Leichte Sprache

Ist Betteln verboten?

Seit 1974 ist Betteln in Deutschland nicht mehr verboten. Foto: Miguel Ferraz

Die Polizei vertreibt Obdachlose aus der Stadt.
Die Obdachlosen sollen laut sein
und anderen Menschen auf der Straße im Weg,
sagen die Stadt Hamburg und die Polizei.
Doch das stimmt einfach nicht.

Hinz&Kunzt Randnotizen

Freitags informieren wir per Mail über die Nachrichten der Woche:

Der Mann ist ganz friedlich.
Er sieht nicht wie ein Mann aus,
der laut schreit und Streit sucht.
Er sitzt ruhig am Rand von dem Gehweg.
Die Menschen können ohne Probleme an ihm vorbei gehen.
Der Mann heißt Daniel und ist 36 Jahre alt.
Er sitzt auf seiner Tasche vor einem Supermarkt
im Hamburger Stadt-Teil Sankt Georg.
Vor Daniel steht ein kleiner gelber Becher,
sehr wenig Geld ist darin.

Daniel sitzt dort seit 3 Jahren.
Er ist obdachlos,
das heißt: Daniel hat keine Wohnung.
Er bittet deshalb andere Menschen um Hilfe.
Man nennt das auch: betteln.
Daniel konnte immer vor dem Supermarkt betteln.
Er hatte nie Probleme.
Aber vor wenigen Wochen ist die Polizei gekommen.
Sie haben gesagt:
„Betteln ist jetzt verboten.
Die Stadt Hamburg hat eine neue Regel gemacht.
Du musst also weggehen.“

Die Polizei Hamburg hat Hinz und Kunzt im März 2023 gesagt,
dass Menschen wie Daniel aus dem Stadt-Zentrum gehen müssen.
Niemand darf mehr betteln,
haben die Polizist*innen zu den Obdachlosen gesagt.
Die Polizei sagte dann aber,
dass Betteln nicht verboten ist.
Die Obdachlosen waren aber schon weg:
Die Polizist*innen haben sie aus dem Zentrum vertrieben.

Die Sozial-Senatorin von Hamburg heißt Melanie Schlotzhauer.
Sie ist in der Sozial-Demokratischen Partei und leitet die Sozial-Behörde.
Die Sozial-Behörde soll armen Menschen helfen,
damit sie nicht mehr arm sind.
Frau Schlotzenhauer sagte aber im April 2023,
dass sie mit Betteln nichts zu tun hat.
Sie sagte auch,
dass die Polizei nur die Regeln einhält:
„Niemand darf aggressiv betteln.“
Wir von Hinz und Kunzt wollten dann wissen,
was „aggressiv betteln“ heißen soll.
Frau Schlotzenhauer hat aber nichts mehr gesagt.

Die Stadt Hamburg hat gesagt,
dass ein „fester Bettel-Platz“ auf einem Weg
fast wie ein kleiner Laden ist.
Das ist aber verboten.
Der Hamburger Anwalt Christian Bernzen findet:
„Das stimmt so nicht.
Es ist vor allem wichtig,
ob andere Menschen den Weg auch benutzen können.“
Ein kleiner Becher für ein bisschen Geld ist
ganz sicher kein kleiner Laden.

Der Anwalt Wolfgang Hecker aus der Stadt Frankfurt sagt:
„Die Polizei kann die Obdachlosen in Ruhe lassen,
auch wenn sie ein bisschen von dem Weg für sich benutzen.
Die Menschen können sich den Weg teilen,
so dass alle den Weg benutzen können.“

Die Polizei in Hamburg sagt,
dass sie jede einzelne Person genau prüft.
Eine Person muss erst dann weg gehen,
wenn die Person die „Sicherheit und Ordnung stört“.
„Wer friedlich und leise um Hilfe und Geld bettelt,
darf natürlich an seinem Platz bleiben“,
sagte die Polizei auf eine Frage von Hinz und Kunzt.
Wir wollten auch von der Polizei wissen,
was „aggressives Betteln“ heißt.
Aber auch die Polizei hat nichts mehr gesagt.

Viele Obdachlose sagen aber,
dass die Polizei ganz anders zu ihnen ist.
Askan zum Beispiel bettelt an der U-Bahn-Station Jungfernstieg.
Er hat eine kleine Tasche und eine Schlaf-Matte.
Er hält einen Becher für Geld in der Hand.
Askan steht ganz am Rand und stört die Menschen nicht.
Bis vor wenigen Tagen hat er bei einem Laden gesessen.
Dort hat er gebettelt und auch geschlafen.
Der Chef von den Laden hat aber die Polizei gerufen,
sagt Askan.
Die Polizei hat ihn dann weg geschickt und vertrieben.

Askan hat dann auf der Straße vor der U-Bahn-Station gesessen.
Die Polizei ist wieder zu ihm gekommen.
Sie haben gesagt:
„Du darfst nicht mehr sitzen und betteln.
Betteln ist nur im Stehen erlaubt!“
Askan hat das nicht verstanden:
„Ich störe doch niemanden!“
Der Weg ist viele Meter breit
und die Menschen können ohne Probleme vorbei gehen.
Ein sitzender Mensch kann hier gar nicht stören.

Im April 2023 haben Menschen eine Demo gemacht.
Die Menschen finden es falsch,
dass die Polizei Obdachlose vertreibt.
Daniel vor dem Supermarkt in Sankt Georg hat gehofft,
dass die Polizei danach anders denkt.
Ein paar Tage hat die Polizei Daniel auch in Ruhe gelassen.
Daniel sagt aber auch,
dass bald wieder die Polizei gekommen ist.
Einige Menschen wollten Daniel helfen.
Sie sagten zu der Polizei:
„Lassen Sie den Mann in Ruhe!
Er stört niemanden und ist ganz friedlich!“
Aber die Polizei hat das nicht interessiert.
Sie haben Daniel von dem Supermarkt vertrieben.

Betteln ist erlaubt!

Betteln ist in Deutschland seit dem Jahr 1974 erlaubt,
also seit fast 50 Jahren.
Vorher konnten Menschen eine Strafe bekommen
für „Bettlerei und Land-Streicherei“,
also wenn die Menschen arm und obdachlos waren.
Die Polizei darf heute nur Bettler vertreiben,
wenn die Bettler stören oder die Wege falsch benutzen.

In Hamburg gibt es das Wege-Gesetz.
In dem Wege-Gesetz steht,
wie man die Straßen, Plätze und Wege benutzen darf.
Man braucht eine Erlaubnis von der Stadt Hamburg,
wenn man zum Beispiel auf einem Weg einen Tisch stellen möchte.
Denn ein Tisch ist ein Hindernis für die Menschen.

Ein Bettler oder eine Bettlerin bekommt keine Erlaubnis,
sagt die Stadt Hamburg.
„Denn wer immer an der gleichen Stelle bettelt,
der hat an dieser Stelle einen festen Platz.
Das ist so wie ein fester Wohn-Ort
und stört immer die anderen Menschen auf der Straße.
Die Polizei darf also Obdachlose vertreiben.“

Der Hilfs-Verein Diakonie findet das ganz falsch.
Der Verein hat deshalb an die Stadt geschrieben:
„Die Stadt ist viel zu streng.
Arme Menschen und Menschen in Not dürfen immer um Hilfe bitten.
Die Menschen dürfen immer auch Betteln,
damit sie etwas Essen bekommen können.“

Auch der Anwalt Wolfgang Hecker aus Frankfurt sagt,
dass die Polizei Obdachlose nicht vertreiben darf:
„Die Polizei darf Menschen nicht vertreiben,
weil sie arm oder obdachlos sind.
Die Menschen dürfen immer und überall um Hilfe bitten.“
Wolfgang Hecker sagt auch:
„Wer andere Menschen ruhig um Hilfe fragt,
ist kein aggressiver Bettler.
Aggressiv bedeutet laut sein und Streit suchen.
Diese Menschen sind aber ruhig und friedlich.
Die Stadt darf die Menschen nicht vertreiben.“

Übersetzung in Leichte Sprache: Capito Hamburg

Autor:in
Benjamin Buchholz
Benjamin Buchholz
Früher Laufer, heute Buchholz. Seit 2012 bei Hinz&Kunzt. Redakteur und CvD Digitales.
Ulrich Jonas
Ulrich Jonas
Ulrich Jonas schreibt seit vielen Jahren für Hinz&Kunzt - seit 2022 als angestellter Redakteur.

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