktentaschenträger:innen auf den Straßen Hinz&Künztler:innen begegnen – und ihre Aktentaschen dabei manches Mal zum Spenden oder Magazinkauf aufgehen.

In Hamburg waren seine Werke zuletzt 2007 bei einer Retrospektive in den Deichtorhallen zu sehen. In einer Hamburger Privatsammlung ist Erwin Wurm ebenfalls vertreten. „Der Direktor“ ist nun eine Premiere: Er wird, für alle zugänglich, sein neues Zuhause im Levantehaus finden: für alle zugänglich, aber bewacht, denn Bronze ist teuer und weckt unerwünschte Begehrlichkeiten. Die Möglichkeit des direkten Kontakts, den der öffentliche Raum bietet, nutzt Erwin Wurm schon lange. In Belgien steht eine von ihm gestaltete futuristische Frittenbude, in Salzburg warten lebensgroße Essiggurken auf dem Gehweg auf Passant:innen. Auch Zeitschriften, Videoclips oder das Internet gehören für ihn zum öffentlichen Raum, „nicht nur der Platz vor dem Museum“, wie er sagt. „Immer raus zu den Menschen will ich!“

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