Energiesperren

Ein Hilfsfonds, der (fast) nicht hilft

Illustration: Julia Pfaller

9 Haushalte haben bis Ende März Geld aus dem Hamburger Härtefallfonds erhalten, um eine Strom- oder Gassperre abzuwenden. Das teilte die Sozialbehörde auf Hinz&Kunzt-Anfrage mit. Dabei seien rund 13.600 Euro ausgezahlt worden.

Hinz&Kunzt Randnotizen

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Angesichts der gestiegenen Energiepreise übernimmt die Stadt für Menschen, die keine Sozialleistungen beziehen und denen eine Sperre angekündigt wurde, seit Dezember 80 Prozent der Schulden für eine einmalige Tilgung – den anderen würden Jobcenter oder Sozialamt helfen, so die Behörde. Die restlichen 20 Prozent sollen die Energiekonzerne tragen. Bislang hat sich dazu allerdings nur der Hamburger Strom-Grundversorger Vattenfall bereit erklärt.

Der Weg zur Hilfe ist kompliziert: Wer sie benötigt, muss eine Schuldnerberatungsstelle auf­suchen, die die Anspruchsvoraussetzungen prüft. Dennoch sei die Idee des Fonds „eine gute Sache“, sagt Henrik Schmidt, Vorstand der Landesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung Hamburg. Die Umsetzung aber sei verbesserungsfähig: „In der Beratungsstelle, in der ich arbeite, hatten wir seit Dezember einen Fall, bei dem wir eine Förderung bescheinigen konnten.“ Der Schuldnerberater sieht dafür zwei Gründe: Zum einen kämen viele Hilfesuchende vor einer Sperrankündigung: „Den können wir nur sagen: Kommen Sie wieder, wenn es so weit ist.“ Zum anderen seien die meisten Ratsuchenden Menschen im Hilfebezug, deren Geld einfach nicht reiche: „Der Stromanteil im Regelsatz ist viel zu niedrig.“

Wie oft Hilfebeziehende von einer Sperre betroffen waren, ist nicht bekannt. Ebenso wenig gibt es Zahlen dazu, in wie vielen Fällen das Jobcenter mit einem Darlehen ausgeholfen hat. „Wir erfassen diese Daten nicht separat“, so eine Sprecherin. 2022 wurde in Hamburg 4232 Haus­halten die Stromzufuhr gesperrt. In den ersten drei Monaten dieses Jahres waren laut Stromnetz Hamburg nur 95 Haushalte betroffen – eine plausible Erklärung für den starken Rückgang gab es bis Redaktionsschluss nicht. Von einer Sperrung der Gaszufuhr waren 2022 laut Gasnetz Hamburg lediglich 47 Haushalte betroffen, in den ersten drei Monaten dieses Jahres waren es 5. Die Erklärung für die vergleichsweise kleinen Zahlen: Heizkosten von Hilfebeziehenden – die  keine Chance auf Unterstützung aus dem Fonds haben – werden von den Ämtern in tatsächlicher Höhe übernommen, solange sie als „angemessen“ gelten. 

Die Linke fordert „eine Informationsoffensive“ von der Stadt. Der Hilfsfonds sei vom Senat immerhin mit 15 Millionen Euro ausgestattet worden, so die sozialpolitische Sprecherin Stephanie Rose. „Die sehr übersichtliche Anzahl an Anträgen lässt sich nur damit erklären, dass vielen Hamburger:innen der Härtefallfonds und die damit verbundene Möglichkeit der Schuldenübernahme überhaupt nicht bekannt ist.“ Das meint auch Schuldnerberater Schmidt: „Ich habe da keine Öffentlichkeitsarbeit wahrgenommen.“

Artikel aus der Ausgabe:

Zehn Jahre Lampedusa in Hamburg

Nach der Solidaritätswelle: Wie die Lampedusa-Geflüchteten in Hamburg angekommen sind – und wie die EU sich an ihren Grenzen immer weiter abschottet. Außerdem: Wieso Hamburgs Wohnunterkünfte überfüllt sind wie sich ein Festival gegen Antisemitismus stark macht. 

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Autor:in
Ulrich Jonas
Ulrich Jonas
Ulrich Jonas schreibt seit vielen Jahren für Hinz&Kunzt - seit 2022 als angestellter Redakteur.

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