Leichte Sprache :
Das unsichere Leben der Bau-Arbeiter

Leichte Sprache
Eine Baustelle im Hamburger Osten, deren Lage wir zum Schutz der Arbeiter nicht benennen. Foto: Mauricio Bustamante

Viele Bau-Arbeiter aus dem Ausland wissen nicht,
was sie dürfen und was in den Gesetzen steht.
Sie haben deshalb große Probleme.

Hinz&Kunzt Randnotizen

Freitags informieren wir per Mail über die Nachrichten der Woche:

Die Bau-Arbeiter von Hamburg

Herr Roman ist Bau-Arbeiter.
Roman hat eigentlich einen anderen Namen,
aber in diesem Text möchte er Roman heißen.
Und auch die anderen Bau-Arbeiter in diesem Text
haben eigentlich andere Namen.
Die falschen Namen in diesem Text schützen die Bau-Arbeiter.

Roman kommt aus dem Land Polen.
Er spricht nicht so gut Deutsch.
In Hamburg arbeitet er auf Bau-Stellen.
Roman hat eine große Sorge.
Er weiß nämlich nicht,
ob er für die Arbeit eine Kranken-Versicherung hat.
Kranken-Versicherung heißt:
Die Firma zahlt jeden Monat Geld in die Kranken-Kasse.
Wenn ein Arbeiter dann krank wird und nicht arbeiten kann,
muss er nichts für den Arzt oder die Ärztin bezahlen.
Und auch den Lohn bekommt er weiter.

Roman hat zum Glück eine Helferin.
Sie heißt Aldona Kucharczuk.
Aldona arbeitet in der „Service-Stelle Arbeitnehmer-Freizügigkeit“.
Arbeitnehmer sind alle Arbeiter in einer Firma.
Freizügigkeit heißt:
Jeder Mensch darf an jedem Ort in Europa arbeiten.
Die „Service-Stelle Arbeitnehmer-Freizügigkeit“ hilft Menschen,
die oft nur für wenige Monate auf einer Bau-Stelle arbeiten.
Danach suchen sich die Menschen eine neue Bau-Stelle.
Viele Bau-Arbeiter leben so.
So lebt auch Roman.

Aldona von der „Service-Stelle“ ist auf die Bau-Stelle gekommen,
weil sie die Probleme kennt.
Aldona und ihr Team sagen den Bau-Arbeitern,
dass sie sich nicht alles gefallen lassen müssen.

Wenig Lohn und keine Kranken-Versicherung

Viele Bau-Arbeiter kennen ihre Rechte oft nicht.
Vor allem Bau-Arbeiter aus anderen Ländern wissen oft nicht,
wie die Gesetze in Deutschland sind.
Zum Beispiel müssen sie eine Kranken-Versicherung haben.
Sie müssen einen Arbeits-Vertrag haben.
Und sie müssen jeden Monat den richtigen Lohn bekommen.
Die Firmen machen das aber oft nicht.
Die Firmen sparen lieber das Geld für sich selbst.
Sie bezahlen Menschen wie Roman zu wenig oder gar nicht.
Das nennt man Ausbeutung.
Auf Bau-Stellen gibt es sehr oft Ausbeutung.

Aldona und ihr Team aus 6 Menschen möchten das ändern.
Roman zeigt Aldona ein Foto auf seinem Handy.
Es ist das Foto von einem Brief.
Die deutsche Kranken-Kasse fragt Roman in dem Brief,
ob er wirklich in Deutschland arbeitet.
Roman arbeitet schon 3 Monate in Hamburg auf Bau-Stellen.
Die Firma hat das der Kranken-Kasse nicht gemeldet.
Aber die Firma muss das am ersten Tag melden.
Jetzt hat Roman ein Problem.
Der Firma ist das aber egal.

Aldona von der „Service-Stelle“ kennt diese Firma schon.
Viele Menschen haben sich über diese Firma beschwert.
Aldona gibt Roman einen Zettel mit einer Adresse.
„Kommen sie gern zu mir in das Büro,
wir können das Problem lösen.“
Roman vertraut Aldona,
sie können miteinander auf Polnisch sprechen.

Aldona und ihr Team wollten die Bau-Stelle im Osten Hamburgs sehen.
Vor wenigen Wochen war eine Gruppe Bau-Arbeiter bei ihr.
Die Bau-Arbeiter kamen aus dem Land Albanien.
Sie haben gesagt,
dass sie auf dieser Bau-Stelle viele Monate gearbeitet haben.
Plötzlich sollten sie aber nicht mehr arbeiten.
Es gibt keine Arbeit mehr für sie,
sagte man ihnen.
Sie haben auch auf der Bau-Stelle in einem Keller gewohnt.
Jetzt haben sie keine Arbeit und keine Wohnung mehr.
Sie haben auch kein Geld bekommen.
Und einen Arbeits-Vertrag haben sie auch nicht.

Viele Probleme auf Bau-Stellen

Auf Bau-Stellen gibt es sehr oft viele ähnliche Probleme.
Manche Firmen zahlen keine oder zu wenig Steuern.
Sie zahlen auch die Versicherungen für die Arbeiter nicht.
Manche Firmen stehlen so viele Millionen Euro.
Das ist zum Beispiel in Süd-Deutschland passiert.
Die Behörden haben viele Probleme auf Bau-Stellen gesehen.
Die Arbeiter bekamen viel zu wenig Geld
und verloren dann auch noch die Arbeit und die Wohnung.

In Hamburg haben Bau-Arbeiter im Juli protestiert.
Sie standen auf dem Dach von einem Haus in der Holstenstraße.
Sie wollte so lange nicht mehr arbeiten,
bis sie ihren ganzen Lohn bekommen.
Die Firma hatte den Lohn sehr lange nicht gezahlt.
Wieviel Geld die Bau-Arbeiter danach bekommen haben,
haben die Bau-Arbeiter später nicht mehr sagen können.
Die Arbeiter waren schon zu einer anderen Bau-Stelle fort.

Das größte Problem für Bau-Arbeiter aus anderen Ländern
sind die vielen Firmen auf einer Bau-Stelle.
Es gibt auf einer Bau-Stelle ein paar große und viele kleine Firmen.
Diese kleinen Firmen nennt man auch:
Sub-Unternehmen.
Die Arbeiter verstehen oft nicht,
was ein Sub-Unternehmen ist.

Was ist ein Sub-Unternehmen?

Dies ist ein Beispiel:
Eine große Firma soll ein großes Haus bauen.
Die Firma braucht dafür sehr viele Bau-Arbeiter.
Die Arbeit ist oft sehr schwer.
Die Arbeit ist oft auch nur für ein paar Monate.
Die Firma möchte nicht so viele Arbeiter einstellen.
Sie sagt also zu einer anderen Firma:
„Bitte schicke Arbeiter auf die Bau-Stelle,
dafür bekommst du von mir Geld.“
Die andere Firma ist jetzt ein Sub-Unternehmen.
Aber das Sub-Unternehmen fragt noch eine andere Firma.
So gibt es immer mehr kleine Firmen.
Alle diese Firmen sind Sub-Unternehmen von der großen Firma.
Alle Sub-Unternehmen möchten auch Geld verdienen.
Sie bezahlen die Bau-Arbeiter darum sehr schlecht.

„So darf es auf den Bau-Stellen nicht weitergehen!“,
sagt die Gewerkschaft „BAU“.
Eine Gewerkschaft ist ein großer Verein
für den Schutz und die Hilfe von allen Arbeiter und Arbeiterinnen.
Die Gewerkschaft „BAU“ hilft allen Arbeitern und Arbeiterinnen,
die auf Bau-Stellen arbeiten.

Die Gewerkschaft sagt auch:
Das Geld ist für die Arbeiter
und nicht allein für die vielen kleinen Firmen.
Die Politik soll bessere Regeln machen,
damit das nicht mehr passiert.
Aber die Politik macht viel zu wenig.

Die Bau-Arbeiter Adrian und Igor

Die meisten Probleme haben Bau-Arbeiter,
die aus anderen Ländern kommen.
So zum Beispiel Adrian aus Rumänien:
Er kam im Herbst nach Hamburg.
Im Internet hat er gelesen,
eine Firma sucht Fahrer für große Autos auf Bau-Stellen.
Er fragt die Firma und bekommt die Arbeit.

Die Firma ist aber ein Sub-Unternehmen.
Die Firma behandelt Adrian sehr schlecht.
Adrian bekommt keinen Arbeits-Vertrag.
Adrian bekommt nach einem Monat nur ein bisschen Geld.
Das Geld bekommt er nur bar und ohne Rechnung.
Einen Monat später bekommt er gar kein Geld.
Adrian soll auch nicht mehr arbeiten.

Adrian hat aber zum Glück sein ganzes Geld bekommen.
Aldona von der „Service-Stelle“ hat Adrian sehr viel geholfen.

Igor aus Polen hatte noch viel größere Probleme.
Auch Igor hat in Hamburg auf einer Bau-Stelle gearbeitet.
Igor hat einen Arbeits-Vertrag bei einem Sub-Unternehmen.
Alles ist lange Zeit in Ordnung.
Igor bekommt Geld und hat eine Kranken-Versicherung.
Dann hat er in seiner Freizeit einen schweren Unfall.
Igor ist fast dabei gestorben.
Sein Chef aber kündigt die Kranken-Versicherung.
So spart sein Chef viel Geld für sich selbst.

Igor bekommt aber sehr hohe Rechnungen vom Krankenhaus,
die er nicht bezahlen kann.
Igor geht schließlich zu einem Anwalt.
Erst viele Monate später mit Hilfe der Mutter und Aldona
bekommt er seinen Lohn von der Firma.
Die Firma muss auch die Rechnungen vom Krankenhaus zahlen.
Für Igor und seine Familie waren diese Monate sehr anstrengend.

Nur 21 Euro für eine Stunde harte Arbeit

Auf der Bau-Stelle von Roman finden nicht alle gut,
dass Aldona und ihr Team zu Besuch sind.
Ein deutscher Arbeiter fragt Aldona böse:
„Und wer bezahlt das,
wenn niemand arbeitet?“

Die Bau-Arbeiter sagen Aldona nicht so viele Probleme.
Zum Beispiel fehlt ein Raum für die Pausen.
Zwei Arbeiter sagen,
dass sie seit 11 Jahren selbstständig auf Bau-Stellen arbeiten.
Sie verlangen dafür 21 Euro in der Stunde.
Das ist nicht viel Geld,
denn die Arbeiter müssen alles selbst bezahlen.
Sie bezahlen von den 21 Euro alle Steuern,
aber auch die Kranken-Versicherung oder die Rente.
Für das normale Leben bleibt dann sehr wenig Geld.

Einfach wegrennen?

Aldona und ihr Team sind gegen Mittag fertig.
Sie haben mit Menschen aus vielen Ländern gesprochen.
Viele Bau-Arbeiter kommen aus Ost-Europa,
zum Beispiel aus Serbien, Moldawien oder Albanien.
Diese Länder gehören nicht zur Europäischen Union.
Die Europäische Union ist ein Bund von 27 Ländern.
Die Menschen aus den 27 Ländern dürfen
in allen Ländern von der Europäischen Union arbeiten.

Menschen aus anderen Ländern dürfen nicht so einfach
in der Europäischen Union arbeiten.
„Wenn diese Menschen keinen Arbeits-Vertrag haben,
dann können sie sehr große Probleme bekommen“,
sagt Johannes Reinhold.
Johannes möchte auch den Bau-Arbeitern helfen.
Er hilft besonders den Menschen,
die von Ländern außerhalb der Europäischen Union kommen.
Johannes meint:
Manche Bau-Arbeiter verstehen nicht richtig,
warum sie einen Arbeits-Vertrag brauchen.
Doch es gibt sehr hohe Strafen.
Ein Mann hat zu Johannes gesagt:
„Ich renne ganz schnell weg,
wenn die Polizei kommt.“
Aber was passiert,
wenn der Mann nicht schnell genug ist?

Information:

Was muss für Bau-Arbeiter besser werden?

Die Gewerkschaft „BAU“ sagt:
Es gibt viel zu viele Sub-Unternehmen.
Auf einer Bau-Stelle sollen nur zwei Sub-Unternehmen sein.
Die Behörden und die Polizei müssen viel öfter
die Bau-Stellen überprüfen.
Deshalb sollen mehr Menschen bei der Behörde „Zoll“ arbeiten.
Der Zoll darf die Bau-Stellen überprüfen.

Nicht alle Firmen auf den Bau-Stellen sind schlecht.
Die guten Firmen wollen nicht,
dass die schlechten Firmen allen schaden.
Die guten Firmen sagen:
„Wir als Bau-Firmen müssen etwas gegen die schlechten Firmen tun.
Wir müssen die Arbeiter und die guten Firmen schützen.“

In Hamburg arbeiten etwa 8.000 Firmen auf den Bau-Stellen.
Auf allen Bau-Stellen gibt es 70.000 Arbeiter.
Der Zoll hat in den ersten 6 Monaten in diesem Jahr
nur 70 Firmen prüfen können.
Aber über 50 Firmen hat der Zoll bestraft.

Übersetzung in Leichte Sprache: Capito Hamburg

Autor:in
Ulrich Jonas
Ulrich Jonas
Ulrich Jonas schreibt seit vielen Jahren für Hinz&Kunzt - seit 2022 als angestellter Redakteur.

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