Fahren ohne Fahrschein :
Justizminister:innen beraten über Entkriminalisierung

Vor idyllischer Kulisse überreicht Arne Semsrott die Petition zur Abschaffung des §265a auch an die Hamburger Justizministerin Anna Gallina (Die Grünen). Foto: Christof Stache / Campact (Creative Commons / CC BY-NC 2.0)

Die deutschen Justizminister:innen haben auf ihrer diesjährigen Konferenz über die Entkriminalisierung des Fahrens ohne Fahrschein diskutiert. Die Hamburger Justizsenatorin Anna Gallina stimmte für eine entsprechende Beschlussvorlage aus Berlin.

Hinz&Kunzt Randnotizen

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Ungewöhnlicher Auftakt: Noch vor dem Beginn der Jusitizministerkonferenz überreichten Aktivist:innen rund um Arne Semrott der Hamburger Justizminsterin Anna Gallina (Grüne) feierlich eine dicke Mappe. Darin enthalten waren 106.375 Unterschriften für die Forderung: „Kein Gefängnis für Fahren ohne Fahrschein!“ Begleitet wurde die Szene in Hohenschwangau von Sprechchören, Schildern und einem roten Pappbus mit der Aufschrift „Endstation Knast“.

Hintergund der Aktion ist eine Beschlussvorlage zur Entkriminalisierung des Fahrens ohne Fahrschein. Diese hatte das Land Berlin für die diesjährige Justizministerkonferenz eingereicht. Nach Angaben der Hamburger Justizbehörde stimmte der Vorlage auch Gallina zu. In der anschließenden Pressekonferenz sprachen sie und ihre Kollegen aus Bayern und Nordrhein-Westfalen von großer Einigkeit. Im Abschlussbericht der Konferenz klingt diese aber wenig konkret: Einig sei man sich darüber, dass „hinsichtlich des Fahrens ohne Fahrschein Beratungsbedarf besteht“.

Jährlich tausende Gefängnisstrafen

Bislang gilt mehrmaliges Fahren ohne Fahrschein in Deutschland als Straftat. Grundlage dafür ist § 265a des Strafgesetzbuchs. In der Regel werden Menschen zu Geldstrafen verurteilt, wer diese allerdings nicht zahlen kann, muss eine Ersatzfreiheitsstrafe antreten. Schätzungen zufolge landen so mehrere tausend Menschen jährlich in Haft, weil sie ohne Ticket gefahren sind. Ein Großteil von ihnen ist arm oder lebt unter dem Existenzminimum. Besonders betroffen sind auch wohnungslose Menschen.

Vor rund zwei Jahren hatten die Hamburger Grünen in den Koalititionsgesprächen mit der SPD bereits eine Herabstufung des §265a zur Ordnungswidrigkeit gefordert, allerdings erfolglos. Das Votum für die Berliner Beschlussvorlage ist nun also eine Abkehr von der damaligen Koalitionsvereinbarung. Möglicher Hintergund: In den Koalitionsverhandlungen der Ampel-Parteien wurden Ersatzfreiheitsstrafen zumindest thematisiert. Im Koalitionsvertrag ist die „Überarbeitung des Sanktionsystems einschließlich Ersatzfreiheitsstrafen“ festgelegt. Was konkret das für das Fahren ohne Ticket bedeutete, ist bislang aber offen.

Während die Justizminster:innen beraten, werden zivilgesellschaftliche Initiativen bereits konkret. So sammelt die Initiative „Freiheitsfonds“ Spenden und hat damit laut eigenen Angaben bereits die Geldstrafen von 417 Menschen beglichen – und 84 Haftjahre aufgelöst.

Autor:in
Anna-Elisa Jakob
Anna-Elisa Jakob
Ist 1997 geboren, hat Politikwissenschaften in München studiert und ist für den Master in Internationaler Kriminologie nach Hamburg gezogen. Schreibt für Hinz&Kunzt seit 2021.

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